Ballhausplatz 27

Philip Kucher im Chat: „Kickl liefert 0 Antworten“

SPÖ-Klubchef Philip Kucher chattet über rote Linien und blaue Schwächen.

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FPÖ-Chef Herbert Kickl ist kein Mann der sanften Worte. Vergangene Woche trug der blaue Kanzlerkandidat die eigenen Kampfbegriffe in den Nationalrat und bezeichnete Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) als „Frau Bundesminister für Verfassungsbruch, Entrechtung, Diskriminierung und Verfolgung von eigenen Staatsbürgern“. Die Ministerin erhielt Unterstützung von ungewohnter Seite: SPÖ-Klubchef Philip Kucher sah eine rote Linie überschritten, forderte in einer vielbeachteten Rede „Grundformen des Respekts“ vom FPÖ-Chef ein – und platzierte einen geübten Seitenhieb auf Kickls hohe Nebenverdienste.

Schon im Februar machte der rote Klubchef Schlagzeilen auf Kosten des FPÖ-Chefs: Die FPÖ Wien hatte Kickl drei Jahre lang 10.000 Euro pro Monat ausgezahlt. „Einen flotten Zehner jedes Monat“ nannte das Kucher. Dass der FPÖ-Chef zudem auf Nachfrage nicht wusste, „wie das passieren konnte“, sorgte im Nationalrat über Parteigrenzen hinweg für Gelächter über Kickl.

Kucher kann Kickl also klein machen. Für den roten Klubchef ist das aber wohl noch eine der leichteren Aufgaben. Der 42-jährige Kärntner fiel als Gesundheitssprecher hinter der Expertin und Ex-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wenig auf, sammelte durch seine Geselligkeit aber Sympathiepunkte im roten Klub. Im parteiinternen Machtstreit galt Kucher als Unterstützer des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil. Auch deshalb machte ihn Andreas Babler letzten Juni zum Klubobmann. 

Seitdem muss Kucher die rote Linie vorgeben und zwischen Wien und Eisenstadt ausloten. Etwa, wenn die Wiener Landespartei nach einer Residenzpflicht für Asylberechtigte ruft, damit weniger Menschen in die Hauptstadt ziehen. Und Doskozil den Vorschlag seiner Genoss:innen im Kurier mit einem lapidaren: „Sicher nicht“ zurückweist.

Im Chat stellt sich der rote Klubchef in dieser Frage hinter Wien und erklärt, warum er Kickls Nebenverdienste als Frage der Glaubwürdigkeit sieht:

Max Miller

Herr Kucher, Sie sind seit fast einem Jahr Klubchef der SPÖ. Läuft es wie erhofft oder eher wie befürchtet?

Philip Kucher

Wirklich spannende Aufgabe, alles wie erwartet 😉

Max Miller

Sehr diplomatisch. In Umfragen steht die SPÖ jetzt schlechter da als mit Ex-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Das kann nicht das Ziel gewesen sein, oder?

Philip Kucher

To be honest: dass wir nach dem durchaus turbulenten letzten Jahr der SPÖ Vertrauen zurückgewinnen mussten, war nicht sonderlich überraschend. Seit geraumer Zeit legen wir Tag für Tag zu, wenn man schon auf Umfragen schielen will …

Max Miller

Ja, schielen wir doch weiter: Die FPÖ steht in allen Umfragen auf dem ersten Platz. Reden Sie deshalb so viel über frühere Nebenverdienste von FPÖ-Chef Herbert Kickl?

Philip Kucher

Das ist für mich keine Frage der Taktik, sondern der Glaubwürdigkeit. Abcashen wie die ganz Großen, aber ständig vom kleinen Mann reden, das geht sich nicht aus.

Max Miller

Aber bevor Kickl Minister und danach Klubchef wurde, durfte er so viel verdienen, wie er wollte bzw konnte. Warum ist das aus Ihrer Sicht verwerflich?

Philip Kucher

Es ist keine Frage des Dürfens, dann muss man aber auch den Mut haben, dazu zu stehen. Als Generalsekretär hat Kickl den Spesenskandal von Strache (Luxus-Villa, Penthousewohnung & Whirlpool alles auf Parteikosten) zugelassen. Er selbst hat als Abgeordneter doppelt und dreifach kassiert: als Berater seiner eigenen Partei. Dass er dann auch noch vergessen hat, das zu melden, passt ins Bild…

Philip Kucher

Von der Ideenschmiede reden wir da noch gar nicht.

Max Miller

In der Spesenaffäre geht es vor allem um die Wiener FPÖ. Dort war Kickl nicht Generalsekretär.

Philip Kucher

Der Lebensstil von Strache war ja durchaus auch über die Grenzen Wiens bis nach Ibiza bekannt, das hätte durchaus auch seinem Generalsekretär Kickl auffallen können/müssen.

Max Miller

Was der FPÖ-Chef jedenfalls kann, ist Themen zu besetzen. Warum fällt das der SPÖ so schwer?

Philip Kucher

„Themen“… ist gegen alles zu sein, sich von allem und jedem verfolgt zu fühlen und hinter jedem Faktum eine Verschwörung zu wittern, wirklich ein Thema? Kickl liefert ja 0 inhaltliche Antworten auf die wirklichen Probleme, sondern hofft, dass niemand nachfragt.

Philip Kucher

Die SPÖ hat vom leistbaren Leben bis zur Gesundheitsversorgung Konzepte auf den Tisch gelegt. Reden wir gerne darüber 🤓

Max Miller

Aber gerade bei der Gesundheit: Ex-SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner war Gesundheitsexpertin. Sie sind seit Jahren Gesundheitssprecher, jetzt Klubobmann. Und trotzdem kommen die roten Inhalte offenbar nicht ganz an. Wo hakt es?

Philip Kucher

Durchaus selbstkritisch: war immer alles perfekt, als die SPÖ in der Regierung war? Bestimmt nicht. Aber wir haben gekämpft. Und das hat einen Unterschied gemacht.

Philip Kucher

In allen Umfragen sehen wir auch, dass die SPÖ mit Abstand die höchste Glaubwürdigkeit hat, wenn es um den Kampf gegen die Zwei-Klassen-Medizin geht. Was wir hier in den letzten Jahren erleben mussten ist – gelinde gesagt – irre. Weiterwurschteln wie bisher geht nimmer. Von der Termingarantie, bis zur Pflegeoffensive, einer echten Kampfansage gegen den Ärztemangel – es gibt viel zu tun. 💪

Max Miller

Letzte Frage: Das rote Wien wünscht sich eine Residenzpflicht für Asylberechtigte. Burgenlands SPÖ-Chef Doskozil sagt dazu: „Sicher nicht.“ Was will eigentlich die Bundes-SPÖ?

Philip Kucher

Nur ein Satz zur Einordnung. Wenn wir das SPÖ-Modell einer verpflichtenden und gerechten europaweiten Verteilung umgesetzt hätten, hätten wir kein Thema.

Philip Kucher

Nach jahrelanger Untätigkeit und schwarz-blauen Nebelgranaten („Balkanroute“ und eine ganze österreichische EU-Ratspräsidentschaft zu dem Thema – ohne eine einzige Lösung) muss man heute sagen: was wir europaweit einfordern, gilt für mich auch in Österreich. Es ist lösbar, wenn man's ordentlich umsetzt...

Philip Kucher

Wir haben nur leider die Situation, dass FPÖ und ÖVP lieber von den Problemen profitieren wollen, als sie zu lösen.

Max Miller

Ok, aber die Frage war nach der Residenzpflicht für Asylberechtigte: Ja oder nein?

Philip Kucher

Wenn's ordentlich gemacht ist, natürlich ja. Wie gesagt, was wir europaweit einfordern, gilt für mich auch in Österreich.

Max Miller

Herr Kucher, danke für den Chat.

Philip Kucher

Danke, hat Spaß gemacht, Herr Miller 👋

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.