Anti-Brexit-Klägerin Miller: "Die Abgeordneten sollen ihre Arbeit machen.“

"Wir müssen unsere Rechte verteidigen“

Die Investment-Managerin Gina Miller über ihre Brexit-Klage gegen die britische Regierung.

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Die Investment-Managerin Gina Miller, 51, ist derzeit für die europhobe britische Boulevard-Presse Volksfeindin Nummer eins. Denn die in Guyana geborene Britin hat ihre Regierung vor den Kadi gezerrt. Sie will erreichen, dass der berüchtigte Artikel 50 der Europäischen Verträge, der den Brexit einleitet, erst nach einer Abstimmung im britischen Parlament ausgelöst werden darf. Ob sie damit Erfolg hat, wird sich diesen Dienstag zeigen - dann verkündet der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs seine Entscheidung über Millers Klage.

INTERVIEW: TESSA SZYSZKOWITZ/LONDON

profil: Vergangene Woche hat Premierministerin Theresa May angekündigt, dass das Parlament am Ende der Brexit-Verhandlungen über den Deal abstimmen darf. Ist Ihr Fall damit nicht eigentlich erledigt? Gina Miller: Mir geht es nicht um das Ende des Brexit-Prozesses, sondern um den Anfang. Ich habe die Regierung geklagt, weil ich finde, dass wir darüber diskutieren müssen, was der Brexit tatsächlich bedeutet - für unsere Landwirtschaft, für unsere Schulen, für unsere Forschung und so weiter. Wenn so ein wichtiger Schritt ansteht, gibt es normalerweise Diskussionen in beiden Kammern des Parlaments, Gesetzesvorschläge, Lesungen, Abstimmungen. Es kann nicht sein, dass unser souveränes Parlament dabei umgangen wird.

profil: Beide Großparteien haben ihre Abgeordneten aber ohnehin angewiesen, im Fall des Falles für die Auslösung von Artikel 50 zu stimmen. Miller: Die Abgeordneten sollen ihre Arbeit machen und im Interesse ihrer Wähler abstimmen, nicht im Interesse ihrer Parteien. Wir brauchen ein richtiges Gesetz, das unseren Beitrittsakt von 1972 widerruft. Sollte die Regierung das zu umgehen versuchen, indem sie beispielsweise nur eine Resolution oder einen Antrag verabschiedet, dann werde ich sie wieder vor Gericht bringen, und zwar wegen Missachtung des Gerichts.

profil: Seit Sie im Juli Ihre Klage eingebracht haben, werden Sie beleidigt und bedroht. Wie gehen Sie damit um? Miller: Unser Familienleben hat sich verändert, das stimmt. Doch unsere Welt ist schnelllebig. Wenn der Fall entschieden ist, wird sich alles normalisieren.

profil: Woher nehmen Sie die Zivilcourage? Miller: Großbritannien hat kein ausformuliertes Grundgesetz, sondern nur eine ungeschriebene Verfassung. Wir müssen unsere Rechte verteidigen, sonst könnten Politiker sie uns in Zukunft einfach wegnehmen.

Tessa   Szyszkowitz

Tessa Szyszkowitz