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Von Macht oder Ohnmacht der Bilder

Grafiken und Illustrationen sollen Wissen auf einen Blick vermitteln. Warum das nicht immer gelingt, ist diesmal Thema beim Wissenschaftstalk „Spontan gefragt“.

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Grafiken, Fotos, Visualisierungen oder Zeichnungen: Täglich stürzt eine Flut an Bildern auf uns herein. Sie sollen uns informieren, bilden oder unterhalten. Doch wann empfinden wir die gezeigten Inhalte als verständlich? Dieser spannenden Frage gehen Forscher*innen auf den Grund. Auch im Wissenschaftstalk „Spontan gefragt“ wird sie zum Thema gemacht. Dazu hat Moderator Markus Hengstschläger die Computerwissenschafterin Laura Koesten von der Universität Wien und den Karikaturisten Michael Pammesberger eingeladen. „Komplexe Inhalte klar und verständlich darzustellen, eint die Karikatur und wissenschaftliche Diagramme oder Tabellen“, stellt Hengstschläger in den Raum. „Warum muss das beforscht werden?“ Es gehe vor allem um die Vermittlung, entgegnet Laura Koesten. „Die erste Frage ist: Was wollen die Leute, die Tabellen, Balkengrafiken oder Diagramme kreieren, damit aussagen? Und genauso wichtig ist, was die Leser*innen davon mitnehmen, und warum. Das gilt es mit verschiedenen Methoden zu erforschen.“ Markus Hengstschläger beschäftigt ein weiterer Punkt. „Warum gibt es immer mehr visuelle Darstellungen“, fragt er. „Liegt es an unserer schnelllebigen Zeit, daran, dass die Menschen nicht mehr so viel lesen wollen?“ Das sei nur ein Aspekt, antwortet die Computerwissenschafterin. „Es gibt aber auch immer mehr Daten, und wir beschäftigen uns als Gesellschaft mit ihnen. Visualisierungen sind eine Möglichkeit, komplexe und große Datenmengen zu kondensieren und verständlich darzustellen.“ An diesem Punkt klinkt sich Michael Pammesberger in das Gespräch ein. „Eine Karikatur kann schon einige Dinge, die ein Text nicht kann“, hält er fest. „Erstens kann sie eine Szene auf einen Blick erfassbar machen. Und zweitens – und das ist der größte Vorteil – vermittelt sie dem Leser und der Leserin gleich: Achtung, Satire! Man muss das nicht erklären.“

Verschiedene visuelle Darstellungen von Daten zur Arbeitslosigkeit in Österreich bzw. der EU

Rezipient*innen als Maßstab  
Dennoch, da sind sich beide Studiogäste einig, darf Visualisierung kein Freibrief dafür sein, zu tun und lassen, was man will. „Beim Erstellen von Grafiken muss man sich schon bewusst sein, wie unterschiedlich sie verstanden werden können, daher muss die Darstellungsform so gewählt werden, dass die gewünschte Aussage transportiert wird“, sagt Laura Koesten. „Der wichtigste Punkt ist allerdings die Datentreue – verfälscht werden dürfe sie nicht.“ Michael Pammesberger sieht da Parallelen zur Karikatur. „Auch ich darf bestimmte Situationen nicht absichtlich missinterpretieren“, sagt er. „Und gut ist eine Karikatur nur, wenn sie verstanden wird und zum Denken anregt.“ Da drängt sich Markus Hengstschläger gleich die nächste Frage auf: „Gibt es absolute No-Gos?“ Es gäbe Tausende Fallstricke, entgegnet Pammesberger lachend. „Zu überladene Zeichnungen, zu viel Text, zu viele Bilder“, zählt er auf. „Ganz wichtig ist, dass verwendete Zitate stimmen, dass man die vorkommenden Personen kennt, aber auch, dass man sich als Karikaturist nicht zu weit vom politischen Diskurs entfernt.“ Auch Laura Koesten hat Beispiele parat. „Ein klassisches Beispiel ist, dass gerne 3D-Darstellungen gewählt werden, weil sie einfach cool sind. Solche Grafiken sind aber schwer zu interpretieren, das zeigen viele Studien“, sagt die Expertin. „Und Farben können zum Problem werden: Oft werden Grafiken möglichst bunt dargestellt, und das lenkt vom Inhalt ab. Die wichtigste Frage ist immer: Für wen gestalte ich die Grafiken? Ist man sich dessen bewusst, geht weniger schief.“ 
Ein letzter Punkt brennt Moderator Markus Hengstschläger noch auf der Seele: „Können Grafiken und Karikaturen auch von künstlicher Intelligenz gestaltet werden?“ Es gebe schon viele Darstellungen von Daten, die durch KI generiert wurden, antwortet Laura Koesten. „Aber die Komplexität der Daten der KI zu vermitteln, ist nach wie vor schwierig“, betont sie. „Man kann Daten nicht als Fakten nehmen, sondern muss wissen, woher sie kommen und in welchem Kontext sie entstanden sind. Wird das nicht verstanden, können sie auch nicht korrekt dargestellt werden – dafür braucht es den Menschen im Hintergrund.“ Auch KI-generierte Karikaturen gebe es schon, erklärt Michael Pammesberger, diese hätten allerdings noch eher den Charakter von Illustrationen. „KI kennt etwa Trump und seine Gegner und kann diese in Interaktion setzen. Aber andere Zusammenhänge herstellen, das ist reine Handarbeit“, erklärt er. „Der wichtigste Punkt aber ist: Der KI fehlt jeglicher Schmäh.“ 

Michael Pammesberger

Der gebürtige Oberösterreicher studierte zwar Rechtswissenschaften, gezeichnet hat er aber schon immer. Als Student besuchte er einen Kurs an der Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg, geleitet von der deutschen Karikaturistin Marie Marcks. Zunächst blieb das Zeichnen ein Hobby, später veröffentlichte Michael Pammesberger immer wieder  Karikaturen. 1991 nahm er an dem Leser-Zeichenwettbewerb der „Oberösterreichischen Nachrichten“ zum Thema „Wer wird nächster Bundespräsident“ teil und zählte zu den Gewinnern. Daraufhin erteilte ihm die Tageszeitung immer wieder Aufträge, die innenpolitische Landschaft zu karikieren, was bei den Leser*innen gut ankam. 1997 wechselte er zum KURIER, wo er bis heute täglich einen Cartoon veröffentlicht.

Laura Koesten

Seit 2021 ist Laura Koesten als Postdoktorandin an der Universität Wien tätig. Ihren Ph.D. erhielt sie am Open Data Institute und der University of Southampton in Großbritannien. In ihrer Forschung untersucht sie, wie Daten von und für verschiedene Nutzergruppen visualisiert, präsentiert, verstanden und verwendet werden. Diesen Fragen geht sie unter anderem in ihrem Projekt „Talking Charts” mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Methoden nach. Um ihr Wissen weiterzugeben, veranstaltet die Expertin Seminare und Workshops für Wissenschafter*innen und Journalist*innen, in denen es um die grafische Präsentation und das Verständnis von Daten geht.

Markus Hengstschläger

Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger studierte Genetik, forschte auch an der Yale University in den USA und ist heute Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien. Der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler forscht, unterrichtet Studierende und betreibt genetische Diagnostik. Er leitet den Think Tank Academia Superior, ist stellvertretender Vorsitzender der 
österreichischen Bioethikkommission, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und Präsident der österreichischen Gesellschaft für Stammzellforschung. Er war zehn Jahre lang Mitglied des Rats für Forschung und Technologieentwicklung und Universitätsrat der Linzer Johannes Kepler Universität. Hengstschläger ist  außerdem Unternehmensgründer, Wissenschaftsmoderator, Autor von vier Platz-1-Bestsellern sowie Leiter des Symposiums „Impact Lech“.