„Regenerative Landwirtschaft hat großes Potenzial“
von Robert Prazak
Johannes Mühl bohrt eine dünne Eisenstange in den zerfurchten Boden. Nach wenigen Zentimetern stößt er auf Widerstand und runzelt die Stirn. „Hier ist die Erde zu stark verdichtet.“ Er zieht die Stange heraus und probiert es in einigen Metern Entfernung nochmals, diesmal kommt er mit der Stange weiter nach unten. „Hier passt es“, sagt er lächelnd. Oberflächlich sieht der Boden nicht anders aus, doch es kommt darauf an, was sich in den unterschiedlichen Schichten abspielt – der Boden muss leben. Mühl legt die Eisenstange zur Seite, greift zum Spaten und schreitet auf den Acker daneben, auf dem unterschiedliche Pflanzen blühen: Sonnenblumen sind zu erkennen, außerdem Kohlgemüse und verschiedene Gräser. Die ungewöhnlich wilde Mischung aus 18 Pflanzen ist gewollt: Der Boden auf diesem Feld soll dadurch belebt werden, ehe kommende Saison wieder Gemüse wie Erbsen angebaut wird. Er gräbt ein Stück Erde aus. „Sieht schon gut aus.“
Was Johannes Mühl macht, nennt man regenerative Landwirtschaft. Seinen Betrieb im niederösterreichischen Marchfeld hat er größtenteils auf diese Methode umgestellt. „Ich habe ausschließlich Bioprodukte, aber noch nicht alle Produkte werden mittels regenerativer Landwirtschaft angebaut.“ Mühl verkauft vor allem Karotten, Reis und Haselnüsse, unter anderem an eine große Handelskette sowie an Wiederverkäufer, Gastronomie und Bauernläden. Mühl nimmt zudem am Humusaufbau-Programm der Ökoregion Kaindorf teil, so wie insgesamt rund 220 Landwirte in Österreich. Durch deren Bewirtschaftungsmethoden von Ackerflächen soll Humus aufgebaut und stabilisiert werden, dadurch kann CO2 gebunden werden. Das hilft nicht nur dem Klimaschutz, sondern kann für Landwirte auch eine zusätzliche Einnahmequelle sein.
Johannes Mühl bekommt eine Prämie für jede Tonne CO2, die in seinen Ackerböden gebunden ist. Doch für ihn steht die Erzeugung „nährstoffreicher und gesunder Lebensmittel“ im Vordergrund. Was nicht ganz einfach ist: „Es ist ein Herantasten an jene Methoden, die funktionieren. Das ist mit einem hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden, aber ich denke, dass die regenerative Landwirtschaft großes Potenzial hat.“ So will Mühl auf seinen Feldern ohne Pflug auskommen, damit das Bodenleben nicht zu stark durchmischt wird. In den oberen Schichten leben nämlich Lebewesen, die Sauerstoff benötigen, in den unteren hingegen jene, die keinen Sauerstoff brauchen. „Traditionelle Geräte können meistens nicht eingesetzt werden“, sagt Mühl.
Er führt uns zu seinem Reisfeld: Der Trockenreisanbau gewinnt auch in Österreich an Bedeutung. Hierzulande werden diese Felder nicht ständig geflutet, wie das in Asien getan wird. Doch Mühls Reispflanzen stehen nicht alleine, sondern werden von anderen Pflanzen begleitet – typisch für die regenerative Landwirtschaft. „Ich versuche beim Reisanbau eine Untersaat zu verwenden, das Ergebnis sind kräftigere Rispen.“ Es kommt dann auf die Balance zwischen Untersaat und Unkraut an. Die richtige Balance finden – ein Schwerpunkt bei der regenerativen Landwirtschaft, die schon jetzt vor den Folgen des Klimawandels schützen soll: Humusreiche Böden sind gegenüber Wetterextremen weniger anfällig. Nicht nur dadurch sollen die Erträge besser sein als bei der konventionellen Landwirtschaft. Doch wie geht es weiter mit dieser neuen Art, mit dem Boden umzugehen? „Es wird auch auf die Unterstützung durch die Politik ankommen“, meint Mühl. Zudem wäre ein Label für regenerative Landwirtschaft mit genauen Vorgaben seiner Meinung nach wünschenswert, denn ein solches könnte für Transparenz sorgen. Für ihn selbst ist es aber schon jetzt ein gutes Gefühl, neue Wege in der Landwirtschaft zu beschreiten.