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Zahlen als Wissenslieferanten

Eine evidenzbasierte Forschung braucht gute Daten. Erst wenn diese verfügbar sind, ermöglichen sie die Beantwortung vieler Fragen.

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Von der Bildung über den Arbeitsmarkt bis hin zu gesundheitspolitischen Fragen: Viele wissenschaftliche Projekte benötigen zur Beantwortung ihrer Fragestellungen statistische Daten. „Registerforschung ist Forschung mit im Zuge staatlicher Verwaltungstätigkeit entstandenen und erhobenen Datensätzen, die personen- und/oder unternehmensbezogene Informationen beinhalten“, erklärt Harald Oberhofer, Professor für Empirische Wirtschaftsforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien. „Die benötigten Daten werden aufgrund gesetzlicher Vorgaben von der Statistik Austria erhoben oder als Verwaltungsregister von öffentlichen Stellen geführt.“ Lange Zeit standen die benötigten Daten der Wissenschaft nicht zur Verfügung. „Die Forscher*innen konnten nur auf aggregierte, also zusammengefasste Versionen zugreifen“, sagt Oberhofer. „Registerforschung benötigt aber die Rohdaten, die aus dem Register kommen.“ Zwar erfolgte 2018 eine Novellierung des Forschungsorganisationsgesetzes, durch die der Wissenschaft Registerdaten des öffentlichen Sektors theoretisch zur Verfügung gestellt werden konnten. „In der Praxis hat sich das Gesetz allerdings nicht bewährt“, betont Harald Oberhofer. „Gemeinsam mit Kolleg*innen haben wir die Plattform Registerforschung gegründet, um uns in den öffentlich-politischen Diskurs einzubringen, unter welchen Voraussetzungen Registerforschung in Österreich möglich ist.“

Erster Durchbruch
Im Februar 2022 wurde schließlich eine Novelle des Bundesstatistikgesetzes beschlossen und das Austrian Micro Data Center gegründet. „Registerdatenforschung ist nun in Österreich grundsätzlich möglich, die Forschungseinrichtungen müssen sich dazu allerdings akkreditieren“, erklärt Oberhofer. „Dann können Forscher*innen, die in dieser Institution tätig sind, bei dem Austria Micro Data Center ihre Projekte einreichen und müssen begründen, warum sie diese sensiblen Daten benötigen.“ So konnte der Professor für Empirische Wirtschaftsforschung gemeinsam mit Kolleg*innen am WIFO eine wissenschaftliche Untersuchung durchführen, die sich fragt, ob die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen, die in international agierenden österreichischen Unternehmen beschäftigt sind, besser ist als in solchen, die rein am heimischen Markt tätig sind. „Dafür waren zunächst Datensätze nötig, die Merkmale zu Unternehmen beinhalten“, so der Wissenschafter. „Diese wurden dann mit den Datensätzen zu den Beschäftigten in diesen Unternehmen verknüpft.“
Dennoch sind für die Registerforschung noch nicht alle Wege geebnet. „Der Wissenschaft werden alle Daten, die von der Statistik Austria aufgrund gesetzlicher Vorgaben erhoben werden, zur Verfügung gestellt“, so Oberhofer. „Darüber hinaus können auch Register zur Verfügung gestellt werden, wobei der*die zuständige Ressortminister*in gemeinsam mit dem Wissenschaftsminister eine Verordnung erlassen muss.“ Vor allem sei deshalb die Forschung mit Gesundheitsdaten in Österreich immer noch kaum möglich, da hier die Verordnung des Gesundheitsministeriums und der Sozialversicherungsträger fehle.

Blick nach vorne
Dieser letzte Schritt muss noch getan werden, um Registerforschung in Österreich so zu ermöglichen, wie sie beispielsweise in den skandinavischen Ländern seit mehr als 20 Jahren erfolgt. „Nicht umsonst gibt es sehr viel Forschung von amerikanischen Top-Wissenschafter*innen etwa zu wirtschaftspolitischen Fragen in Dänemark“, betont Harald Oberhofer. „Dann sind auch internationale Vergleiche möglich.“ Etwa wie die Fragestellung, der sich der Wissenschafter nun widmen möchte. „Es geht um die intergenerationelle Mobilität in Österreich“, erklärt Oberhofer. „Wir wollen untersuchen, wie sich sozioökonomische Ausprägungen der Eltern auf die nachfolgende Generation auswirken.“ Untersucht soll etwa werden, ob das Einkommen der Eltern maßgeblich bestimmt, welches Einkommen die Kinder erzielen können. „Soweit es möglich ist, wollen wir auch das Krebsregister verwenden und untersuchen, wie stark die Erkrankung über Generationen in einer Familie korreliert ist“, so Oberhofer. „Wenn wir die Ergebnisse dann international vergleichen, könnten interessante Resultate herauskommen – etwa ob unser Sozialstaat die intergenerationelle Mobilität im Einkommen und der Gesundheit befördert.“