"Zwei Gleichgesinnte"
profil: Sie luden Stephen Bannon, der heute Chefstratege von Donald Trump im Weißen Haus ist, im Jahr 2014 als Sprecher zu einer Konferenz Ihres Instituts ein. Später kündigten Sie an, weiter mit ihm zusammenarbeiten zu wollen. Wie könnte diese Kooperation aussehen? Benjamin Harnwell:Die westliche Zivilisation erlebt eine existenzielle Krise. Das Dignitatis Humanae Institute kann auf Basis der Prinzipien, die Bannon 2014 dargelegt hat, mit der Trump-Administration kooperieren - speziell im Hinblick auf die Stärkung des jüdisch-christlichen Fundaments der westlichen Zivilisation.
profil:Ist es nicht ein wenig ungewöhnlich, so etwas vom Weißen Haus zu erwarten? Harnwell:Ungewöhnlich? Ich denke, die Zeiten sind ungewöhnlich, der Druck auf die westliche Welt ist ungewöhnlich, und das Wahrnehmungsvermögen, mit dem Bannon diese Probleme ausgemacht hat, ist ebenfalls ungewöhnlich. Es ist klar, dass mit der Trump-Revolution und dem Brexit die Vorstellung von herkömmlicher Politik dem Ende zugeht.
profil: Wäre der Vatikan nicht eher die richtige Adresse, um die Idee einer Wiederbelebung christlicher Vorstellungen zu verwirklichen, als das Weiße Haus? Harnwell:Der Vatikan ist in einer Schlüsselposition, um bei der Verteidigung der jüdisch-christlichen Zivilisation einen einzigartigen Beitrag zu leisten.
profil: Wie schlimm ist diese nach ihrer Ansicht unter Druck geraten? Harnwell: Es handelt sich nicht um eine Entwicklung der jüngsten Zeit, aber der Druck ist von nie dagewesener Stärke. Er hat sich in Europa und den USA seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges aufgebaut. Die beiden größten Faktoren dabei sind der militante Säkularismus, der alle Anzeichen christlichen Glaubens aus dem öffentlichen Leben verbannen will, und die wachsende Präsenz des militanten Islamismus in Europa und den USA.
profil: Die sogenannte Trump-Revolution könnte Ihrer Meinung nach eine Wende bringen? Harnwell: Absolut! Trumps Sieg ist, für sich genommen, Teil einer weltweiten Strömung, eine Art Rebellion, angeführt von den Völkern gegen das jeweilige Establishment. In den USA sind das die Tea-Party-Bewegung (Anm.: eine erzkonservative Strömung innerhalb der Republikanischen Partei) und die Bewegung, die Donald Trump zum Sieg verholfen hat. Sie werden getragen von normalen Leute, die intuitiv bemerkt haben, dass die Regierungen nicht länger ihre Interessen vertreten, sondern die Interessen einer globalen Elite.
profil: Sie haben den konservativen Kardinal Raymond Burke und Stephen Bannon miteinander bekannt gemacht. Wie kam es dazu? Harnwell: Ich brachte die beiden im April 2014 zusammen, Bannon war damals Manager von Breitbart News (Anm.: das wichtigste Online-Medium der Trump-Anhänger), Burke war Präfekt des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur (Anm.: das höchste Gericht der Römischen Kurie). Burke gewährte Breitbart anlässlich der Heiligsprechung von Johannes Paul II. ein Interview. Sie empfanden sofort Respekt füreinander. Beide haben einen irisch-amerikanischen Hintergrund, beide entstammen der Arbeiterklasse, und beide sind Schlüsselspieler in einem Kampf, den man in den USA als "culture war“ (Anm.: Kampf zwischen der traditionalistischen und der progressiven gesellschaftspolitischen Strömung). Bannon und Burke stehen auf der Seite der pro-Familie- und pro-Leben-Bewegung (Anm.: Anti-Abtreibungsbewegung) und verfechten die Vorstellung, dass dies nicht-verhandelbare Werte sind. Es war zu erwarten, dass sich da zwei Gleichgesinnte trafen.
profil: Drei Jahre später sitzt Bannon im Weißen Haus, Burke hingegen hat unter Papst Franziskus viel von seiner Macht verloren. Harnwell: Das sagt man so. Aber Burke wird von einem der mächtigsten Männer im Weißen Haus in höchstem Maße respektiert, und das scheint in meinen Augen eher kein Anzeichen dafür zu sein, dass es ihm an Einfluss mangelt.
profil: Islamischer Fundamentalismus, Immigration, Homo-Ehe, Abtreibung: Sind das Themen, bei denen die beiden kooperieren könnten? Harnwell: Ich glaube, es herrscht ein allgemeines Bewusstsein dafür, dass dies fundamentale Dinge sind, die das 21. Jahrhundert definieren.
Der Kardinal versteht seine Funktion im Kollegium dahingehend, dass er offen seine Meinungen darlegt, auch wenn ihn dies unbeliebt machen oder einem Vorgesetzten nicht gefallen sollte.
profil: Burke gilt auch als Gegenspieler von Papst Franziskus. Harnwell: Das wird von Franziskus behauptet. Burke sieht das nicht so. Der Kardinal versteht seine Funktion im Kollegium dahingehend, dass er offen seine Meinungen darlegt, auch wenn ihn dies unbeliebt machen oder einem Vorgesetzten nicht gefallen sollte.
profil: Was halten Sie persönlich von Donald Trump? Er entspricht nicht exakt dem Bild eines traditionellen Christen. Harnwell: Ich habe ihn zu Beginn seiner Wahlkampagne im Juni 2015 unterstützt, und ich mache das jetzt noch lieber. Die großartige Nachricht ist, dass Trump diese Bewegung, von der ich gesprochen habe, vier oder acht Jahre lang gern unterstützen wird. Die Nominierung von Neil Gorsuch als Richter für den Supreme Court ist ein großartiges Indiz dafür, welche Verteidigung der Werte man von ihm erwarten darf.
Dieses Interview stammt aus dem profil Nr. 9 vom 27.02.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.