Ballhausplatz 58

Dompfarrer Toni Faber: „Als große Reformer werden wir Katholiken keinen Hauptpreis mehr gewinnen.“

Warum Toni Faber den Dompfarrer doch nicht hingeschmissen hat, welche Reformen „überfällig“ sind und warum er für die Regierungsverhandler:innen betet.

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Seit 27 Jahren ist Toni Faber Dompfarrer des Wiener Stephansdoms. In der katholischen Kirche hat sich in diesen bald drei Jahrzehnten zwar wenig verändert, Faber fiel dennoch häufig auf: Der 62-Jährige segnet seit vielen Jahren auch Wiederverheiratete und Homosexuelle, ließ während der Pandemie eine Impfstraße im Dom errichten und gibt in und auf der Kirche Raum für Kunst. 

Nachdem ein von Gottfried Helnwein gestaltetes Fastentuch einen Eklat auslöste, überlegte Faber heuer kurz, sein Amt zurückzulegen. Warum er sich dagegen entschieden hat, welche Reformen in der katholischen Kirche „überfällig“ sind und worüber er sich als Kind zu Weihnachten am meisten gefreut hat, schreibt Toni Faber im letzten Ballhausplatz-Chat:

Max Miller

Sie sind der einzige Nicht-Politiker in unserem Newsletter. Sind Sie ein politischer Mensch?

Toni Faber

Ja natürlich, weil mich die Menschen und die Stadt etwas angehen.

Max Miller

Stören die laufenden Regierungsverhandlungen nicht den Weihnachtsfrieden?

Toni Faber

Nein, aber sie erfordern auch viele Gebete.

Toni Faber

🙏🙏🙏

Max Miller

Auch von Ihnen? Worum bitten Sie bei diesen Gebeten?

Toni Faber

Ja, in jedem Gottesdienst bete ich für unsere Regierenden und solche, die es noch werden wollen. Um den Vorrang des Gemeinwohls, was uns im Kleinen und im Großen nachhaltig gut tut, und nicht um die Umsetzung von Partei Interessen allein.

Max Miller

Ein Problem, das Kirche und Parteien eint: Die Mitgliederzahlen sinken. Wie würde die Kirche mehr Menschen erreichen?

Toni Faber

Wenn wir das Englische „Misson first wirklich umsetzen können und nicht nur in ewigen Sitzungen besprechen. Also ungewöhnliche Wege beschreiten. 

Toni Faber

Ich habe in diesem Jahr erst über 80 Wiedereintritte bei mir in die Kirche. 100 ist so das von mir angestrebte Maß der letzten 20 Jahre.

Max Miller

Am Beginn Ihrer Karriere hofften Sie auf Kirchenreformen. Könnten das auch so ungewöhnliche Wege sein?

Toni Faber

Na ja, als große Reformer werden wir Katholiken keinen Hauptpreis mehr gewinnen können. Aber dass wir mit geschiedenen, wiederverheirateten und homosexuellen Menschen endlich schon anständiger und entspannter umgehen, ist sicher auch von außen zu bemerken.

Toni Faber

Aber die Frauenfrage scheint in Rom noch nicht so weit zu sein. Dabei ist sie höchst überreif.

Max Miller

Sie segnen Wiederverheiratete und Homosexuelle schon länger, sind eben auch bei der Öffnung gegenüber Frauen outspoken. Wie oft haben Sie an den Institutionen der katholischen Kirche gezweifelt?

Toni Faber

Das einzig Bleibende ist die beständige Erneuerung. Das gilt im Leben aber natürlich auch in der Kirche. Das dauert dann leider auch länger. 

Toni Faber

Gezweifelt schon öfter, aber Gott sei Dank nicht verzweifelt. Da liebe ich die Menschen zu sehr, die in der Kirche sind und die Menschen, für die wir als Kirche auch da sind.

Max Miller

Nachdem das von Gottfried Helnwein gestaltete Fastentuch heuer einen Eklat ausgelöst hatte, überlegten Sie aber kurz, alles hinzuschmeißen, oder?

Toni Faber

Ja 👍 leider. Aber ich wende mich mit aller Energie und Leidenschaft neuen Projekten zu.

Max Miller

Sie sagten danach, dass Sie Jobangebote aus der Privatwirtschaft erhalten würden. Welche Branche würde Sie denn reizen? Eventmanagement?

Toni Faber

Das könnte ich zumindest sehr gut. Aber PR für jedes anständige Unternehmen würde sich auch auszahlen.

Max Miller

Für Ihre öffentlichkeitswirksamen Auftritte sind Sie ja bekannt: In der Vorweihnachtszeit waren Sie etwa Aushilfs-Postler oder haben Bier gesegnet. Welchen PR-Stunt würden Sie auf keinen Fall machen?

Toni Faber

Da fällt mir auf Grund der Fülle, was ich schon gemacht habe, nicht gleich was ein. Ich beschäftige mich lieber mit dem Möglichen und nicht dem anderen.

Max Miller

Dann frage ich andersrum: Was war die weirdeste Segnung, die Sie je gemacht haben?

Toni Faber

???

Max Miller

die eigenartigste

Toni Faber

Aha, na ja, das neue Logo der Uni Credit bei der schwierigen Übernahme. Das haben wir dann mit ca 100 Mitarbeitern in roten und weißen T Shirts nachgestellt und von oben gefilmt und auf den Riesenbildschirm gebracht.

Toni Faber

Aber ich spreche bei einer Segnung die Firma und all ihre Praktiken nicht heilig. Das wird oft verwechselt und mir zum Vorwurf gemacht. Und ja, der Würstelstand vom Bitzinger bei der Albertina, der dann einen Architekturpreis gewann.

Max Miller

Kein Wunder, dass Ihnen davor nichts eingefallen ist!

Max Miller

Themenwechsel: Wir chatten in der Woche vor Weihnachten. Wie schaut der Heilige Abend eines Wiener Dompfarrers aus?

Toni Faber

Sehr beschäftigt. Zuerst Kinderkrippen-Andacht mit ca 300 Kindern und 1000 Erwachsenen im Dom. Dann mit Kardinal Mozart Vesper mit 2000 Mitfeiernden. Dazwischen kurzer Live-Einstieg für ORF Licht ins Dunkel. Dann Weihnacht der Einsamen mit 200 armen, obdachlosen und einsamen Menschen im Pfarrhaus mit 40 freiwilligen Mitarbeitern bis 21 Uhr. 

Toni Faber

Kurze Ruhe und letzte Vorbereitung. Dann Turmbläser hören. Und um Mitternacht Mette mit ca 5000 Teilnehmern. Um 1.30 Uhr privates durch atmen und auf Weihnachten anstoßen.

Toni Faber

🍾🥂🌲👼😴

Max Miller

Ist das Anstoßen um 1.30 Uhr dann schon Ihre persönliche Weihnachtsfeier?

Toni Faber

Nein, da folgen noch der 25.12. und 26.12. mit jeweils drei großen Gottesdiensten jeweils um 10.15 und 16.30 und 18 Uhr.

Toni Faber

Aber später Abends und ab 27.12. wird es dann privat. Das brauche ich dann auch wirklich und genieße es sehr 👍👼

Max Miller

Gibt es am 27. dann auch weltliche Geschenke oder muss Ihnen die Liebe Gottes ausreichen?

Toni Faber

Ich bin nicht bestechlich, aber nehme Geschenke sehr gerne an und teile sie. 

Toni Faber

Nur bei extrem guten Kokos-Busserln und feinsten Vanille-Kipferln bleibt nicht viel zum Teilen übrig.

Max Miller

Letzte Frage: Über welches Weihnachtsgeschenk haben Sie sich als Kind am meisten gefreut?

Toni Faber

Ich glaube, die heiß ersehnte Rodel, die schon unter dem Christbaum trotz Verpackung gut sichtbar war. Während der gefühlt ewigen Lieder und Gebete hatte ich sie schon fest im Blick und habe sie schon als Fahrgerät unter mir gespürt. 👼👍

Max Miller

Herr Faber, danke für den Chat!

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.