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Lercher: FPÖ könnte mit SPÖ Steiermark „von Parteibuchwirtschaft der ÖVP befreien“

Nach der Niederlage bei der Landtagswahl übernimmt Max Lercher die steirische SPÖ. Warum er im Land mit der FPÖ regieren würde und warum die SPÖ keine Frauen für die Spitze findet.

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Das hatte sich die SPÖ anders vorgestellt. Landesparteichef Anton Lang wollte in der Steiermark Überraschungssieger bei der Landtagswahl werden. Stattdessen stürzte seine Partei weiter ab, auf den dritten Platz und mit einem historisch schlechten Ergebnis

Damit nicht genug: Obwohl sich die SPÖ den Freiheitlichen im Land als Koalitionspartner angeboten hatte, wurde sie übergangen, FPÖ-Chef Mario Kunasek verhandelt lieber mit der ÖVP. Lang zog die Reißleine - als vierter roter Landeschef in zwei Monaten.

Sein Nachfolger heißt Max Lercher und ist trotz seiner erst 38 Jahre kein unbeschriebenes Blatt, vor allem in der Steiermark: Der gebürtige Murauer wurde 2010 zum jüngsten Landtagsabgeordneten gewählt, war von 2014 bis 2017 Landesgeschäftsführer und führt seit 2014 die Regionalpartei Obersteiermark.

Danach verschlug es den Parteirebell in den Bund: Ende 2017 holte Christian Kern Lercher als Bundesgeschäftsführer in die Wiener Löwelstraße, Kerns Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner setzte Lercher im Herbst 2018 wieder ab. 2019 erreichte Lercher ein Mandat im Nationalrat - und schlug sich im Kampf um die rote Parteispitze auf die Seite von Hans Peter Doskozil. Mit dessen Niederlage zog sich Lercher aus der Bundespolitik zurück, zuletzt wollte er im burgenländischen Landtagswahlkampf mitmischen. 

Was er nun mit der Partei vorhat und wo er Gemeinsamkeiten mit der FPÖ sieht, verrät Lercher im Chat:

Max Miller

„I hupf in jeden Fehler eini“, sagten Sie im Februar. Übernehmen Sie deshalb die steirische SPÖ an ihrem historischen Tiefpunkt?

Max Lercher

Hat das nicht der Dornauer gesagt? Den Vorsitz der SPÖ Steiermark zu übernehmen war nicht mein Plan, aber ich mag herausfordernde Aufgaben.

Max Miller

Ein Verständnisfehler meinerseits, wie passend. Sie sagten bei Ihrer Rede: „Auch ich mache Fehler“. Dornauer hat dann offenbar dazwischengerufen und Sie haben seinen Beitrag auf der Bühne wiederholt.

Max Miller

Apropos Dornauer: Die SPÖ hat in den letzten beiden Monaten vier von neun Landeschefs verloren. Hat die Partei ein Führungsproblem?

Max Lercher

Erst wenn sie keine Chefinnen oder Chefs mehr findet. Aber man braucht nichts beschönigen. Wir haben zweifellos unglaubliche Herausforderungen zu meistern.

Max Miller

Ihre Herausforderung in der Steiermark wollen Sie meistern, indem Sie „die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen, konstruktiv und kritisch für sie eintreten und Lösungen dafür vorschlagen“. Hat das die steirische SPÖ bisher nicht gemacht?

Max Lercher

Wir waren in einer Koalition, die das so wie ich mir das vorstelle, bisher nicht in dem Ausmaß möglich gemacht hat.

Max Lercher

Wir müssen uns jetzt einer völlig neuen Realität stellen. Da gibt es auch nichts zu beschönigen.

Max Miller

Sie leiten das Renner Institut im Burgenland und wollten die SPÖ Burgenland bei ihrem Landtagswahlkampf unterstützen. Hätten Sie sich besser gleich auf die Steiermark konzentrieren sollen?

Max Lercher

Wie schon gesagt: Was jetzt gekommen ist, war nicht mein Plan. Ich habe in der Steiermark bis dato als Regionalvorsitzender meinen Beitrag geleistet.

Max Miller

In Ihrer Region, der Obersteiermark, hat die SPÖ besonders stark verloren. Woran liegt das?

Max Lercher

Das liegt vor allem daran, dass wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr ausreichend erreichen. Das will ich ändern und dafür müssen wir uns auch verändern.

Max Miller

Ein großes Wahlkampfthema war das Leitspital Liezen. ÖVP und SPÖ waren für das Mega-Projekt, alle anderen Landtagsparteien dagegen. Werden Sie hier die Parteilinie ändern?

Max Lercher

Dieses Projekt wurde meiner Meinung nach abgewählt. Ich bin gespannt, welche Vorschläge jetzt von der FPÖ zur Sicherung unseres Gesundheitssystems kommen und ob sie bereit ist auch die Ressortverantwortung zu übernehmen.

Max Miller

Apropos FPÖ: Ihr Vorgänger Anton Lang wollte im Wahlkampf partout nicht über den Finanzskandal der FPÖ in Graz sprechen. War das ein Fehler?

Max Lercher

Ich werde Anton Lang medial im Nachhinein sicher nichts ausrichten. Er hat meine volle Wertschätzung.

Max Lercher

Ganz offensichtlich hat dieses Thema die Wählerinnen und Wähler auch nicht interessiert.

Max Miller

Auch FPÖ-Chef Kunasek ist in der Affäre Beschuldigter. Er glaubt nicht, dass er angeklagt wird, sähe darin aber auch keinen Rücktrittsgrund. Müsste er aus Ihrer Sicht bei einer Anklage den Hut nehmen?

Max Lercher

Bei einer Verurteilung definitiv.

Max Miller

Aber bei einer Anklage noch nicht?

Max Lercher

Wenn wir die Rechtsstaatlichkeit ernst nehmen, entscheidet das Gericht. Deswegen nein.

Max Miller

Ich frage vor allem, weil die SPÖ ja gerne mit der FPÖ koaliert hätte in der Steiermark. Was verbindet die beiden Parteien aus Ihrer Sicht?

Max Lercher

Die FPÖ behauptet zumindest, Politik für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu machen, sowie das Land von der Parteibuchwirtschaft der ÖVP befreien zu wollen.

Max Lercher

Mit uns gemeinsam hätten sie das beweisen können. Man sieht, was sie jetzt wieder tut.

Max Miller

Gilt das Angebot der SPÖ an die FPÖ weiterhin, falls diese doch nicht mit der ÖVP zusammenkommt?

Max Lercher

Ich habe immer betont, so hat es auch der steirische Vorstand beschlossen, dass wir bereit für Gespräche sind wenn es darum geht die Lebensrealität der Steirerinnen und Steirer zu verbessern.

Max Miller

Ist es nicht unglaubwürdig, die FPÖ im Bund partout auszuschließen und gleichzeitig in der Steiermark zusammenarbeiten zu wollen?

Max Lercher

Dann hätte man den Kriterienkatalog, der Beschlusslage ist, nicht beschließen dürfen. Jede Ebene ist für sich zu bewerten.

Max Miller

Was unterscheidet die Kunasek-FPÖ von der Kickl-FPÖ?

Max Lercher

Die handelnden Personen und ihre persönliche Art und Weise. Im Allgemeinen die Realität, dass die FPÖ in der Steiermark fast 35 Prozent hat.

Max Miller

Sollte die SPÖ mit Kickl zusammenarbeiten, wenn er im Bund fast 35 Prozent der Stimmen hat?

Max Lercher

Spekulation. Hat er nicht. Im Übrigen muss das die Bundesebene laut Kriterienkatalog selbst bewerten.

Max Miller

Eine letzte Frage: Im Bund und allen Landesorganisationen sind die SPÖ-Chefs männlich. Wieso gibt es derzeit keine Frauen an der SPÖ-Spitze?

Max Lercher

Das muss sich ändern. Ich sehe das auch als Auftrag an uns Männer in der Partei.

Max Miller

Herr Lercher, danke für den Chat!

Max Lercher

Danke, alles Gute.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.