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E wie E-Mobility – und wie Erfolg? Welche österreichischen Unternehmen Pionierarbeit in Sachen Elektromobilität leisten, wo der E-Motor (noch) stottert und was Falco zur Verkehrswende beiträgt. Ein Überblick.

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Österreich ist ein Autoland. 
Das bestärkte Kanzler Nehammer zuletzt beim Autogipfel Anfang Juni. Ganz falsch liegt er damit nicht. Laut einer WKO-Studie erzielt die heimische Automobilwirtschaft pro Jahr 30 Milliarden Euro Wertschöpfung und gibt 354.000 Menschen Arbeit – vorwiegend in Graz, Linz und Steyr. 
Doch sind wir auch für die Zeitenwende hin zur Elektro-Mobilität stabil aufgestellt? Die wahrhaft österreichische Antwort darauf lautet: jein. Auf der einen Seite leisten heimische Start-ups, Forschungsinstitutionen und Entwicklungsabteilungen bahnbrechende Pionierarbeit – und zwar durchaus mit internationalem Erfolg. Auf der anderen Seite zehrt der Mix aus markant steigenden Entwicklungskosten und verhalten wachsenden E-Marktanteilen an den Akkus der Branche.

Ungünstige Sterne
Über einen gefährlich niedrigen Ladestand seiner Umsätze klagt zum Beispiel Magna Steyr. Wegen schlechter Auftragslage mussten die Grazer seit Dezember 950 Stellen abbauen. Dabei ist der – laut Eigenaussage – „weltweit erste Fahrzeug-Auftragsfertiger, der eine breite Palette an Antriebstechnologien in einem Werk anfertigt“ eigentlich auch in Sachen E-Mobilität Technologietreiber. Man setzt Luxus-E-SUVs – wie dem Jaguar I-Pace, dem elektrischen Mercedes G (Markteinführung im Sommer) und dem Ineos Fusilier (geplant für 2027) – ein kraftvoll-grünes steirisches Herz ein. Doch zuletzt brach mit Fisker ein wichtiger Auftraggeber weg, und auch Mercedes will die Entwicklung der nächsten Plattform für elektrische Luxusautos stoppen – mit unklaren Folgen für Graz. Darum verhandelt Magna Steyr nun auch Partnerschaften mit chinesischen Autoherstellern.

Roboter als Tankwart
Wenn es nach Ehsan Zadmard geht, wird das erste rein österreichische Elektroauto sowieso nicht in Graz vom Band laufen, sondern in Ried im Innkreis. Der Gründer des Innviertler Start-ups Alveri präsentierte schon vor zwei Jahren den Alveri Falco – eine Art Austro-Volkswagen fürs 21. Jahrhundert, kostengünstig und langlebig. „Aber wir können nicht auf den E-Auto-Boom hoffen, wenn wir nicht vorher unsere Hausaufgaben machen“, so Zadmard. Wer im gigantischen Zukunftsmarkt E-Mobilität mitspielen möchte, müsse von Anfang an vernetzt denken. „Hier der Autohersteller, hier die Tankstelle – das wird’s in Zukunft nicht mehr spielen. China und die USA haben verstanden, dass wir E-Mobilität als dezentrales System denken müssen. Fahrzeuge, Infrastruktur und Energiemarkt sind dabei keine getrennten Player mehr, sondern Teil eines Netzwerks. Und es gibt keinen Grund, warum wir Europäer das nicht gleich gut oder sogar noch besser hinkriegen sollten.“ 
Aber wo soll der Strom für die E-Auto-Flut herkommen? „Das ist ein Angst-Argument der Verbrennerindustrie“, sagt Zadmard. „Erstens ist der mit Abstand größte Stromverbraucher im Land die Industrie und der Strombedarf von sechs Millionen E-Autos vergleichsweise gering. Zweitens muss der Strommarkt in Zukunft smarter gesteuert werden. Durch das Zusammenspiel von Photovoltaik, Windkraft und E-Mobilität kann jede:r zugleich Konsument:in und Produzent:in werden, und wir können Überschüsse viel besser ausgleichen.“
 

Vorreiter Innviertel

Durch die Initative des Start-ups Alveri entstand im oberösterreichischen Ried eine E-Ladeinfrastruktur mit 100 Ladestationen.

Ansteckende Begeisterung
Das Vorzeigeprojekt dafür demonstriert Zadmard, der als Siebenjähriger mit seinen Eltern aus Afghanistan geflüchtet ist, in Ried: Binnen eineinhalb Jahren errichtete sein Start-up 30 Ladestationen, kurbelte den Markt für Mitbewerber an und machte die Innviertler 12.000-Einwohner-Gemeinde mit nun insgesamt 100 Lademöglichkeiten zur besterschlossenen Bezirkshauptstadt im Land. Entsprechend steil geht im Bezirk die Kurve neuer E-Zulassungen nach oben. „Wir müssen bei jeder Investition schon zwei, drei Schritte vorausdenken“, sagt Zadmard. Die nächste Innovation, einstweilen noch im Stadium des Prototyps, denkt deshalb bereits autonome Fahrzeuge mit: Der Alveri-Laderoboter Charbo lädt ganz ohne menschliches Zutun bis zu 20 Fahrzeuge auf. 

Alveri ist aber nur ein besonders anschauliches Beispiel für den Systemwandel im Land. Schlaue Lade- und Infrastrukturlösungen sind nämlich auch noch anderen heimischen Ingenieur:innen eingefallen. So zählt etwa das oberösterreichische Unternehmen Keba mit seinen CO2-optimierten Ladestationen zu den Weltmarktführern bei Wallboxen. Ein eigenes Steuerungsmodul erkennt und managt die am Standort zur Verfügung stehende Leistung und verhindert Überlastungen – so können in einem einzigen Gebäude die Ladeströme für bis zu 200 Wallboxen geregelt werden. Das südoststeirische Unternehmen DiniTech machte seinen NRGKick zum Marktführer bei intelligenten mobilen Ladesystemen. Und auch das Traditionsunternehmen Schrack, 1918 Entwickler von Österreichs erster industriell gefertigter Radioröhre, ging mit der Zeit  und denkt nicht in einzelnen Modulen, sondern in Systemen. Die Wiener liefern nicht nur Ladestationen und Wallboxen, sondern auch die benötigte Energie dazu. Mit im Angebot: Photovoltaik-Anlagen und passende Speichersysteme. 

Noch ein wenig anspruchsvoller wird die Herausforderung, wenn statt mäßig durstiger E-Autos und -Motorräder ausgewachsene E-LKWs an die elektronische Tränke drängen. OMV, Daimler Truck Austria und Siemens entwickelten dafür die weltweit erste Siemens-Ladesäule, die eine konstante Ladeleistung von 400 kW stemmt. Damit können selbst Schwerlaster binnen eineinhalb Stunden für die Weiterfahrt bereitgemacht werden. Der Standort in Laakirchen, direkt an der Westautobahn, ist aber nur der Anfang: Bis 2026 will die OMV auf allen Hauptverkehrsachsen des Landes Ladeinfrastruktur für E-LKWs installieren.

Sicherheitsnetz 
Vernetzt gedacht wird auch bei Kapsch. Mit seinem „Kooperativen Korridormanagement“ organisiert das 1892 gegründete Informationstechnik-Unternehmen aber nicht den Energiebedarf, sondern den Fluss des Verkehrs. Und setzt E-Mobilität damit in einen größeren Zusammenhang: Die elektronische Vernetzung von Fahrzeugen, Verkehrsteilnehmer:innen und Behörden soll Staus vermeiden und Unfälle verhindern. Die erforderlichen Echtzeit-Verkehrsdaten werden von On-Board-Fahrzeuggeräten, Infrastruktur-Sensoren, Maut- und Floating-Car-Daten sowie von KI-fähigen Kameras in einer Plattform-Suite gebündelt und an die Verkehrsteilnehmer:innen weitergegeben – z.B. in Form digitaler Wechselverkehrszeichen, als Warnung vor einem Stauende, einem Falschfahrer oder einem Hindernis auf der Fahrbahn, zur Gleichschaltung kooperativer Ampeln oder für geänderte Routenführungen im Navi. Aktuell wird die C-
Roads C-ITS-Initiative bereits an vernetzten Kreuzungen in Salzburg und Wien sowie flächendeckend in Zusammenarbeit mit der ASFINAG auf Autobahnen in ganz Österreich erprobt.

Austro-Benz

Die G-Klasse wird seit 40 Jahren in Steyr gebaut – nun auch als E-Version mit bis zu 587 PS.  

Konsequent oder technologieoffen?
Doch ist E-Mobilität wirklich die einzig wahre und richtige Lösung? „Ja, wenn wir uns endlich auf verlässliche Richtlinien für Wirtschaft und Konsument:innen einigen“, sagt Bernhard Matschl, Vizepräsident des bereits 10.000 Mitglieder zählenden ElektroMobilitätsClub (siehe Interview). „Nein“, sagt Peter Hofmann, Leiter des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU Wien. „Wir fahren am besten, wenn wir für unterschiedliche Anwendungen die jeweils passgenaue Technologie einsetzen.“ Als Beispiel dafür nennt Hofmann den Brennstoffzellen-Traktor, den er in diesem Frühjahr zusammen mit seinem Entwicklerteam als Forschungsprojekt konstruiert hat. Der emissionsfreie Steyr-Traktor ist deutlich leichter als ein vergleichbarer E-Traktor (um den Ackerboden nicht so stark zu verdichten), hat sein Kühlsystem am Dach untergebracht (um freie Sicht auf die Räder zu gewährleisten) und benötigt keine Tankstelle. Der benötigte Wasserstoff kann über ein BioH2-Modul direkt in der eigenen Klär- oder Biogasanlage hergestellt werden. 

Technologieoffenheit war auch das Motto des eingangs erwähnten Autogipfels der Regierung. Abzuwarten, welche Technologie sich durchsetzt, könnte uns allerdings wirtschaftlich Kopf und Kragen kosten: 2030 werden in Europa 42 Prozent der Fahrzeuge und in China fast jedes zweite neu zugelassene Auto elektrisch fahren. Und China, inzwischen weltgrößter Auto-Importeur, baut nicht nur schneller und billiger als die etablierte Konkurrenz. Es ist auch innovativer, sagt der Electromobility Report 2024 des Center of Automotive Management.

„Die Politik soll klare Vorgaben machen“

Im Gespräch mit Bernhard Matschl, Vizepräsident des ElektroMobilitätsClubs (EMC), Österreichs Interessensvertretung und Service-Institution für E-Auto-Fahrer:innen

Stichwort E-Mobilität: Ist Österreich Pionier oder Nachzügler? 
Wir sind im Europavergleich gar nicht so schlecht aufgestellt, vor allem was die Entwicklung der Ladeinfrastruktur betrifft. Den Netzausbau haben wir leider ein bisschen verschlafen.
Und die Autozulieferindustrie …?
… leidet darunter, dass ein E-Auto vergleichsweise trivial zu bauen ist und aus viel weniger Teilen besteht als herkömmliche Autos. Da ist es schwer, mit Qualität zu punkten – vor allem in Bereichen, die den Konsument:innen wirklich auffallen. 
Was fehlt am Markt?
Günstige, kleine Alltags-E-Autos. Der Durchschnittsösterreicher benötigt keine 500 Kilometer Reichweite, sondern ein Transportmittel für die Arbeit, den Wochenendeinkauf oder die Fahrt zum Sportverein.
Muss die Politik aktiver werden?
Das Thema ist zu wichtig, um politisches Kleingeld daraus zu schlagen. Was wir brauchen, ist ein Schulterschluss von Regierung und Opposition. Die Politik muss klare Vorgaben machen, wo die Reise hingeht, und seriös aufklären – erst dann werden die Betriebe in Ladestrecken, E-Fuhrparks und emissionsfreie Firmen-LKWs investieren.