Reisewarnungen
von Robert Prazak
Das Klima ist für die wetteifernden Milliardäre Bezos, Branson und Musk nur am Rande ein Thema, wenn sie ihre Reisen planen. Hingegen spielt der Klimaschutz bei gewöhnlicheren Urlaubs- und Abenteuerfreuden eine immer größere Rolle. Schließlich werden acht bis zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen vom Tourismus verursacht. Ist beim Reisen daher stets das schlechte Gewissen dabei?
4 Prozent der gesamten Emissionen der EU werden durch den innereuropäischen Flugverkehr und dem EU-Anteil an internationalen Flügen verursacht.
Dabei muss der Tourismus nicht von vornherein extreme Auswirkungen auf die Umwelt haben. Einerseits gibt es zahlreiche und immer mehr Möglichkeiten, klimafreundlich zu reisen – von der Wahl der Destination über das Verkehrsmittel bis zum Verhalten vor Ort kann die Reise so gestaltet werden, dass Ausstoß von Emissionen und Energieverbrauch niedrig gehalten werden. Andererseits ist es auch nicht die Masse an Reisenden, die für den Großteil der Emissionen sorgt – Reisen über die Landesgrenzen hinweg sind weltweit gesehen die absolute Ausnahme. Vor allem häufiges Fliegen ist etwas, das nur in reichen Industrieländern heute zum Standard zählt; so fliegen auf ein Jahr gesehen nur vier Prozent der Menschen in ein anderes Land.
Und klimafreundliches Reisen bietet gerade für Länder wie Österreich enorme Chancen: Dank gut ausgebauter Eisenbahnverbindungen, steigenden Angeboten für einen grünen Tourismus (Stichwort E-Mobilität) und immer mehr Hotels, die in dieser Hinsicht aktiv werden, könnte das Land zu den Profiteuren des steigenden Klimabewusstseins sein. Und das Verhalten der Reisenden wird sich ändern, ist Tourismusexperte Stefan Gössling von der Universität Lund in Schweden überzeugt: „Eine Studie, die auf Zahlen aus 2019 beruht, zeigt, dass das Thema viele Menschen beschäftigt.“ Die aktuellen Bilder von Überflutungen und Waldbränden würden jetzt das Gefühl verstärken, dass man sein Verhalten anpassen sollte. „Es gibt aber auch eine große Gruppe von Menschen, die Klimawandel als Problem der Anderen sehen.“
20 Prozent der Treibhausgasemissionen des weltweiten Tourismus werden von Fernreisen per Flugzeug verursacht, obwohl diese nur 6 Prozent der Reisen insgesamt ausmachen
Flugreisen sind fürs Klima zweifellos eine Belastung. Hin- und Rückflüge auf die Kanarischen Inseln einer vierköpfigen Familie verursachen so viel CO2 wie 45.000 Kilometer mit dem Mittelklassewagen, da gehen sich etliche Urlaubsreisen mit dem Auto aus. Ein Kernproblem sind Billigflüge – diese haben nach Ansicht von Gössling erst zum globalen Boom des Flugverkehrs geführt. „Wegen der massiven Subventionen sind solche Flüge oft günstiger als die Kosten.“ Der Flug nach Mallorca für eine Nacht in der Disco sei ein Beispiel dafür. „Darüber hinaus sind Billigflüge ein Türöffner für Flugreisen insgesamt, obwohl im globalen Emissionsmix Kurzstreckenflüge nicht so problematisch wie Langstreckenflüge sind.“
Apropos: Frankreich verbietet seit kurzem Flüge auf kürzeren Strecken innerhalb des Landes, wenn es dafür auch eine Zugverbindung von maximal zweieinhalb Stunden Fahrtzeit gibt. Solche Debatten werden auch in Deutschland geführt, in Österreich bisher eher verhalten – wobei das Problem wie so oft beim Klimaschutz vielschichtig ist: So werden Flüge von Wien nach Graz derzeit hauptsächlich für Anschlussflüge ins Ausland genutzt; der Ausbau der Südbahnstrecke könnte mehr Reisende zum Umstieg auf die Bahn bewegen.
57 Prozent weniger Flugverkehr im österreichischen Luftraum wurde 2020 wegen der Pandemie verzeichnet.
Das Grundproblem: Fliegen ist zu billig, darin sind sich Klimaschutzexperten einig. Flugtreibstoff ist international nicht besteuert und es gibt außerdem keine CO2-Abgabe – und das, obwohl der Flugverkehr ja nicht nur CO2-Emissionen verursacht, sondern durch Wasserdampf und Stickoxide zusätzlich zur Erwärmung beiträgt, wie Stefan Gössling erläutert: „Das müsste man einrechnen. Doch dieser Sektor lebt davon, dass Regierungen ihn ständig subventionieren – zuletzt in der Pandemie.“ Eine Lösung wäre der Einsatz nachhaltiger Treibstoffe, doch diese sind teuer und die meisten Staaten denken (noch) nicht an verpflichtende Mindestquoten dafür. Abgesehen davon: Wird sich der Flugsektor ändern? Gössling ist davon überzeugt: „Wenn wir es ernst nehmen mit dem Klimaschutz, wird es starke Veränderungen geben. Wir haben viel zu hohe Kapazitäten, das müssen wir nicht zuletzt zum Nutzen der Fluggesellschaften ändern, denn weil die Nachfrage global steigt, würden damit auch die Profite steigen.“
Bleibt die Frage, was die Weltraumabenteuer der Milliardäre tatsächlich bedeuten. Zwar ist der Anteil von Raketenstarts an den klimaschädlichen Emissionen derzeit vernachlässigbar, doch mit steigender Popularität solcher Ausflüge könnte sich das ändern. Der All-Trip eines Einzelnen könnte laut ersten Schätzungen so viel CO2 verursachen wie mindestens 50 Langstreckenflüge – zumal es bisher keine Regulierungen dafür gibt und die Auswirkungen auf die obere Atmosphäre noch wenig erforscht sind. Und letztlich ist auch die Symbolik zweifelhaft: Während die Folgen des Reisens auf den Klimaschutz für die Mehrheit der Menschen wichtiger werden, feiert die Techno-Elite sich selbst und den angeblichen Fortschritt in Form spaßiger Allflüge.
Saubermacher
Hinter dem Kürzel SAF verbirgt sich die Hoffnung der Flugindustrie, in naher Zukunft klimafreundlicher agieren zu können. SAF steht für Sustainable Aviation Fuel, also nachhaltiges, nicht auf fossilen Rohstoffen basierendes Kerosin. Dieses kann etwa aus gebrauchten Speiseölen hergestellt werden. Allerdings ist der umweltfreundliche Treibstoff im Moment fünfmal teurer als herkömmliches Kerosin und wird daher selten eingesetzt.
„Nachhaltig – aber wie?“
Endlich Urlaub! Doch das schlechte Gewissen ist für Reisende ein unerwünschter Begleiter. Wie kann man den Urlaub mit Klimaschutz vereinbaren?
- Generell gilt: Je näher das Urlaubsziel liegt, desto weniger Energie bzw. andere Ressourcen werden verbraucht. Und Langstreckenflüge verursachen besonders viele Emissionen, neben CO2 etwa auch Stickoxide, warnt die Umweltschutzorganisation WWF.
- Über Kompensationsprogramme für Flugreisen können Reisende auf freiwilliger Basis einen bestimmten Betrag zahlen, damit die entstandenen Emissionen über die Finanzierung von Klimaschutzprojekten ausgeglichen werden. Empfehlenswerte Anbieter von Emissionsrechnern bzw. Kompensationsprogrammen sind laut WWF unter anderem Atmosfair und MyClimate.
- Reisen in Regionen, in denen Umwelt- und Klimaschutz keine Rolle spielen oder in denen der Tourismus für eine Vernichtung von Ressourcen sorgt, sind nicht empfehlenswert.
- Umwelt- und Ökosiegel helfen bei der Auswahl klimafreundlicher Veranstalter, Unterkünfte und anderer Urlaubsanbieter. Dazu zählen etwa das Österreichische Umweltzeichen und das EU-Ecolabel.
- Klimafreundlicher Urlaub kann sich auch aus vielen kleinen Maßnahmen zusammensetzen: Handtücher im Hotel mehrfach verwenden, umweltfreundlichen Sonnenschutz nutzen (ohne Octocrylen), Wasserverbrauch reduzieren (vor allem in südlichen Ländern), regionale Speisen und öffentliche Verkehrsmittel bevorzugen.
- Auch im Urlaub Müll vermeiden bzw. trennen und möglichst auf Einwegverpackungen verzichten.
- Bei Souvenirs darauf achten, dass nicht seltene Hölzer oder bedrohte Tierarten dafür verwendet werden.
- Fußabdruck-Rechner (etwa www.fussabdrucksrechner.at von der TU Graz) nutzen – das bringt Aufschluss über das eigene Verhalten auf Reisen und führt eventuell zu einer Verhaltensänderung.