Spontan gefragt
Mikroplastik ist mittlerweile auch in unseren Böden zu finden. In „Spontan gefragt“ geht es um die Auswirkungen.

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Man findet sie in Zahnpasta, Waschmitteln, Babywindeln – und auch im Meer oder in unseren Böden. Die kleinen Kunststoffteilchen sind problematisch, da sie schwer abbaubar sind. Ein vom WWTF gefördertes Forschungsprojekt will herausfinden, in welcher Häufung Mikroplastik in den Böden des urbanen Bereichs sowie am Land zu finden ist. Markus Hengstschläger, Moderator des Wissenschaftstalks „Spontan gefragt“, hat dazu die Studienleiterin Katharina Keiblinger von der BOKU University sowie den Autor und Comedian Marc Carnal ins Studio eingeladen. „Worum geht es in dem Projekt genau?“, will er von der Wissenschafterin wissen. Einerseits sei es eine Bestandserhebung der Böden in den Wiener Stadtgärten, antwortet Katharina Keiblinger, aber „wir untersuchen auch, wie die Mikroplastikkontamination in Waldböden aussieht, um herauszufinden, ob es einen Zusammenhang der Quellen gibt“. Eine wesentliche Komponente sei auch, wie sich Mikroplastik in seiner Toxizität auswirkt, ergänzt sie. Woher es denn komme, will Marc Carnal wissen: „Trage ich etwa dazu bei, wenn ich mit einem Messer auf einem Plastikbrett schneide und so Partikel abreibe?“ Die Forscherin bestätigt das, wobei sie viel ursächlichere Quellen kennt. „Klassische Formen der Kontamination sind Rückstände von Waschmitteln, die über das Abwasser und den Klärschlamm in den Boden geraten“, so Keiblinger. „Der wohl wesentlichste Eintrag im städtischen Bereich ist aber der Individualverkehr.“ Der Abrieb von Autoreifen werde über Wind oder Regen verteilt und lande so im Boden, erklärt Keiblinger. „Wenn wir Plastik wegwerfen, trägt das wohl auch dazu bei?“, fragt Markus Hengstschläger nach. Eine korrekte Mülltrennung sei enorm wichtig, erwidert die Wissenschafterin: „Man denke an die Kunststoffkleber auf Obst oder Gemüse: Die landen oft im Biomüll, der kompostiert wird.

Katharina Keiblinger

Katharina Keiblinger

Katharina Keiblinger ist Bodenmikrobiologin an der BOKU University. Sie leitet eine Forschungsgruppe am Institut für Bodenforschung und ist in Forschung, Lehre und internationalen Kooperationen aktiv. Ihr wissenschaftlicher Fokus liegt auf der Rolle mikrobiologischer Prozesse in Kohlenstoff- und Stickstoffkreisläufen und deren Bedeutung für Bodengesundheit, Biodiversität, Klimaschutz sowie nachhaltige Landwirtschaft. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Renaturierung degradierter Böden mithilfe naturbasierter Lösungen, wobei partizipative Ansätze und interdisziplinäre Zusammenarbeit eine zentrale Rolle spielen. Für ihre wissenschaftlichen Leistungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

Wird er in den Stadtgärten verwendet, wird der Boden ebenfalls kontaminiert. Oder wenn man Kunststofffolien verwendet, um Unkräuter in Beeten zu unterdrücken.“ Marc Carnal will wissen, ob Mikroplastik mittlerweile auch im menschlichen Körper zu finden sei. Das sei nicht ihr Spezialgebiet, erwidert Keiblinger: „Aber ich gehe davon aus, dass es nichts mehr gibt, wo keine Mikrokunststoffe nachgewiesen werden können.“

Marc Carnal

Marc Carnal

Der gebürtige Schweizer lebt als freier Autor und Comedian in Wien. So schreibt er satirische Kolumnen für FM4, Glossen und Kommentare in der „Tagespresse“, aber auch Theaterstücke, Hörspiele, Romane sowie Drehbücher. Carnal ist unter anderem Head-Autor und Gestalter der ORF-Late-Night-Show „Willkommen Österreich“ mit Stermann und Grissemann. Seine Radiohörspiele „Die Hochzeit“  und „Das Begräbnis“ sind in Reimform gehalten und wurden vom Publikum zum „Ö1 Hörspiel des Jahres“ gewählt. Im März dieses Jahres feierte Carnal mit seinem ersten Kabarettprogramm „Gott live“ Premiere.

Große Auswirkungen

Markus Hengstschläger führt wieder zum Forschungsprojekt zurück. „Welche Auswirkungen hat Mikroplastik im Boden?“, will er wissen. Es verändere die Bodenfunktion, erwidert Katharina Keiblinger. „Es kann etwa die Wasserspeicherung hemmen, hat aber auch Auswirkungen auf die Bodenlebewesen sowie das Wurzelwachstum“, so die Forscherin. „Was man nicht vergessen darf, ist, dass es auch ein Trägerstoff ist“. Auf Mikroplastikpartikeln können Schadstoffe weitertransportiert und so in die Pflanze gelangen oder von Bodenorganismen aufgenommen werden. Keiblinger: „Wenn man bedenkt, dass 95 Prozent unserer Nahrungsmittel auf einem Boden wachsen, ist das von hoher Relevanz.“  Da kommt Marc Carnal ein Gedanke. „Es klingt utopisch, aber kann man nicht irgendwelche Lebewesen züchten, die sich von Mikroplastik ernähren?“, fragt der Autor. „Klingt absurd, aber es wäre eine tolle Lösung.“ Katharina Keiblinger lächelt. „Es gibt tatsächlich Organismen, die Polymere abbauen können“, erwidert sie. „Allerdings benötigen sie besondere Lebensbedingungen und können die Menge der Kunststoffe in unseren Böden kaum bewältigen.“ Was man sonst tun könne, hakt Markus Hengstschläger ein. Es sei Ziel des Forschungsprojekts, das herauszufinden, so die Wissenschafterin. „Wir testen etwa sogenannte Soil Supplements, also Bodenhilfsstoffe.“ Nachdem es nicht möglich sei, Mikroplastik aus dem Boden zu filtern, liege die Hoffnung darin, ihre Wirkung abzuschwächen. „Pflanzenkohle oder vor allem Zeolith könnten Schadstoffe, teilweise sogar die Partikel selbst aus dem Boden binden, was einen positiven Effekt auf das Bodenleben hätte“, sagt Keiblinger. Marc Carnal denkt weiter: „Es müsste auch Maßnahmen geben, dass es gar nicht erst so weit kommt“, betont er. Das sei richtig, bestätigt die Wissenschafterin. „Auch eine Kennzeichnungspflicht wäre wichtig“, schließt Katharina Keiblinger das Thema ab. „Denn dann können die Konsument*innen ihren Teil dazu beitragen, dass weniger Mikrokunststoffe in die Umwelt gelangen.“

Markus Hengstschläger

Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger studierte Genetik, forschte auch an der Yale University in den USA und ist heute Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien. Der vielfach ausgezeichnete Wissenschafter forscht, unterrichtet Studierende und betreibt genetische Diagnostik. Er leitet den Thinktank Academia Superior, ist stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Stammzellforschung. Er war zehn Jahre lang Mitglied des Rats für Forschung und Technologieentwicklung und Universitätsrat der Linzer Johannes Kepler Universität. Hengstschläger ist außerdem Unternehmensgründer, Wissenschaftsmoderator, Autor von vier Platz-1-Bestsellern sowie Leiter des Symposiums „Impact Lech“.