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In Wien lebt die weltweit größte Axolotl-Kolonie

Prof. Elly Tanaka erforscht am Institut für Molekulare Pathologie im Vienna BioCenter einen einzigartigen Mechanismus der mexikanischen Salamander.

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Sie forschen an Axolotln, die verlorene Gliedmaßen nachbilden. Weiß man, wie das funktioniert?

Die Regeneration verlorener Körperteile bei Axolotln durchläuft mehrere Stufen. Bei der Entdifferenzierung kehren einige Zellen in der Nähe der Verletzungsstelle in einen weniger spezialisierten und vielseitigeren Zustand zurück. Durch die Umwandlung sind sie in der Lage, sich zu verschiedenen Zelltypen zu entwickeln.  Zweitens sammeln sich die entdifferenzierten Zellen und bilden an der Verletzungsstelle eine Struktur, die als Blastem bezeichnet wird. Das Blastem dient als Reservoir für die entdifferenzierten Zellen. Bei der Regeneration bauen Axolotl bestehende Ge-webe um und erzeugen völlig neue. Bei der Regeneration von Gliedmaßen etwa entstehen aus dem Blastem verschiedene Zelllinien, die für den Wiederaufbau der Gliedmaßen notwendig sind, wie Muskeln, Knochen und Haut. Die Nerven dienen den sich regenerierenden Zellen zur Orientierung und helfen ihnen, die richtigen Strukturen zu bilden. Werden sie durchtrennt, ist die Regeneration beeinträchtigt. Wichtig ist auch, dass Axolotl über ein Immunsystem verfügen, das weniger anfällig für Entzündungen ist. Dies bietet ein ideales Umfeld für Regeneration, ohne dass sich Narben oder Gewebeschäden bilden. 

Haben Sie eigene Techniken entwickelt, um Ihre Forschung betreiben zu können?

Wissenschafter*innen haben seit dem 19. Jahrhundert an Axolotln gearbeitet. Als ich vor 30 Jahren mit deren Untersuchung begann, waren sie ein wenig aus der Mode gekommen, da die meisten Techniken zur Manipulation molekularer Mechanismen bei Mäusen oder Fruchtfliegen angewandt werden konnten, aber beim Axolotl nicht. Mein Labor musste diese Methoden erst anpassen. Nun können wir  Zellen mit einem Farbstoff markieren, der unter UV-Licht leuchtet. Dadurch können wir sie über den Verlauf der Gliedmaßenregeneration verfolgen und haben so nachgewiesen, dass die Regeneration auf der Entdifferenzierung von reifen Zellen beruht und nicht auf Stammzellen. Mein Labor hat auch Instrumente der Bioinformatik entwickelt, um das komplizierte Genom der Axolotl zu entschlüsseln. Dies führte zu einer Zusammenarbeit mit Evolutionsbiologen, die Fische untersuchen. Wir setzten unsere Werkzeuge ein, um wertvolle Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie fischähnliche Tiere das Land erobert haben. Das ist zwar abschweifend von der Regeneration, zeigt aber schön, dass Grundlagenforschung oft in unerwartete Richtungen geht! 

Prof. Elly Tanaka erforscht am Institut für Molekulare Pathologie im Vienna BioCenter einen einzigartigen Mechanismus der mexikanischen Salamander. 

Sie konnten entschlüsseln, welche Gene an dieser Regenerationsfähigkeit beteiligt sind. Welche Bedeutung hat dies wiederum für andere Forschungen?

Die Identifizierung von Genen, die an der Regeneration des Axolotls beteiligt sind, hat Auswirkungen auf verschiedene Forschungsbereiche. Da wäre einmal das offensichtliche Potenzial für die Entwicklung von regenerativen Therapien und Behandlungen für eine Vielzahl von Krankheiten. Das Verständnis der Regeneration auf der Ebene der Gene ist aber auch für die Entwicklungsbiologie, die Organoid- und Stammzellforschung, die Evolutionsbiologie und viele andere Bereiche von Bedeutung.  
Warum ist es möglich, die Erkenntnisse etwa auf die Humanmedizin zu übertragen? Wir verwenden Axolotl als Modellorganismen, um Regeneration zu untersuchen, die auch bei vielen anderen Tieren wie Amphibien, Reptilien und in geringerem Maße sogar bei Säugetieren auftritt. Wir vergleichen Axolotl mit anderen Arten, um besser zu verstehen, wie sie dies tun können – und warum andere Arten, einschließlich des Menschen, dies nicht können. Die Erkenntnisse über Axolotl können die Forschung am Menschen inspirieren. Zum Beispiel: Jene Zellen, die sich bei Axolotln im ersten Schritt der Gliedmaßenregeneration entdifferenzieren, gibt es auch beim Menschen. Dort reagieren sie je-doch auf eine Verletzung mit der Bildung von Narbengewebe. Solche Erkenntnisse können der Forschung Aufschluss über die molekularen Wege geben, die diese unterschiedlichen Reaktionen steuern.   

Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen: Wo sehen Sie Ihre Forschung in den kommenden zehn Jahren?

Als die Gebrüder Wright um 1900 ihre ersten Segelflugzeuge bauten, hätten die meisten Menschen nicht gedacht, dass der menschliche Flug in absehbarer Zeit möglich sein würde. Und heute, etwas mehr als ein Jahrhundert später, transportieren Zehntausende von Flugzeugen Menschen und Güter, überall und ständig. In ähnlicher Weise halte ich Projektionen der Regenerationsforschung in die Zukunft für spekulativ. Aber die Vergangenheit zeigt uns, dass selbst die größten Durchbrüche mit kleinen Schritten beginnen.  

Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds

2001 wurde der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) als gemeinnützige Wiener Förderorganisation mit dem Ziel gegründet, die Exzellenz und auch die Relevanz der Forschung in Wien kontinuierlich zu steigern. Seine Hauptaufgabe ist es, herausragende Forschungsarbeiten über kompetitive Forschungsförderung zu unterstützen sowie junge Forschende an den Standort Wien zu binden. Wer unterstützt wird, unterliegt strengen Kriterien: Eine international besetzte Jury entscheidet in einem Auswahlverfahren, welche Projekte  substanzielle finanzielle Unterstützung durch den WWTF erfahren. Anträge werden nur nach Ausschreibungen, sogenannten Calls, entgegengenommen, wobei nur zehn Prozent der Projekte erfolgreich sind. Seit seinem Bestehen hat der WWTF mehr als 230 Millionen Euro an Forscher ausgeschüttet. Unterstützt werden Projekte aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie, Kognitionswissenschaften, Life Science sowie Umweltsystemforschung. Mit der Informationskampagne „Wien will’s wissen“, von der „Spontan gefragt“ einen Teil bildet, will der WWTF die Forschung vor den Vorhang holen: In KURIER TV, profil und KURIER werden wichtige wissenschaftliche Themen unserer Zeit verständlich erörtert und zugleich Forschung, die uns alle betrifft, vorgestellt.