Jörg Leichtfried: die SPÖ hat auch „bei den Pensionisten verloren“
Von Kevin Yang
ÖVP und SPÖ haben am vergangenen Sonntag bei der steirischen Landtagswahl ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Zwar kam die SPÖ (21,4 Prozent) mit einem Minus von circa 1,5 Prozent im Vergleich zur ÖVP (Minus 9,2 Prozent) relativ glimpflich davon. Weil rot-schwarz auf keine Mandatsmehrheit im Landtag mehr kommt, ist die langgediente Großkoalition nun auch in der Steiermark ausgelaufen. Die Sozialdemokraten müssen sich mit dem dritten Platz abgeben und künftig womöglich der Erstplatzierten FPÖ den Hof machen.
Nationalratsabgeordneten Jörg Leichtfried (SPÖ) ist über das Ergebnis der Steiermark-Wahl enttäuscht, in seinem Heimatbundesland haben sich viele ehemalige rote Hochburgen blau gefärbt. Die FPÖ konnte flächendeckend in der Steiermark zulegen. Warum die SPÖ so schwach abgeschnitten hat und wie sie in Zukunft nicht zu einer reinen Stadtpartei wird, analysiert Leichtfried im Ballhausplatz-Chat mit profil.
Haben Sie das Ergebnis vom Sonntag schon verarbeitet?
Ehrlich gesagt nicht, es war wirklich enttäuschend.
Zumal die SPÖ Steiermark und unser Vorsitzender Toni Lang einen wirklich engagierten und beherzten Wahlkampf geführt haben und auch die Regierungsarbeit zuvor sehr solide und gut für die Steiermark war.
Bei den Erwerbstätigen hat die FPÖ fast eine Absolute.
Wird die SPÖ, die Partei der Arbeit, zunehmend zu einer Partei der Pensionisten?
Ja, das ist wirklich schmerzhaft.
Und aus unseren Analysen ist ersichtlich, dass wir auch bei den Pensionistinnen und Pensionisten verloren haben.
Ich denke, dass es in weiten Kreisen der Bevölkerung eine große Unzufriedenheit mit den Lebensumständen gibt und Regierende derzeit die Wucht dieser Unzufriedenheit massiv abbekommen.
Besonders die Landgemeinden sind massiv zu den Freiheitlichen übergelaufen. Ihre Erklärung?
Ich kann schwer für Landgemeinden sprechen, weil mein Wahlkreis die hochindustrialisierte Obersteiermark ist und hier waren Themen wie Teuerung, Migration ausschlaggebend.
An sich Themen, die bundespolitisch zu lösen sind und wo das Land wenig Kompetenzen hat.
SPÖ-Spitzenkandidat Anton Lang hat sich für eine härtere Gangart gegenüber Zuwanderern ausgesprochen.
Geholfen hat das offenbar gar nicht.
Hatte die SPÖ die falsche Strategie?
Wir erleben derzeit einen internationalen, europäischen und österreichischen Trend hin zu - nennen wir sie einmal rechtspopulistischen - Parteien, der der Sozialdemokratie auf allen Ebenen große Probleme bereitet.
Dagegen war auch in der Steiermark schwer anzukämpfen.
Judenburg, Knittelfeld, Zeltweg waren rote Hochburgen. Jetzt sind sie blau.
Wie will die SPÖ denn diese FPÖ Wähler zurückholen?
Wenn ich z.B. sehe, dass die Teuerung gerade auch in diesen Städten als massives und ungelöstes Problem wahrgenommen wird, sehe ich genau jetzt meine Aufgabe bei den Regierungsverhandlungen in Wien dabei mitzuwirken, dass die Teuerung endlich bekämpft wird.
Die letzte Bundesregierung hat hier vollkommen versagt, hat die Teuerung durchrauschen lassen und trägt viel Verantwortung für die schlechte Stimmung in Österreich. Das müssen wir ändern!
Zur Bundespolitik möchte ich gleich noch kommen
In Graz konnte die SPÖ entgegen des Landestrends zulegen. Wird die SPÖ zu einer Stadtpartei?
Eine starke SPÖ muss Flächenpartei sein.
Hätte die SPÖ den FPÖ-Finanzskandal stärker thematisieren müssen?
Ich darf auf meine letzte Rede im Nationalrat verweisen 😉
Können Sie ausschließen, dass die SPÖ mit Mario Kunasek koaliert?
Es gab gestern den Beschluss im steirischen Landesparteivorstand, dass Toni Lang mit allen Parteien Regierungsverhandlungen führen soll - das haben wir vor der Wahl gesagt und das gilt auch nach der Wahl.
Also ist der Parteitagsbeschluss „Keine Koalition mit der FPÖ” in der Steiermark ausgesetzt?
Es ist richtig, dass wir auf Bundesebene mit der FPÖ ausschließen, davon würde ich die Situation auf Länder- und Gemeindeebene unterscheiden.
Wie gesagt, Toni Lang hat jetzt den Auftrag bekommen mit allen Parteien zu reden. Im Endeffekt wird es auf die Inhalte ankommen.
Noch eine Frage zur Bundespolitik.
Welche Angebote kann die künftige Regierung dem ländlichen Raum machen, wo die Unzufriedenheit offenbar am größten ist?
Teuerung wirksam bekämpfen, Infrastruktur ausbauen, die Gemeinden finanziell stärken, die Wirtschaft bei der notwendigen technologischen Transformation unterstützen und somit Jobs sichern und Wohlstand schaffen!
Vielen Dank für den Chat, Herr Leichtfried!
Danke und liebe Grüße aus dem Parlament 🏛
