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Onlinestimmen ein Gehör geben

Bald könnte ein neues Tool dazu beitragen, dass schneller Maßnahmen gesetzt werden, damit sich die Wiener Bevölkerung in ihrer Stadt wohlfühlt. Ein Forschungsteam arbeitet an einem System, das benutzergenerierte Meinungen rasch und unkompliziert auswertet.

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Seit Jahren kann Wien Rankings zu den lebenswertesten Städten für sich entscheiden. Diesen liegen repräsentative Umfragen, das gängigste und am meisten verbreitete Instrument der Marktforschung, zugrunde. Denn bei korrekter Durchführung liefern sie aussagekräftige Erkenntnisse. „Repräsentative Umfragen haben allerdings den Nachteil, dass sie mit einem  erheblichen Kosten- und Zeitaufwand verbunden sind, sagt Prof. DDr. Arno Scharl, Leiter des Research Center of New Media Technology an der Modul Universität Wien. „Daher werden diese in der Regel nur einmal im Jahr durchgeführt.“ Für aktuelle Stimmungsbilder, wie es um das Wohlbefinden in Wien aussieht, und mögliche Entscheidungen fehlen daher meist die Daten. Das  Forschungsprojekt „A Digital Well-Being Index for Vienna“, das vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) gefördert wird, soll diese Lücke schließen. „Wir  arbeiten an einer inhaltsverstehenden Methode, die Emotionen, Meinungen und Einstellungen aus digitalen Medien automatisiert extrahieren kann und uns so hilft, über das Well-Being in Wien eine Aussage zu treffen“, erklärt Arno Scharl. „Sie soll aber keine Konkurrenz zu den sozialwissenschaftlichen Umfragen sein, sondern diese vielmehr ergänzen.“

Den Sinn erfassen
Dafür werden Kommentare, Meinungen, aber auch Verbesserungsvorschläge aus Communityforen, sozialen Netzwerken und von Websites als Grundlage genommen und analysiert. Was einfach klingt, ist allerdings eine hochkomplexe Angelegenheit. Das größte Problem, die Daten richtig auszuwerten, stellt die Sprache dar. „Diese ist ja ein sehr komplexes Konstrukt“, betont der Projektleiter. „Jedes menschliche Wort kann verschiedene Bedeutungen haben, es gibt bestimmte Formulierungen, die Verstärkungen oder Abschwächungen transportieren, und  Verneinungen können Sätzen einen anderen Sinn geben.“ Um die Aussagen daher inhaltlich richtig bewerten zu können, muss die verwendete Technologie diese auch verstehen. „Wir  arbeiten bereits mehr als 20 Jahre an semantisch automatisierten Verfahren, die wir für ,A Digital Well-Being Index for Vienna‘ weiterentwickeln“, so Scharl. „Zunächst haben wir analysiert,  welche Dimensionen des Well-Beings in sozialwissenschaftlichen Indikatorensystemen erfasst und automatisiert nachgebildet werden können. Nun gilt es, diese Begriffsdefinitionen zu verfeinern.“ Aktuell arbeitet das interdisziplinäre Team aus Sozialwissenschafter:innen und Techniker:innen an der semantischen Verfeinerung des Systems.

Bis Ende des Jahres soll die Technologie für „A Digital Well-Being Index for Vienna“ einsatzbereit sein. Dann können Wertungen und Emotionen aus benutzergenerierten digitalen Inhalten zu bestimmten Themen ausgewertet werden. „Es ist einerseits eine Möglichkeit, Onlinestimmen ein Gehör zu geben, die sonst untergehen würden, und das Wissen, das in digitalen Medien vorhanden ist, zu nutzen“, fasst Arno Scharl die dahinterstehende Intention zusammen. „Andererseits ist es ein entscheidungsunterstützendes System für Stakeholder, die Maßnahmen setzen wollen, um das Wohlgefühl in der Stadt Wien zu erhöhen.“ Ziel ist es außerdem, das System sukzessive zu erweitern, sodass es auch für andere Städte anwendbar ist. „Da sind wir dann bei Best Practice: Man könnte schauen, ob gewisse Defizite, die in einer Stadt schon gelöst wurden, in anderen Städten auch so umsetzbar sind“, betont der Studienleiter. Im Sinne des Digitalen Humanismus werden so moderne Technologien zum Wohle des Menschen eingesetzt.

Univ.-Prof. DDr. Arno Scharl ist Leiter des Forschungszentrums für Neue Medientechnologie der Modul University Vienna