Ballhausplatz 43

KPÖ-Chef Schweiger: „Wer den etablierten Parteien zuhört, muss fast Angst vor der Zukunft haben“

Die KPÖ will erstmals seit 1959 wieder ins Parlament – nicht aber in die Regierung. Wie KPÖ-Spitzenkandidat Tobias Schweiger dennoch kommunistische Inhalte durchsetzen will und warum er neben der Partei keinen Beruf ausübt, erklärt er im Chat.

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Erstmals seit 1959 könnte die KPÖ wieder in den österreichischen Nationalrat einziehen. In der aktuellen profil-Umfrage stehen die Kommunist:innen bei 3 Prozent. Die 4-Prozent-Hürde liegt innerhalb der Schwankungsbreite (1,1 Prozentpunkte).

Wie in Graz und Salzburg konzentriert sich die KPÖ auch im Bund auf zwei Themen: Wohnen und Teuerung. Anders als auf Gemeindeebene überrascht die linke Kleinpartei bei der Nationalratswahl aber mit mangelndem Regierungswillen: Wer KPÖ wählt, bekommt bestenfalls eine Oppositionspartei. 

Warum er nicht regieren will, wieso Kommunismus für ihn Optimismus ist und weshalb SPÖ-Chef Andreas Babler bei ihm kein Feuer entfacht, verrät KPÖ-Spitzenkandidat Tobias Schweiger (34) im Chat:

Max Miller

Sie wollen mit der KPÖ nach der Wahl nicht mitregieren. Wie wollen Sie dann Ihre Forderungen umsetzen?

Tobias Schweiger

Die KPÖ wirkt schon jetzt. Ohne die jüngsten Wahlerfolge hätte es die Schritte Richtung Leerstandsabgabe nicht gegeben, wie Ministerin Edtstadler zugegeben hat. Deshalb heißt es beim Wohnen weiter am Ball bleiben, und das geht mit Sitzen im Parlament natürlich leichter.

Max Miller

Aber in der Regierung wäre es doch noch leichter?

Tobias Schweiger

👎 Die etablierten Parteien streiten um die Ministerposten und handeln ihre Wahlprogramme nach unten. Wir werden die kommende Regierung an die wirklichen Probleme der Menschen erinnern, statt uns in Koalitionsstreitigkeiten reinziehen zu lassen.

Max Miller

Sie erinnern vor allem an das Wohnproblem. Das ist vor allem in Städten ein Thema, dort feiert die KPÖ auch Erfolge. Führen Sie eine reine Stadt-Partei in die Wahl?

Tobias Schweiger

Die hohen Wohnkosten sind überall ein Thema. Gerade die gestiegene Heizkosten belasten Haushalte auch in kleinen Gemeinden. Dafür setzen sich unsere Mitglieder bundesweit ein, ob in Wien oder Peterskirchen.

Max Miller

Die letzte große profil-Umfrage vor der Wahl zeigt aber: Asyl und Zuwanderung ist das mit Abstand wichtigste Thema für die Wähler:innen. Warum kommt es im Wahlprogramm der KPÖ nicht vor?

Tobias Schweiger

Asyl und Zuwanderung sind für uns eine Querschnittsmaterie. Von den Fluchtursachen, die von Kriegen bis Klimakrise reichen, bis zu den Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wo wir wieder unter anderem beim Wohnen sind.

Max Miller

Und Kriege, Klimakrise und Wohnen finden sich im KPÖ-Wahlprogramm. 

Max Miller

Sie bezeichnen Kommunist:innen als „fast notorischen Optimist:innen“. Warum?

Tobias Schweiger

Wenn man den etablierten Parteien zuhört, dann muss man ja fast Angst vor der Zukunft haben. Als Kommunist:innen sind wir der Meinung, dass das Beste der Menschheit noch bevorsteht. Und dafür setzen wir uns täglich ein ❤️

Max Miller

Ist das Beste der Menschheit im Kommunismus erreichbar? Die Geschichte spricht ja eher nicht dafür.

Tobias Schweiger

Eine solidarische Gesellschaft ist nur als gemeinsames Ziel der Menschen möglich. Dafür Vorbilder zu schaffen wie mit unseren kostenlosen Küchen am Monatsende und dafür Strukturen zur Verfügung zu stellen, sich für die gemeinsamen Interessen einzusetzen, das können wir als KPÖ dazu beitragen.

Max Miller

Für Solidarität will nicht nur die KPÖ stehen. Sie sagen, Sie wollten als junger Mensch etwas „Cooleres“ machen als Ihr Vater und gingen daher nicht zur SPÖ. Finden Sie die SPÖ unter dem linken Flügel von Andreas Babler wieder etwas cooler?

Tobias Schweiger

Die SPÖ leidet unter einem grundsätzlichen Glaubwürdigkeitsproblem. Ein neuer Vorsitzender ändert nicht die Partei. Der gesamte Apparat der SPÖ sagt doch öffentlich, den Vorsitzenden ändern zu wollen. Glaubwürdigkeit zeigt sich für eine Partei in der täglichen Arbeit vor Ort, nicht in den Wahlkampfreden.

Max Miller

Das heißt, die SPÖ müsste sich in ihrem Kern ändern, um Ihre Stimme zu erhalten? Oder ist der Zug abgefahren?

Tobias Schweiger

Auf der Straße werden wir nie nach unseren Vorschlägen für eine glaubwürdige Sozialdemokratie gefragt 🤷‍♂️

Tobias Schweiger

Was die Menschen auf der Straße interessiert, sind unsere Konzepte gegen die steigenden Wohnkosten, unser Kampf gegen die Teuerung oder wie wir die Krise in der Pflege lösen wollen.

Max Miller

Wie Sie die nächste Regierung dazu bringen wollen, die Krise in der Pflege zu lösen, meinen Sie?

Tobias Schweiger

Richtig. Unsere Listenzweite Bettina Prochaska ist seit 40 Jahren im Pflegebreich tätig und wird als Stimme der Pflege im Nationalrat dafür Druck machen.

Tobias Schweiger

Die Gesetze spiegeln nicht wieder, wie es den Beschäftigten dort geht. Warum Pflege Schwerarbeit ist, wie wir zu besseren Personalschlüsseln kommen, das und mehr bringen wir aus erster Hand ein.

Max Miller

Sie wollen ja allgemein mehr „Expertinnen und Experten aus dem Alltag“ ins Parlament bringen.

Max Miller

Sie sind seit 2015 in der Erwachsenenbildung tätig. Was machen Sie da eigentlich genau?

Tobias Schweiger

Ganz unterschiedliche Sachen, zum Beispiel außerschulische Bildungsarbeit oder Organisationsberatung. Da bekommt man viele Probleme mit, welche Sorgen und Herausforderungen junge Menschen haben, wie unser Arbeitsleben ehrenamtliches Engagement beeinflusst, wer sich überhaupt engagieren kann und welche Voraussetzungen das braucht.

Max Miller

Geht sich das während dem Wahlkampf noch aus?

Tobias Schweiger

Jein. Als Beruf nicht, aber vieles nimmt man ja auch in die politische Tätigkeit mit.

Max Miller

Letzte (Doppel-)Frage: Dann sind Sie derzeit also Berufspolitiker? Würden Sie das auch im Parlament bleiben?

Tobias Schweiger

Ich bin sehr eng in die tägliche Arbeit der Partei eingebunden. Ob das heißt, bei Aktionen der Partei für alle zu kochen, meine Sozialberatungen zu machen oder in der Öffentlichkeit zu stehen. Das würde ich auch als Parlamentarier weiter so machen 👨‍🍳

Max Miller

Dann machen wir hier Schluss. Herr Schweiger, danke für den Chat!

Tobias Schweiger

Danke Ihnen! 🤝

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.