Klüger als gedacht
Angeblich prägte König Friedrich von Preußen im Jahr 1789 den Spruch, dass der Hund der beste Freund des Menschen sei. Ob das tatsächlich der Fall war, ist nicht belegt. Dafür aber ist der Spruch für alle Hundebesitzer*innen wahr. Sie schwärmen von der beispiellosen Loyalität und bedingungslosen Liebe ihrer Tiere. Warum der Hund sich so eng an Menschen bindet, ist Teil der Forschung, die im Clever Dog Lab der Vetmeduni Wien durchgeführt wird. Um darüber mehr zu erfahren, lädt Moderator Hengstschläger Ludwig Huber, Verhaltensbiologe und Kognitionswissenschafter, und die Kabarettistin Antonia Stabinger ins „Spontan gefragt“-Studio ein. „Verhaltensforschung hat in Österreich eine lange und erfolgreiche Tradition, Konrad Lorenz hat für seine Arbeit mit den Graugänsen den Nobelpreis gewonnen“, leitet Hengstschläger den Wissenschaftstalk ein. „Kannst du umreißen, worum es in deiner Forschung geht?“ In seiner vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds geförderten Studie „Like me“ sei es um Imitation im Vergleich Mensch und Hund gegangen, antwortet Ludwig Huber. „Wir wissen schon lange, dass Menschen einander nachahmen, ob es Hunde auch tun, war nicht bekannt“, so der Verhaltensbiologe. „Aber wir konnten nachweisen, dass Hunde selektiv imitieren, das bedeutet, sie ahmen für sie sinnvolle Dinge nach.“ Bei seiner aktuellen Studie gehe es um die Evolution des sozialen Gehirns. „Wir führen sie gemeinsam mit dem Team von Prof. Claus Lamm von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien durch“, erzählt Huber. „Der Ablauf erfolgt bei Mensch und Hund gleich: In einem Magnetresonanz-Scanner, auf den die Hunde extra trainiert wurden, bekommen sie Videos und Bilder vorgespielt, und wir messen ihre Gehirnaktivität.“ Ziel sei, herauszufinden, ob sich im Laufe der Evolution dieselben Fähigkeiten entwickelt haben, obwohl Hunde nicht Teil der menschlichen Stammeslinie sind.
Besondere Fähigkeiten
Das bringt Antonia Stabinger zu einer Frage: „Wer ist denn sozialer – der Hund oder der Mensch?“ Auf jeden Fall sei der Hund treu und verzeihe dem Menschen viele Fehler, hält Ludwig Huber fest. „Interessant ist, dass wir bei ihnen eine Verhaltensweise nachweisen konnten, von dem die Forscher*innen bislang glaubten, sie sei menschenspezifisch, weil keine andere Art sie aufweist“, erzählt der Wissenschafter. „Und zwar kopieren Hunde vom Menschen auch für sie nicht funktionelles Verhalten – und das kannten wir bisher nur von Kindern.“ Markus Hengstschläger will von Antonia Stabinger wissen, was sie denn an Hunden schätze. „Ich finde die Anwesenheit von einem Hund sehr angenehm“, antwortet die Kabarettistin. „Man muss beim Spazierengehen nicht mit ihm reden, er ist einfach da, und das wirkt entspannend.“ Woher es komme, dass die Beziehung zwischen Hund und Mensch so eng sei, wendet sich Markus Hengstschläger anschließend wieder an Ludwig Huber. „Hunde sind die ältesten domestizierten Tiere, sie leben länger mit Menschen zusammen als Nutztiere wie Schafe, Schweine, Hühner und Rinder“, antwortet der Verhaltensforscher. „Das ist sicher eine wesentliche Komponente für diese spezifische Beziehung.“ Die Domestizierung allein sei aber nicht ausschlaggebend, denn Hunde hätten immer Aufgaben für den Menschen erfüllt. „Durch diese intime Beziehung haben Hunde gelernt, uns zu verstehen, unser Verhalten, unsere Gesten, ja sogar unsere Emotionen im Gesicht zu deuten“, so Huber. Da hakt Antonia Stabinger ein und erzählt, dass ihr Hund unterscheiden kann, wenn er mit ihr spazieren geht oder wenn sie mit ihm das Haus verlässt, um jemanden zu treffen. „Ich mache nichts anderes, sage nichts, und trotzdem hält er dann die ganze Zeit Ausschau – woher weiß er, dass ich jemanden treffe?“ Ludwig Huber muss lachen. „Dein Hund hat irgendwelche kleinen Signale gelernt, die du aussendest. Welche es sind, kann ich nicht sagen“, so der Wissenschafter. „Hunde lernen durch verschiedenste Verhaltensweisen, was ihr Gegenüber – also der Mensch – weiß, was er gesehen hat und wie seine Einstellung einer bestimmten Situation gegenüber ist, und handeln dann danach.“ Im Clever Dog Lab befindet sich bei einer aktuellen Forschung der Hund mit zwei Menschen im Raum. In dem Moment, wo einer von ihnen hinausgeht, versteckt der andere Futter. Wenn die erste Person dem Hund dann zeigen will, wo das Futter versteckt sein könnte, reagiert dieser selektiv. „Hunde können genau zwischen einem informierten und einem nichtinformierten Menschen unterscheiden“, fasst Huber zusammen. „Sind alle Hunderassen gleich klug?“, fragte die Kabarettistin. Das könne man nicht mit Bestimmtheit sagen, weil man für solche Studien weltweit unzählige verschiedene Rassen, aber auch Mischlinge testen müsse, die alle ähnlich motiviert sind. „Wir haben im Clever Dog Lab schon mit über 2000 Hunden gearbeitet, aber es kommen ja nie immer dieselben Rassen“, so Huber. „Somit kann ich das nicht fundiert beantworten.“ Letztlich sei es aber egal, wie klug ein Hund sei, denn, so schließt der Verhaltensforscher: „Der eigene Hund ist immer der beste und klügste.“
Ludwig Huber
Der geborene Niederösterreicher studierte in Wien
Biologie, Philosophie sowie Wissenschaftstheorie. Huber
arbeitete als Assistent beim österreichischen Zoologen
Rupert Riedl. Nach seiner Habilitation spezialisierte
er sich auf die Wahrnehmungs- und Erkenntnisleistung
von Tieren. Zwischen 1995 und 2000
leitete er die Abteilung für Theoretische Biologie am
Institut für Zoologie der Universität Wien, bevor er
den Forschungsschwerpunkt Kognitionsbiologie etablierte.
Zwei Jahre leitete er das von ihm mitgegründete
Department für Kognitionsbiologie an der Universität
Wien; seit 2011 leitet er als Professor für Naturwissenschaftliche
Grundlagen des Tierschutzes und
der Mensch-Tier-Beziehung den Schwerpunkt Vergleichende
Kognitionsforschung im Messerli-Forschungsinstitut
für Mensch-Tier-Beziehung der Vetmeduni
Wien. Huber hat an mehreren Universitäten in Tschechien,
Frankreich, Amerika und Brasilien unterrichtet
und ist Ehrenbotschafter des Jane Goodall-Instituts
Österreich. In seinem Buch „Das rationale Tier” (Suhrkamp,
2021) beschreibt er den aktuellen Stand der
Intelligenzforschung bei Tieren inklusive seiner eigenen
Arbeiten. Unter anderem wurde Huber für seine
Forschung mit dem Ig-Nobelpreis für Physiologie und
dem Wissenschaftspreis des Landes Niederösterreich
2024 ausgezeichnet.
Antonia Stabinger
Die Steirerin studierte nach der Matura Germanistik
in Graz und schloss ihr Diplomstudium in Wien ab.
Schon während des Studiums war sie in der Grazer
Theater-Off-Szene tätig und arbeitete bei Filmdrehs.
Stabinger gründete die IGfilmen für semiprofessionelle
Filmschaffende, wo sie regelmäßig Workshops und
Filmabende veranstaltet. Zwischen 2003 und 2014
schrieb und inszenierte sie Kurzfilme und Musikvideos.
2009 schrieb sie mit Ulrike Haidacher das Theaterkabarett
„Flüsterzweieck“. Das Duo tourt mit seinem
fünften Programm und konnte mehrere Preise gewinnen.
Stabinger ist als Autorin für mehrere ORF-Fernsehsendungen
tätig, außerdem ist sie beim Radiosender
FM4 als Moderatorin und in ihrem Podcast „Antonia
redet mit“ zu hören. Ihr neues
Kabarettprogramm „Angenehm“ hatte im September
2024 Premiere.
Markus Hengstschläger
Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger studierte Genetik,
forschte auch an der Yale University in den USA
und ist heute Vorstand des Instituts für Medizinische
Genetik an der Medizinischen Universität Wien. Der
vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler forscht, unterrichtet
Studierende und betreibt genetische Diagnostik.
Er leitet den Thinktank Academia Superior, ist
stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission,
Kuratoriumsmitglied des Wiener
Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds
und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für
Stammzellforschung. Er war zehn Jahre lang Mitglied
des Rats für Forschung und Technologieentwicklung
und Universitätsrat der Linzer Johannes Kepler Universität.
Hengstschläger ist außerdem Unternehmensgründer,
Wissenschaftsmoderator, Autor von vier
Platz-1-Bestsellern sowie Leiter des Symposiums „Impact
Lech“.