Ballhausplatz 37

Madeleine Petrovic: „Wahrscheinlich hätten wir uns ohne Corona-Krise nicht so schnell gefunden.“

Ex-Grüne Madeleine Petrovic chattet über ihre eigene Liste bei der Nationalratswahl und Hürden beim Antreten.

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Madeleine Petrovic ist eigentlich als Grüne bekannt. Doch das ist schon ein paar Jahre her. Von 1990 bis 2003 saß Petrovic für die Grünen im Parlament, zwischen 1994 und 1995 war sie auch Bundessprecherin der Partei.

In der Covid-Krise distanzierte sie sich aber von den Grünen: Ab November 2021 trat sie bei Demos gegen die Corona-Maßnahmen auf, später gründete sie ein Bündnis zum Stopp der Maßnahmen, 2022 organisierte sie gemeinsam mit dem damaligen niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl ein Volksbegehren gegen Lebendtiertransporte. Die Mitgliedschaft bei den Grünen stellte sie zuerst ruhend, dann trat sie aus der Partei aus.

Denn Madeleine Petrovic will mit einer neuen, eigenen Liste ins Parlament einziehen: Der Liste Madeleine Petrovic. Welchen Einfluss Covid auf die Partei hatte, wie das Sammeln von Unterstützungserklärungen (Freitag ist Deadline) abläuft und ob sie auch künftig mit der FPÖ zusammenarbeiten will, verrät Madeleine Petrovic im Chat:

Max Miller

Auf der Suche nach Unterstützungserklärungen für die Nationalratswahl fahren Sie gerade mit dem Zug durch Österreich. Wie zach ist das Sammeln?

Madeleine Petrovic

Es ist sehr interessant, mit den Menschen auf der Straße ins Gespräch zu kommen. Das Sammeln in ganz Österreich ist aber auch anstrengend. Gerade sind wir in Salzburg. Hier kann man nur an einem Ort, im Einkaufszentrum im 4. Stock, die Unterstützungserklärung unterschreiben lassen. Das ist mühsam. Wien und Niederösterreich funktionieren hingegen reibungslos. Es ist also sehr unterschiedlich in Österreich.

Max Miller

Ihre Liste fordert die „uneingeschränkte Einhaltung der Grund- und Freiheitsrechte“ in Österreich. Wo ist Ihre Freiheit eingeschränkt?

Madeleine Petrovic

Das Grundrecht auf Datenschutz wird zunehmend eingeschränkt (§ 80 AMG sowie das Gesundheitstelematikgesetz). Es gibt auch einige Eingriffe in das Recht auf Privat- und Familienleben, und die Pressefreiheit bzw. Meinungsfreiheit ist unter starkem Druck.

Max Miller

Beim Datenschutz meinen Sie die Möglichkeit, großflächiger Gesundheitsdaten zu sammeln?

Madeleine Petrovic

Ich kritisiere nicht die Sammlung der Daten an sich, sondern beim AMG den völligen Wegfall der Pseudonymisierung und die Möglichkeit der Weitergabe an einen nahezu unbestimmten Kreis an Adressaten. Das Gesundheitstelematikgesetz sieht eine Weitergabe der Gesundheitsdaten an Ministerien vor.

Max Miller

Privatpersonen können aus der elektronischen Gesundheitsakte ELGA aussteigen. Ist damit der Datenschutz nicht ausreichend gesichert?

Madeleine Petrovic

Beim elektronischen Impfregister gibt es keine Opt-Out Möglichkeit. Beim AMG ebenfalls nicht.

Madeleine Petrovic

Auf EU Ebene wird die Opt-Out Möglichkeit noch diskutiert - obwohl sie selbstverständlich sein müsste.

Max Miller

Und was meinen Sie mit Eingriffen ins Familienleben?

Madeleine Petrovic

Privat- und Familienleben gehört zusammen (Art 8 EMRK). In den letzten Jahren gab es die zunehmende Tendenz, in die Familien "hineinzuregieren". Das zeigt sich auch am zunehmenden Druck, alternative Bildungswege zu erschweren.

Max Miller

Können Sie dafür ein plastisches Beispiel nennen?

Madeleine Petrovic

Ja, in den letzten Jahren wurde es deutlich erschwert, home schooling zu betreiben.

Madeleine Petrovic

Und beispielsweise wird nun auf EU Ebene die Chatkontrolle diskutiert. Hier sollen Smartphone bzw. alle Instant Messages konstant überwacht werden. Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre, der nicht mehr akzeptabel ist.

Madeleine Petrovic

Selbes gilt für Smart Meter. Der Druck ist erheblich. Alles soll zunehmend überwacht werden. Das lehne ich ab.

Max Miller

Steht die Liste Petrovic also generell für mehr Privat, weniger Staat?

Madeleine Petrovic

Differenziert. Der Staat darf nicht übergriffig sein, soll aber da sein, wenn er gebraucht wird. Armutsbekämpfung und die Sicherung sozialer Mindeststandards ist wichtig. Überwachung und Bevormundung durch den Staat brauchen wir jedoch nicht.

Max Miller

Ihre Liste ist aus einem Verein gegen die Corona-Maßnahmen hervorgegangen. Wären Sie auch ohne die Corona-Krise bei dieser Wahl angetreten?

Madeleine Petrovic

Wahrscheinlich hätten wir uns ohne die Corona-Krise nicht so schnell gefunden. Die Krise hat viele Defizite im System offengelegt. Zudem ist die Politik zunehmend autoritär geworden. Wir sehen die Grund- und Freiheitsrechte in Gefahr, deswegen mussten wir aktiv werden.

Madeleine Petrovic

Es mangelt am Demokratieverständnis. In einer Demokratie ist die Bevölkerung der Souverän, der Staat ist Dienstleister.

Madeleine Petrovic

Aktuell ist es ein Regieren von oben herab - das ist absolut undemokratisch.

Max Miller

Auch die MFG entstand aus Kritik an den Corona-Maßnahmen und schreibt sich Grund- und Freiheitsrechte auf die Fahnen. Warum treten Sie nicht gemeinsam an?

Madeleine Petrovic

Auf unserer Liste stehen Personen, die sehr ähnliche Ansichten und Werte haben wie wir. Unsere Liste steht allen offen, die diese Haltung teilen und etwas Positives für Österreich bewirken wollen, auch Mitgliedern und Aktivisten der MFG.

Max Miller

Aber noch wollen Sie getrennt antreten. Sie waren von 1994 bis 1995 Bundessprecherin der Grünen, haben aber auch Berührungspunkte zur FPÖ: 2022 haben Sie mit Gottfried Waldhäusl das Volksbegehren gegen Lebendtier-Transporte eingebracht. Wollen Sie auch künftig mit den Blauen politisch zusammenarbeiten?

Madeleine Petrovic

Es geht in der Politik um die Sache - nicht um Befindlichkeiten. Man kann in Sachfragen mit allen Parteien Übereinstimmungen haben, wir würden deshalb niemals die eigene Haltung ändern. Bei uns gibt es keinen Klubzwang und keinen Meinungsdruck.

Max Miller

Könnten Sie sich dann etwa auch vorstellen, eine FPÖ-Regierung zu stützen?

Madeleine Petrovic

Wir haben unsere Haltung. Wenn sich unsere Anliegen mit den Anliegen anderer Parteien decken, werden wir natürlich gleich abstimmen, bzw. bei Anträgen anderer Parteien zustimmen. Ob der Antrag von den Grünen, der SPÖ oder von der FPÖ kommt, ist uns dabei egal. Eine Zustimmung in Bausch und Bogen wird es von uns nicht geben. 

Madeleine Petrovic

Wie gesagt, wir machen unsere Politik nicht von anderen Parteien abhängig

Max Miller

Letzte Frage: Bei der EU-Wahl ist Ihre Liste noch nicht angetreten. Wem haben Sie da Ihre Stimme gegeben?

Madeleine Petrovic

Wir haben das nicht abgefragt in unserer Partei - zudem gilt das geheime Wahlrecht. Das halten wir hoch.

Max Miller

Das ist natürlich Ihr gutes (Grund-)Recht. Frau Petrovic, danke für den Chat!

Madeleine Petrovic

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Miller!

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.