Entgeltliche Kooperation

Wenn Netzwerkwissenschafter*innen networken

Vom 10. bis 14. Juli fand in Wien die NetSci 2023 statt. Bei dieser bis dato weltweit größten Konferenz der Netzwerkforschung kamen über 850 Wissenschafter*innen aus rund 50 Ländern zusammen, um sich auszutauschen

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Der menschliche Körper, das Bankwesen, die künstliche Intelligenz, ja, so-gar das soziale Miteinander: Es gibt wohl kaum einen Bereich, der nicht von Netzwerken durchdrungen ist. Und diese Netzwerke sind höchst komplex. Fällt beispielsweise eine einzelne Firma in einem Liefernetzwerk aus, betrifft das nicht nur die unmittelbaren Handelspartner*innen, sondern auch ihre Zulieferer*innen und deren Zulieferer*innen und so weiter. Auf diese Weise können sich Ausfälle mitunter weltweit verbreiten. „Deshalb ist es essenziell, dass wir unsere Netzwerke kennen und verstehen, wie sie funktionieren – im Bereich der Versorgungssicherheit, aber auch weit darüber hinaus, etwa wenn wir nachvollziehen wollen, wie sich Meinungen in der Gesellschaft bilden“, erklärt Stefan Thurner, Präsident des Complexity Science Hub und Veranstalter der NetSci 2023. „Netzwerke und Networking sind Schlagworte, die jede*r kennt – nicht umsonst, denn das Wissen über soziale oder wirtschaftliche Strukturen kann die Effizienz erheblich steigern“, sagt der Wirtschaftsphysiker János Kertész, Professor an Central European University (CEU) und Mitorganisator der NetSci 2023. „Die Netzwerkwissenschaft hat deshalb in den letzten Jahrzehnten eine explosionsartige Entwicklung erfahren.“

Interessante Erkenntnisse
Austausch ist für Wissenschafter*innen von großer Bedeutung und sozusagen das Herzstück des akademischen Lebens. Doch genau hier liegt die Crux: Da Netzwerkforscher*innen aus den unterschiedlichsten Disziplinen kommen, finden sie dazu kaum die Möglichkeit. Die NetSci, die heuer vom Complexity Science Hub (CSH) gemeinsam mit der CEU veranstaltet wurde, will genau hier Abhilfe schaffen. „Die NetSci ist zweifellos die größte und wichtigste Veranstaltung in der Netzwerkwissenschaft“, betonte Thurner bereits im Vorfeld der Konferenz. „Ich freue mich besonders auf die neuen Ideen, die unter den Teilnehmer*innen entstehen und zur Weiterentwicklung dieses spannenden Forschungsgebietes beitragen werden.“ Und genau so war es dann auch. Forschende aus Informatik, Physik, Medizin, Wirtschaft und Kunst kamen auf der NetSci 2023 zusammen und nahmen an dem umfassenden Programm, bestehend aus Expert*innenvorträgen, Podiumsdiskussionen und Talks teil. Wie interdisziplinär die Netzwerksforschung ist, zeigten die sieben Hauptredner. So führte etwa der israelische Physiker Shlomo Havlin aus, wie anfällig Netzwerke in den Netzwerken sind. Die Psychologin Mirta Galesic, die gemeinsam mit Henrik Olsson das neue Forschungsteam „Collective Adaption“ am Complexity Science Hub leitet, hingegen beschäftigt sich mit sozialen Phänomenen, nämlich wie Menschen ihre Netzwerkstruktur verändern. „Nehmen wir zum Beispiel den Klimawandel, Waffengesetze oder Konflikte zwischen Gruppen. In Zukunft wird es umso wichtiger sein, zu verstehen, wie Kollektive sich verändern und Entscheidungen treffen“, erklärt sie in ihrer Keynote. 

Starkes Zeichen
Die Idee der NetSci, Forschende aus allen Disziplinen zu verbinden, gipfelte in der Initiative Open Arms Grant. Wissenschaftliche Konferenzen sind für die Teilnehmer*innen unerlässlich, dienen sie doch nicht nur dem Gedankenaustausch, sondern sind für das Knüpfen von Kontakten und bei der Suche nach Mitarbeiter*innen oder Förderungsmöglichkeiten wichtig. Doch sie sind auch teuer und nicht alle Forscher*innen können es sich leisten, daran teilzunehmen. Die Initiative Open Arms Grant setzte genau da an: Dank dieses Stipendiums konnten zehn Menschen aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen die NetSci 2023 besuchen. Unter ihnen war Nelson aus Kolumbien. „Durch die Teilnahme an der NetSci 2023 und den Austausch mit anderen Forscher*innen kann ich in meinem Land eine stärkere Netzwerk-Wissenschaftsgemeinschaft aufbauen. Auf diese Weise kann ich Wissen und Lösungen für unsere regionalen Herausforderungen vermitteln“, sagte er.

Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds

2001 wurde der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) als gemeinnützige Wiener Förderorganisation mit dem Ziel gegründet, die Exzellenz und auch die Relevanz der Forschung in Wien kontinuierlich zu steigern. Seine Hauptaufgabe ist es, herausragende Forschungsarbeiten über kompetitive Forschungsförderung zu unterstützen sowie junge Forschende an den Standort Wien zu binden. Wer unterstützt wird, unterliegt strengen Kriterien: Eine international besetzte Jury entscheidet in einem Auswahlverfahren, welche Projekte  substanzielle finanzielle Unterstützung durch den WWTF erfahren. Anträge werden nur nach Ausschreibungen, sogenannten Calls, entgegengenommen, wobei nur zehn Prozent der Projekte erfolgreich sind. Seit seinem Bestehen hat der WWTF mehr als 230 Millionen Euro an Forscher ausgeschüttet. Unterstützt werden Projekte aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie, Kognitionswissenschaften, Life Science sowie Umweltsystemforschung. Mit der Informationskampagne „Wien will’s wissen“, von der „Spontan gefragt“ einen Teil bildet, will der WWTF die Forschung vor den Vorhang holen: In KURIER TV, profil und KURIER werden wichtige wissenschaftliche Themen unserer Zeit verständlich erörtert und zugleich Forschung, die uns alle betrifft, vorgestellt.