Hanegbi über USA und Nahost: "Verurteilung Israels seitens USA unfair"
Dieser Artikel erschien ursprünglich im profil Nr. 42 vom 17.10.2016.
profil: Bei seinem Amtsantritt 2008 galt US-Präsident Barack Obama als große Hoffnung für die Palästinenser auf eine gerechte Lösung des Nahost-Konflikts. Acht Jahre später ist die Enttäuschung umso größer. Was ging schief? Zachi Hanegbi: Ich weiß nicht, warum die Palästinenser so große Hoffnungen hatten. Mir kommt es seltsam vor, dass sie nicht einsehen, dass der einzige vielversprechende Weg für sie darin besteht, im direkten Dialog das Vertrauen der Israelis zu gewinnen. Niemand sonst kann ihnen helfen - nicht die Medien, nicht der Internationale Strafgerichtshof, nicht die US-Regierung, keine UN-Resolutionen oder sonst jemand. Zu hoffen, dass ein US-Präsident kommt und Israel unter Druck setzt, ist naiv.
profil: Weil die israelische Regierung dem Druck ohnehin widersteht? Hanegbi: Zu Beginn der ersten Amtszeit machte Präsident Obama ein paar Fehler. Er erhob etwa die Forderung, es dürfe nicht ein einziger Ziegelstein für neue israelische Siedlungen verbaut werden. Das war nicht durchsetzbar.
Wir glauben, dass man uns nicht maßregeln sollte.
profil: Sie würden gern mit den Palästinensern allein gelassen werden, ganz ohne Einmischungen von außen? Hanegbi: Welche Einmischungen? Die Palästinenser sollen sich keine Illusionen machen, dass internationale Akteure Israel dazu bringen könnten, gegen seine Interessen zu handeln. Das wird nicht passieren. Außerdem übt auch niemand Druck auf uns aus. Man kann uns wegen der neuen Siedlungen verurteilen, weil manche glauben, dies sei nicht hilfreich beim Aufbau von Vertrauen. Aber meiner Meinung nach wird man uns nie Maßnahmen aufzwingen können, die sich gegen unsere Existenz richten.
profil: Vor Kurzem wurde Ihre Regierung von der US-Regierung wegen des angekündigten Baus von Siedlungen im Westjordanland verurteilt. Hanegbi: Das sage ich ja: Das ist kein Druck, das ist eine Verurteilung, und wir erachten sie als unfair. Wir glauben, dass man uns nicht maßregeln sollte. Stattdessen sollte man den Palästinensern sagen: "Ihr seid allein. Ihr werdet von der Welt nichts bekommen, was ihr nicht von Israel bekommt.“ Aber sie glauben immer noch an ein Wunder - dass der US-Präsident oder die EU oder irgendjemand Israel auffordert, die Besatzung zu beenden. Dabei wollen wir die Besatzung ja nicht. Sie schmerzt uns mehr als die USA oder Europa.
profil: Martin S. Indyk, ehemaliger Nahost-Gesandter von Präsident Obama, sagte nach der jüngsten Verurteilung Israels durch die US-Regierung: "Die israelische Regierung scheint nicht zuzuhören.“ Hat er recht? Hanegbi: Eine Verurteilung ärgert uns.
Die Palästinenser gewinnen die Schlacht darum, wie die Welt über die jüdischen Siedlungen denkt.
profil: Wirklich? Hanegbi: Natürlich. Aber wir haben eine 70 Jahre lange Geschichte von Verurteilungen durch die Vereinten Nationen …
profil: … aber nicht durch die USA. Hanegbi: Es ist nicht so, dass Obama in der Frage der Siedlungen so viel anders wäre als die anderen US-Präsidenten seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967. Sie alle mochten die Siedlungen nicht. Wir hingegen versuchen, die Palästinenser zu überzeugen: Hört mit eurer Obsession der Siedlungen auf! Es bringt nichts! Wir sollten unsere Energien darauf verwenden, die Grenze zwischen Israel und Palästina auszuverhandeln, denn dann gibt es automatisch keine Siedlungen mehr. Die Siedlungen auf israelischer Seite würden Bestandteil des souveränen Staates Israel. Jene auf der anderen Seite würden wohl evakuiert, außer es will jemand unter palästinensischer Souveränität bleiben, was ich nicht annehme.
profil: Israel ist nicht besonders erfolgreich darin, die Außenwelt davon zu überzeugen, dass die Siedlungen nur eine Obsession der Palästinenser seien. Hanegbi: Nein, daran scheitern wir seit 50 Jahren. Die Palästinenser gewinnen die Schlacht darum, wie die Welt über die jüdischen Siedlungen denkt. Okay. Aber gleichzeitig haben sie dabei 50 Jahre Zeit verloren. Sie sind festgefahren und gelähmt.
Was immer Obama den Palästinensern verspricht, wird Clinton nicht halten können.
profil: Es hält sich in den USA und Israel hartnäckig das Gerücht, Obama könnte in den verbleibenden Wochen seiner Amtszeit einen letzten, spektakulären Akt im Nahost-Konflikt setzen, etwa eine UN-Resolution, die den Interessen Israels zuwiderläuft. Was halten Sie davon? Hanegbi: Wir haben das Gefühl, dass dies eine Möglichkeit ist. Dann allerdings würde Obama aufhören, der Anführer der freien Welt zu sein. Dann wäre er bloß ein Demonstrant. Es könnte sein, dass er gegen eine UN-Resolution kein Veto einlegt oder eine Rede über den Nahost-Konflikt hält, aber das wäre eben nicht mehr als eine Demonstration. Und es wäre ein Fehler.
profil: Warum? Hanegbi: Es wird am 8. November einen neuen, gewählten, aber noch nicht angelobten US-Präsidenten geben. Wenn er Donald Trump heißt, dann ist alles, was Obama jetzt sagt, ohnehin hinfällig. Wenn es Hillary Clinton ist, dann hat Obama ihr Hindernisse in den Weg gelegt. Denn was immer er den Palästinensern verspricht, wird Clinton nicht halten können. Es wäre also eine lächerliche, bizarre Demonstration.
Zur Person
Zachi Hanegbi, 59, ist seit Mai dieses Jahres Minister ohne Portfolio im Kabinett von Premierminister Benjamin Netanjahu, dessen Likud-Block er angehört. Der in Jerusalem geborene Hanegbi ist studierter Jurist, war Fallschirmjäger im Rang eines Sergeant und hatte bereits mehrere Ministerämter inne. Derzeit nimmt er vor allem außenpolitische und Verteidigungsaufgaben wahr.