Entgeltliche Kooperation

Der Gesellschaft etwas zurückgeben

Philanthropie und Wissenschaft sind enger miteinander verknüpft, als es scheint. Hier bedarf es eines neuen Bewusstseins.

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Gute Ideen kommen oft über Nacht. Ihre Umsetzung aber braucht Zeit. Gerade in der Forschung sind langwierige Studien und aufwendige Projekte nötig, um vom Gedanken zum fertigen  Resultat zu gelangen. Hier kommt die Philanthropie ins Spiel: Sie zeichnet sich durch langfristiges, strategisches Engagement aus und kann so mit dem von ihr eingebrachten Kapital  Wissenschaft und Forschung am Leben erhalten. Ruth Williams, Generalsekretärin vom Verband für gemeinnütziges Stiften, erklärt, warum Philanthropie, also der Gesellschaft Gutes tun, in Österreich noch in den Kinderschuhen steckt.

 

Inwiefern ist Forschung von der Zivilgesellschaft abhängig?
Ruth Williams: Die meisten Menschen glauben, dass Wissenschaft und Forschung vom Staat getragen werden. Das Bewusstsein, dass hier auch privates Engagement benötigt wird, ist noch wenig ausgeprägt. Das war nicht immer so: In Österreich gab es einen stark etablierten Stiftungssektor, auch im Bereich Wissenschaft, der letztendlich durch den Zweiten Weltkrieg zum Erliegen kam und nicht mehr in dem Ausmaß wiederbelebt wurde. Das lag auch daran, dass die Rechtslage lange nicht sehr stiftungsfreundlich war. Das hat sich durch die  Novellierung des Bundesstiftungs- und Fondsgesetzes 2015 zwar verbessert, ist aber weiterhin ausbaufähig. Dennoch erleben wir einen kleinen Aufschwung – in den vergangenen fünf Jahren wurden über 100 neue gemeinnützig tätige Stiftungen gegründet. Das ist zwar noch kein Boom, aber immerhin ein langsames Wachstum.

Was genau ist eine gemeinnützig tätige Stiftung?
Ruth Williams:
Es gibt unterschiedliche Rechtsformen, aus denen man gemeinnützig stiften kann. Etwa die rein gemeinnützige Privatstiftung, gemeinnützige Bundes- oder Landesstiftungen und Fonds, aber auch kirchliche Stiftungen. Allen gemein ist, dass sie ihr Kapital oder die Ausschüttung des Kapitals zugunsten eines gemeinnützigen Zwecks, der in der  Stiftungsurkunde festgeschrieben ist, ausschütten. Ein Beispiel: Eine erfolgreiche Unternehmerin will der Gesellschaft etwas zurückgeben oder sie interessiert sich für ein gewisses Thema, das sie in der Forschung unterstützen will. Daher lässt sie einen bestimmten Prozentsatz ihres jährlichen Erlöses in eine gemeinnützige Stiftung einfließen und wird so selbst operativ tätig  oder unterstützt Forschungseinrichtungen. Das Besondere an gemeinnützigen Stiftungen ist, dass sie eine sehr nachhaltige Form des Engagements sind.

Inwiefern?
Ruth Williams: In der Stiftungsurkunde wird der Wille der Gründer:innen beziehungsweise der Stifter:innen festgehalten. Er ist die Lebenslinie, an der entlang gearbeitet werden muss,  egal, ob Stifter:in oder Gründer: in noch am Leben ist. Geld, das in einer Stiftung liegt, kann nicht für andere Zwecke verwendet werden – somit ist die gemeinnützige Stiftung für mich die Königsdisziplin des Engagements. Dieses kann von Einzelpersonen, Gruppen, Unternehmen, aber auch gemeinnützigen Organisationen – oder Zusammenschlüssen dieser – angeregt und getragen werden.

Was würde es benötigen, damit das Stiftungswesen in Österreich einen größeren Aufschwung erfährt?
Ruth Williams:
Stiftungen sollten als Akteure gesehen werden, die gute Ideen inkubieren und Dinge ausprobieren könnten, die mit privatem Kapital auch Risiken eingehen können. Sie  könnten so eine Nische besetzen, die weder Staat noch Unternehmen abdecken. Das wird ihnen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen oft genommen. Länder mit einem  moderneren Stiftungswesen, wie Deutschland, die Schweiz oder Liechtenstein, leben die Balance zwischen notwendiger Aufsicht und Handlungsspielraum für moderne und zeitgemäße Philanthropie. Das wird sich nun auch in Österreich ändern: Das neue Gemeinnützigkeits- und Spendenpaket der Bundesregierung ist die bedeutendste Reform für den gemeinnützigen Sektor der letzten  Jahrzehnte und hat das Potenzial, auch den Standort für gemeinnützige Stiftungen in Österreich zu beflügeln.

Zur Person

Ruth Williams leitet seit 2018 als Generalsekretärin die Geschicke des Verbandes Gemeinnützig Spenden und zeichnet für den Stiftungsreport 2023 verantwortlich, der aktuell erschienen ist.