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Von schmutzabweisenden Pfannen und Pinguinen

Sie erleichtern uns gewisse Dinge im Haushalt, und die Industrie setzt sie gerne ein. Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen finden ihren Weg aber auch in das Wasser – und somit bis in die Leber von Tieren in der Arktis und Antarktis.

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Wasser. Ursprung des Lebens. Und Quell allen Lebens. In Österreich sind wir in der glücklichen Lage, über hervorragendes Trinkwasser zu verfügen. Und dennoch: Auch hier sind in ihm Spuren von Chemikalien zu finden. „Sie werden ausgeschwemmt“, erklärt Moderator Markus Hengstschläger bei der Begrüßung des Wissenschaftstalks „Spontan gefragt“, um gleich Julia Derx zu fragen, warum das so sei. „Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, sind chemische Verbindungen, die seit den 1940er-Jahren in vielen Verbrauchermaterialien verwendet werden, weil sie günstige Eigenschaften für viele industrielle Zwecke aufweisen“, erklärt die auf Wasser- und Ressourceneffizienz spezialisierte Bauingenieurin. „Sie werden aber nicht umsonst auch Ewigkeitschemikalien genannt: Sie sind sehr persistent, also schwer abbaubar, und tauchen nun überall in der Umwelt auf.“ Das erschüttert den Winzer Horst Gager: „Ich bin leidenschaftlicher Leitungswassertrinker“, sagt er. „Und als Winzer und Konsument vertraue ich der Qualität – müssen wir uns über die Mengen an PFAS im Wasser Gedanken machen?“ Julia Derx erwidert, dass es noch zu wenig Studien dazu gäbe, aber in einer Untersuchung der Agentur für Gesundheits- und Ernährungssicherheit 582 Trinkwasserproben in Österreich untersucht wurden. In 37% der Proben war zumindest eine der PFAS-Substanzen vorhanden. Für Trinkwasser gibt es derzeit noch keine akkordierte Untersuchungsmethode und Beurteilungsgrundlage. Der Parameter wurde in die EU-Trinkwasserrichtlinie aufgenommen, muss bis 2026 in den Mitgliedstaaten umgesetzt sein und steht nun intensiv unter Beobachtung vonseiten des Gesundheitsministeriums. Markus Hengstschläger hakt ein: „Bei der Vorbereitung zur Sendung habe ich gelesen, dass bei Pinguinen und Eisbären in der Leber bis zu 4000-fach erhöhte Werte festgestellt wurden. Wie kommt das?“ Diese Chemikalien seien schlecht abbaubar, weswegen sie sich in der Umwelt gut verbreiten, so die Forscherin. „Sie akkumulieren sich in Lebewesen und verbreiten sich so über die Nahrungskette“, erklärt Julia Derx. „Wie sich das bei den Eisbären oder Pinguinen auswirkt, weiß man noch nicht, aber mittlerweile sind PFAS auch in den meisten Blutproben von Menschen nachweisbar.“ 

Aktuelle Forschung

Horst Gager führt einen Vergleich mit Wein ins Treffen. „Ein, zwei Glaserln am Tag sind ja durchaus gut, weil Wein gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe enthält, aber mehr ist nicht ratsam, da es Alkohol ist“, sinniert er. „Es kommt also auf die Menge an – ist das bei PFAS auch so?“ Welche Auswirkungen die Chemikalien im Wasser  auf die Gesundheit haben, sei noch nicht restlos geklärt, antwortet Julia Derx. In einem vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds geförderten Projekt geht ein Team, dem auch sie angehört, dieser Frage nach. „Wir testen an Zebrafischen, um die Schädigungen auf unterschiedlichen biologischen Ebenen festzustellen“, erklärt sie. „Die Ergebnisse vergleichen wir dann mit denen menschlicher Zellkulturen.“ Horst Gager erzählt, dass sein Weingut nachhaltig-zertifiziert sei. „Wir nehmen alle Maßnahmen, die wir im Weingarten setzen, genau unter die Lupe und setzen nur Pflanzenschutzmittel ein, die nachweislich zu 100 Prozent abgebaut werden“, sagt der Burgenländer. Nun stehe aber eine Investition im Raum: Geplant sei, ein Gerät zu kaufen, das Wasser mit Ozon anreichert, um die Tanks und Barriquefässer reinigen zu können. „Würde das auch PFAS entfernen?“ „Da ist man mit der Weisheit noch nicht am Ende“, gibt die Wissenschaftlerin zu. Markus Hengstschläger hakt ein: „Sollte der Einsatz von PFAS nicht verboten werden, so wie FCKW wegen des Ozonlochs verboten wurde?“ Das sei eine heikle Frage, erwidert Julia Derx, aber einige PFAS-Substanzen seien bereits nicht mehr erlaubt und es werde über ein generelles Verbot nachgedacht. „In naher Zukunft werden PFAS nur für essenzielle Zwecke eingesetzt werden, aber eine schmutzabweisende Pfanne ist sicher nicht essenziell“, sagt sie und weiter: „Chemikalien sind ja eine tolle Sache, weil sie Nutzen bringen. Es geht darum, gute Alternativen zu finden.“ Um das Problem zu lösen, bedarf es innovativer Konzepte mit gesamtheitlichen Modellen, die den ganzen Wasserkreislauf berücksichtigen, aber das sei nur eine Frage der Zeit, schließt die Forscherin. „Wir machen uns in Österreich keinen großen Kopf 
über unser Wasser“, fasst Horst Gager zusammen. „Das muss sich aber ändern.“

Horst Gager

Seit 2005 führt Horst Gager den Familienbetrieb in Deutschkreutz im Burgenland. So wie schon sein Vater, der diesen mit den Worten „Irgendwann baue ich selbst Wein an“ als Quereinsteiger gründete, erlernte er zunächst einen anderen Beruf. Doch auch bald wusste Gager, dass er nicht als Sanitär- und Heizungstechniker arbeiten wollte. Er übernahm die Verantwortung für die damals 8 Hektar, baute diese auf 38 Hektar aus und spezialisierte sich auf Rotwein. Der Winzer legt großen Wert auf nachhaltige und schonende Verarbeitung. Zu den wichtigsten Rebsorten zählen der Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon, Merlot und auch mittlerweile die Rebsorte Tannat. Das Markenzeichen des Hauses und verantwortlich für den Etikettenauftritt ist die Cuvée Quattro, welche mit dem Jahrgang 1988 als eine der ersten Cuvées in Österreich ihre Karriere startete.

Julia Derx

Ass. Prof. DI Dr. Julia Derx reiste zunächst für ihre Ausbildung in die USA und nach Australien. Als sie nach Wien zurückkehrte, absolvierte sie an der TU Wien das Studium Bauingenieurwesen mit Vertiefung im Bereich Wasser- und Ressourceneffizienz und Hydrometrie. Seit 2021 ist Derx ebendort Assistenzprofessorin am Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie und ist im Leitungsteam des Interuniversitären Kooperationszentrums Wasser und Gesundheit, einer Kooperation von TU Wien, Medizinischer Universität Wien und Karl Landsteiner Universität Krems (waterandhealth.at). Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Untersuchung der dynamischen Wechselwirkung zwischen Flüssen und Grundwasser, in der mikrobiellen und chemischen Verunreinigung von Fluss- und Grundwassersystemen sowie in der Entwicklung neuer Methoden für eine nachhaltige Bewirtschaftung von Trinkwasserressourcen.

Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds

2001 wurde der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) als gemeinnützige Wiener Förderorganisation mit dem Ziel gegründet, die Exzellenz und auch die Relevanz der Forschung in Wien kontinuierlich zu steigern. Seine Hauptaufgabe ist es, herausragende Forschungsarbeiten über kompetitive Forschungsförderung zu unterstützen sowie junge Forschende an den Standort Wien zu binden. Wer unterstützt wird, unterliegt strengen Kriterien: Eine international besetzte Jury entscheidet in einem Auswahlverfahren, welche Projekte  substanzielle finanzielle Unterstützung durch den WWTF erfahren. Anträge werden nur nach Ausschreibungen, sogenannten Calls, entgegengenommen, wobei nur zehn Prozent der Projekte erfolgreich sind. Seit seinem Bestehen hat der WWTF mehr als 230 Millionen Euro an Forscher ausgeschüttet. Unterstützt werden Projekte aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie, Kognitionswissenschaften, Life Science sowie Umweltsystemforschung. Mit der Informationskampagne „Wien will’s wissen“, von der „Spontan gefragt“ einen Teil bildet, will der WWTF die Forschung vor den Vorhang holen: In KURIER TV, profil und KURIER werden wichtige wissenschaftliche Themen unserer Zeit verständlich erörtert und zugleich Forschung, die uns alle betrifft, vorgestellt.