Univ.-Prof. Dr.Ivona Brandić, TU Wien
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Warum KI beim Thema Nachhaltigkeit nachsitzen muss

Künstliche Intelligenzen (KI) können uns die Arbeit und das Leben erleichtern. Andererseits sind sie enorme Ressourcenfresser, da sie für das Training in großen Rechenzentren mit unzähligen Daten gefüttert werden – und das benötigt sehr viel Strom und Wasser. Was sich in diesem Punkt ändern muss, erklärt Ivona Brandić, Universitätsprofessorin für High Performance Computing Systems an der Technischen Universität Wien.

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Gibt es Berechnungen, die zeigen, wie der Stromverbrauch durch KI angestiegen ist?
Ivona Brandić: Es gibt Vorhersagen, dass etwa die Anwendung von ChatGPT in zwei, drei Jahren so viel Energie benötigt wie ganz Argentinien. Nur für diese eine Anwendung. Berechnungen zufolge wird in Irland, wo es besonders viele Rechenzentren gibt, in absehbarer Zeit ein Drittel der vorhandenen Energie für diese benötigt. Man kann sich das so vorstellen: Wir haben eine Erde, deren Energie für den privaten Bereich der Menschen, also für Heizen oder Kochen, ausreicht. Nun kommt aber weiterer Bedarf hinzu – es wird quasi eine zweite Erde nur für die IT benötigt. Doch mit der Energie allein ist es ja nicht getan. Die großen Rechenzentren verschlingen weitere Ressourcen: Wasser zur Kühlung oder Boden wird benötigt, und das bedeutet wiederum Versiegelung von Flächen. In Iowa ist es etwa kurzfristig beim Training von Google Bard in einigen Bezirken zu Wasserknappheit gekommen, weil die Rechenzentren so viel für die Kühlung benötigt haben. Es sind also viele Dimensionen, die sich beim Aufbau von Rechenzentren als problematisch erweisen.  

Da stellt sich schon die 
Frage, ob wir uns KI leisten können …
Tatsächlich werden wir KI für eine lebenswerte Welt benötigen. Denn um Überflutungen vorherzusehen, Dürren besser handhaben zu können, das Schmelzen der Gletscher nachvollziehen zu können oder die Landwirtschaft an die veränderten Begebenheiten anzupassen, wird es ohne IT und KI nicht gehen. Die großen Durchbrüche liegen nicht darin, dass ChatGPT einen Aufsatz schreiben kann, sondern dass KI die personalisierte Medizin verbessern kann oder als Technologie dazu führt, Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen zu können. Deswegen ist es nötig, die künstliche Intelligenz nachhaltig zu gestalten.

Univ.-Prof. Dr. Ivona Brandić, TU Wien

Wie kann das funktionieren?
Einerseits haben wir immer bessere Hardware, die weniger Strom benötigt. Selbst wenn diese effizienter sind, haben wir andererseits immer mächtigere Anwendungen, die enorm viele Ressourcen benötigen. Es benötigt also ein Umdenken in ganz vielen Bereichen. Es muss etwa in die Bildung investiert werden: Es reicht nicht, den Kindern und Jugendlichen die Anwendung von Endgeräten zu zeigen, das können sie ohnehin. Sie müssen verstehen, wie KI im Hintergrund funktioniert, welche Denkmodelle dahinterstecken. Denn sie sind die Entscheidungsträger von morgen, und deswegen müssen sie die Systeme verstehen. Daran hapert es aber. Zweitens muss in die Forschung investiert werden. Ich beschäftige mich etwa mit hybriden Modellen von Rechenzentren. Dabei kommen neben klassischen Computern, die mit dem binären System arbeiten, Quantencomputer zum Einsatz. Diese arbeiten mit den physikalischen Phänomenen von Atomen, sind enorm energieeffizient und für bestimmte Aufgaben sehr gut geeignet. Die Wissenschaft ist in der Lage, die zweite Schraube, an der gedreht werden muss, also die Technik, schnell zu verbessern. Die dritte und wahrscheinlich wichtigste ist aber, dass wir unsere Wirtschaft transformieren müssen.

Inwiefern?
Wir haben verschiedene Stufen der Industrialisierung: die Mechanisierung, die Elektrifizierung, die Computerisierung, und jetzt befinden wir uns in der Digitalisierung. Die 5. Stufe ist die Ökologisierung und Personalisierung unserer Systeme – und zu dieser Industrie 5.0 müssen wir rasch kommen. Selbst wenn sich alle mit Händen und Füßen dagegen wehren, wird es nötig sein, von großen kommerziellen Unternehmen bis in das letzte Eck Transparenz zu verlangen. Sie müssen bei allem, was sie tun, ihren CO2-Fußabdruck offenlegen. Werden davon Förderungen, Kredite und Zuschüsse abhängig gemacht, denken rasch alle nach, wie sie ihren Umgang mit Ressourcen verbessern können. Natürlich ist es schwierig, das weltweit durch-
zusetzen, aber ohne eine Wirtschaftstransformation wird es nicht gehen. Sie ist in meinen Augen unumgänglich. Dennoch würde ich nicht pessimistisch in die Zukunft schauen. Wir werden vom Effizienz- zum Suffizienzgedanken kommen und uns fragen, was und wie viel digitalisiert werden muss, um ein balanciertes Leben für die Menschen auszubauen. Davon bin ich überzeugt.