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Von Spitzenfußballern und Cyborgs

Im Wissenschaftstalk „Spontan gefragt“ spricht Markus Hengstschläger mit Austria Wien-Sportdirektor Manuel Ortlechner und Bioinformatiker Christoph Bock über das gigantische Potenzial von Daten.

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Wenn Fußballerinnen und Fußballer heute auf das Spielfeld laufen, beginnen Beschleunigungssensoren, Kameras und ausgeklügelte Software damit, jede Menge Daten zu sammeln. Aber nicht nur im Spitzensport steigt die Menge an Informationen über unsere Welt stark an. Auch im ganz normalen Alltag und in der Forschung ist heute eine gigantische Menge an Daten vorhanden. Wie sich unser Leben, aber auch wissenschaftliche Vorgehensweisen dadurch verändern, darum dreht sich eine neue Ausgabe der Sendung „Spontan gefragt“, die vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) initiiert wurde. Genetiker Markus Hengstschläger hat dazu FK Austria Wien Sportdirektor Manuel Ortlechner und den Bioinformatiker Christoph Bock ins KURIER-TV-Studio geladen.

Ortlechner, der nach seiner Profifußballerkarriere ein Start-up gegründet hat, das eine Art „Tinder für Fußball“ entwickelte, kennt sich mit dem Thema Datensammlung und Auswertung gut aus: „Jeder Fußballer trägt heute so eine Art Sport-BH mit einem Tracker darin. Jede Bewegung von dir wird aufgezeichnet. Nach dem Spiel kannst du also nicht fälschlicherweise behaupten: ‚Ich bin eh viel gelaufen‘.“ Ähnlich verhalte es sich heute in Krankenhäusern, wo Patientinnen und Patienten genauer denn je überwacht werden, sagt Christoph Bock. Tragbare Geräte wie Smart Watches könnten künftig ihren Teil dazu beitragen, Genesungsverläufe nach einer Operation genau mitzuverfolgen und Behandlungenstärker denn je zu personalisieren.

Das individuelle Anpassen von Trainingsmethoden sei auch im Spitzenfußball an der Tagesordnung, meint Ortlechner. „Das ist wichtig für die Belastungssteuerung. Ob ich es schaffe, die Batterien eines Spielers bis zum nächsten Spiel wieder aufzuladen, macht am Ende den Unter-schied aus, wie erfolgreich er ist.“ Bei der Analyse von Daten kommt hier wie dort immer öfter künstliche Intelligenz zum Einsatz.

„KI ermöglicht in Zukunft neue Behandlungen, zum Beispiel die Entwicklung von therapeutischen Impfstoffen zur Krebsbehandlung, ganz individuell für einen spezifischen Patienten“, sagt Bock. Was für die einen überlebenswichtig ist, dient bei anderen zur Selbstoptimierung. Wie Bock schildert, widme sich etwa ein Kongress der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Mitte Oktober dem Thema, wie Technik und Biologie immer mehr zusammenwachsen. Die schillerndste Vision, die sich daraus ergibt, seien Cyborgs. Manche Forscher arbeiten sogar an Computerchips, die mit dem Gehirn kommunizieren und Menschen in Zukunft zusätzliche Fähigkeiten geben könnten. Bock: „Wie wäre es, wenn man sich für den Urlaub eine neue Fremdsprache quasi direkt ins Gehirn lädt?“

Im Fußball sind der Selbstoptimierung freilich Grenzen gesetzt, aber der Druck, immer schneller und besser zu werden, wachse laut Ortlechner im Spitzenfußball. Den Spielerinnen und Spielern sei dies bewusst. Ihre Umgangsformen seien heute komplett unterschiedlich gegen über früher: „Spieler der Kampfmannschaft sitzen nach dem Spiel im Bus und wollen bereits Videos von ihren Spielszenen ansehen und ihre Daten analysieren. Das hat sich brutal verändert, wie reflektiert die Spieler heute sind.“

Wozu das in Zukunft führen wird, das sieht man sich am besten selbst an, bei „Spontan gefragt“ am 28. September um 20.15 auf KURIER TV.

Markus Hengstschläger

Der Genetiker forschte auch an der Yale University in den USA und ist heute Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien. Der vielfach ausgezeichnete Wissenschafter unterrichtet Studierende, betreibt genetische Diagnostik und ist Berater. Er leitet den Thinktank Academia Superior, ist stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und war zehn Jahre lang Mitglied des Rats für Forschung und Technologieentwicklung und Universitätsrat der Linzer Johannes Kepler Universität. Hengstschläger ist außerdem Wissenschaftsmoderator auf ORF Radio Ö1und Autor von vier Platz-1-Bestsellern.

Manuel Ortlechner

Der TSV Ort war der erste Verein, beidem der gebürtige Oberösterreicher seine Fußballkarriere begann. Mit dem SV Riedging es erstmals in die Bundesliga. Über Pasching und Klagenfurt ging es 2009 zum FK Austria Wien, mit dem Ortlechner seine größten Erfolge feierte. 2013 gab es den Meistertitel, im selben Jahr spielte der Verein auch in der Champions League. Auch im Nationalteam kam Ortlechner zum Einsatz. 2015 folgte das Ende der Profikarriere. Der Austria blieb er aber treu. Nach der Gründung des Fußballnetzwerks „Playerhunter“ kehrte Ortlechner 2021 an seine alte Wirkungsstätte zurück und ist seitdem Sportdirektor.

Christoph Bock

Der deutsche Wissenschafter promovierte2008 an der Universität des Saarlandes mit bioinformatischen Arbeiten am Max-Planck-Institut für Informatik. Im Zentrum seines Forschungsinteresses stehen seit dem die Bioinformatik, die Epigenetik und die KI. Christoph Bock arbeitet am CeMM-Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und an der Medizinischen Universität Wien. Für seine Forschungen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt er den Overton-Preis der International Society for Computational Biology und den Erwin-Schrödinger-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds

2001 wurde der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) als gemeinnützige Wiener Förderorganisation mit dem Ziel gegründet, die Exzellenz und auch die Relevanz der Forschung in Wien kontinuierlich zu steigern. Seine Hauptaufgabe ist es, herausragende Forschungsarbeiten über kompetitive Forschungsförderung zu unterstützen sowie junge Forschende an den Standort Wien zu binden. Wer unterstützt wird, unterliegt strengen Kriterien: Eine international besetzte Jury entscheidet in einem Auswahlverfahren, welche Projekte  substanzielle finanzielle Unterstützung durch den WWTF erfahren. Anträge werden nur nach Ausschreibungen, sogenannten Calls, entgegengenommen, wobei nur zehn Prozent der Projekte erfolgreich sind. Seit seinem Bestehen hat der WWTF mehr als 230 Millionen Euro an Forscher ausgeschüttet. Unterstützt werden Projekte aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie, Kognitionswissenschaften, Life Science sowie Umweltsystemforschung. Mit der Informationskampagne „Wien will’s wissen“, von der „Spontan gefragt“ einen Teil bildet, will der WWTF die Forschung vor den Vorhang holen: In KURIER TV, profil und KURIER werden wichtige wissenschaftliche Themen unserer Zeit verständlich erörtert und zugleich Forschung, die uns alle betrifft, vorgestellt.