Ursula Poznanski: Knallen und Krachen
Angefangen hat es mit einem Crashkurs in Sachen Scheitern. Fünf Jahre lang saß die Journalistin Ursula Poznanski nach Feierabend über ihrem ersten Fantasy-Roman. Der Literaturagent, dem sie das Manuskript schließlich schickte, zeigte mit dem Daumen nach unten. Mit sympathischer Bockigkeit hielt Poznanski an ihren Plänen fest. Sie schrieb ein Exposé über ein Computerspiel, das auf perfide Weise über seine Spielerinnen und Spieler Macht gewinnt. Eine Rebellion-der-Maschinen-Geschichte für den Schulhof. „Eine Art unzeitgemäße Mischgeschichte aus Krimi und Fantasy“, lacht Poznanski: „Damals waren Vampire en vogue.“ Es sollte noch einige Jahre dauern, bis sie sich traute, beim Ausfüllen von Hotelmeldescheinen in die Spalte mit der Berufsabfrage den Begriff „Autorin“ zu schreiben.
Der Rest ist schnell erzählt. Der Jugendthriller „Erebos“, in dem Poznanski das dunkle Faszinosum Computerspiel ausleuchtete, erschien 2010. Von dem Buch wurden bis Herbst 2019 mehr als 750.000 Exemplare verkauft. Im selben Jahr erschien auch die Fortsetzung „Erebos 2“, der nächste Kassenschlager. Poznanski, 1968 in Wien geboren, hat bis dato weit über zwei Millionen Exemplare ihrer Thriller, Jugend-, Kriminal- und Science-Fiction-Romane verkauft. In 38 Sprachen sind ihre Bücher übersetzt. Sie hat den Deutschen Jugendliteraturpreis, den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien, den Österreichischen Krimipreis und noch viele andere Auszeichnungen erhalten, von denen sie gar nicht wusste, dass es diese überhaupt gibt. Wenn man von Poznanski spricht, muss man sich mit Superlativen behelfen. „Die ehemalige Medizinjournalistin ist eine der erfolgreichsten Autorinnen deutscher Sprache“, ist auf der Website des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels zu lesen.
Längst kann man sich in Poznanskis Prosawelten verlieren. Da gibt es die Kinderbücher „Buchstabendschungel“, „Theo Piratenkönig“, „Die allerbeste Prinzessin“ und „Pauline Pechfee“: Aufmunterungslesestoff in Bunttönen, die behäbiger Kinderpädagogik Beine macht. Mit beharrlicher Entschlossenheit schreibt Poznanski ihre Literatur, als müsse sie Distanz zwischen sich und ihre Geschichten bringen. Die Thriller- und Kriminalroman-Linie umfasst Titel wie „Saeculum“, „Layers“, „Elanus“, „Thalamus“, dazu die „Vanitas“-Trilogie und die fünfteilige Reihe um die Salzburger Ermittlerin Beatrice Kaspary. Die sogenannte „Eleria“-Trilogie mit den Teilen „Die Verratenen“, „Die Verschworenen“ und „Die Vernichteten“ erschien zwischen 2012 und 2014.
Die Bestsellerformel
„Rezept gibt es keines“, sagt Poznanski an einem frühlingsfrischen Dienstagnachmittag in einem Wiener Innenstadtcafé. „Mach A, B, C – und dann subtrahiere D für den sicheren Bestseller! Schön wär’s! Es hat viel mit Glück und vermutlich auch damit zu tun, dass man Spurenelemente des Zeitgeists erhascht. Ich schreibe nicht für ein ausgewähltes Publikum, sondern für eine möglichst große Schnittmenge an Menschen, die gerne lesen.“ Poznanski ist eine Euphorikerin ihres Berufs, eine so quirlige wie energiegeladene Zeitgenossin. 1300 Wörter schreibt sie pro Tag, ein straffes Programm für zwei Bücher im Jahr. Ihre Sätze im Café klingen nie so, als hätte Poznanski sie zu Hause vor dem Spiegel geübt. Zum Beispiel dieser: „Ich habe nie überlegt, mir ein Pseudonym zuzulegen. Polanski hat auch funktioniert, warum also nicht Poznanski. Inzwischen schreiben die Verlage meinen Nachnamen ohne Vornamen auf die Buchcover. Das würde bei ‚Müller‘ oder ‚Maier‘ nicht so gut funktionieren.“
Die vage Poznanski-Bestsellerformel könnte lauten: Originelle Idee plus deren adäquate sprachliche Umsetzung multipliziert mit Diese-Autorin-musst-du-lesen-Effekt, angereichert um eine gehörige Portion Basishandwerk.
Der Unterhaltungsroman hat sein eigenes Bezugssystem. Er sorgt für Spannung und Weltflucht, will Lesemarathon und Einschlaflektüre sein, alles zugleich. „Fan“, das hört man in den Sphären der Megaseller-Prosa nicht ungern. „Temporeiche Höchstspannung“: ein Adelsprädikat. Liebes-, Detektiv-, Kriminal-, Historien- und Spionageroman, Thriller und Ritterbuch, Horror und Komödie: Das Genre hält viele Bühnen bereit, auf denen Altbekanntes und Abenteuerliches, Nervenkitzel und Herzschmerz, Suspense und Seifenoper inszeniert werden. Poznanski bewegt sich auf vielen dieser Podien. Vor dem Schreiben kommt bei ihr das Plotten, das Planspiel der abgesteckten Erzählwege.
Ihre Sprache ist schnörkellos, der Aufbau der Bücher maß- und zurechtgeschneidert. Hochdruck und Tempo von Anfang bis Ende, kaum Atempausen. Was zählt, ist der Plot. Krachen und knallen muss es auf der Bühne. In „Böses Licht“, ihrem neuen Kriminalroman um die Ermittlerin Serafina Plank, ist das buchstäblich zu verstehen: Die Inszenierung von Shakespeares „Richard III.“ am Wiener Burgtheater trieft vor Theater- und Menschenblut. „Böses Licht“ ist der zweite Teil der Serie um Landeskriminalamtsermittlerin Plank, in die Poznanski Zitate von Bertolt Brecht und Shakespeare mischt sowie, eines ihrer Steckenpferde, viel griechische Mythologie unterhebt. „Aber stille blutet in dunkler Höhle stummere Menschheit“: Es dürfte nicht allzu viele Unterhaltungsromane geben, in denen sich Verszeilen von Georg Trakl finden.
Man wähnt sich in „Böses Licht“ in einem darwinistischen Überlebenskampf unter eitlen Schauspielergockeln und anderen komischen Käuzen, in einem Hin und Her zwischen blutrünstigen und komischen Szenen. „Alles erfunden, reine Kopfgeburten, wenn auch vielleicht mit einem Stich ins Reale“, beteuert die Autorin. Mit ihrer Heldin Serafina geht Poznanski nonchalant ins Gericht: „klein, kompakt, verkorkst und mit einem affigen Vornamen gestraft“. Am Ende kommt es bei diesem Mordsvergnügen ganz anders, als man denkt. „Theater ist Leben und ist Tod“, deklamiert ein Akteur als Giftzwerg: „Wir inhalieren beides, und dann atmen wir Kunst aus. Himmlische Kunst, giftige Kunst. Höllische Wunder!“