Pfandleihe

​​Bares für Wahres

Die Pfandleihe ist die älteste Form der Kreditvergabe – und leidet dennoch unter Imageproblemen. Zu Unrecht. Das Prinzip „Geld gegen Pfand“ kann in vielen Fällen die beste Alternative für eine kurzfristige Finanzierungsüberbrückung sein.

Drucken

Schriftgröße

Dorotheer Gasse 17, Dienstagnachmittag. Im Wiener Stammhaus des Marktführers der heimischen Pfandleihe-Branche nimmt der Schatzmeister den Inhalt einer Schmuckschatulle unter die Lupe. Für einen Brillantring, eine Kette aus Halbedelsteinen und ein paar Ohrstecker mit Grandeln geht die elegant gekleidete Dame mit 710 Euro nach Hause. Frau R. ist Stammkundin im Dorotheum: Reißt eine unerwartete Ausgabe ein Loch in ihr Budget, überbrückt sie die magere Zeit bis zur nächsten Pensionsüberweisung mit dem verpfändeten Schmuck. Hat sie wieder genug Bargeld flüssig, holt sich Frau R. Ring, Kette und Co. vor Ablauf der (verlängerbaren) Drei-Monats-Frist wieder. Dafür bezahlt sie ein Prozent monatliche Zinsen und 1,25 Prozent Manipulationsgebühr. 

„Der Schmuck bleibt in der Zeit der Aufbewahrung Frau R.s Eigentum“, erklärt Bereichsleiter Michael Holubowsky. Er kümmert sich im Dorotheum seit 42 Jahren um die Pfandleihe, war zuvor Schätzmeister, Revisionist, Filialleiter. Frau R. ist eine typische Kundin, sagt er: „Viele sind nicht mehr ganz jung, haben schon Vermögenswerte erarbeitet und schätzen unsere seriöse Expertise.“ Belehnt werden in den österreichweit 25 Dorotheum-Filialen hauptsächlich Schmuck und Uhren, neuerdings auch wertvolle Handtaschen, „da gibt es ja Sammlerstücke, die 40.000, 50.000 Euro wert sind.“ Das durchschnittliche Darlehen beträgt rund 800 Euro, 90 Prozent der Pfandstücke werden zeitgerecht wieder ausgelöst. Als Gedächtnisstütze helfen App und SMS-Service. „Zu uns kommen Menschen aller Gesellschaftsschichten, um finanzielle Engpässe zu überbrücken“, so Holubowsky. 

Schnell und unbürokratisch 

„Als kurzfristige Alternative hat die Pfandleihe viele Vorteile“, sagt Roland Brandt vom WKO-Verband der Fachdienstleister. „Die Branche hat sich nicht umsonst seit vielen Jahrhunderten gehalten.“ Wer schnell (Bar-)Geld braucht, bekommt es beim Pfandleiher rasch und unbürokratisch, ohne sich zu verschulden oder seine Bonität zu gefährden. Verpfändet werden kann praktisch alles: vom Smartphone bis zum Familienschmuck, vom Musikinstrument bis zur Münzsammlung, vom Kraftfahrzeug bis zur Lebensversicherung. 

Doch wie entscheidet man, wem man seine Wertsachen anvertraut – und wie kritisch muss man bei der Auswahl des Kreditgebers sein? Als Kund:in gäbe es nicht viel zu befürchten, beruhigt Fachverbands-Geschäftsführer Alexander Kern: „Beim Pfandleiher überschneiden sich Konsument:innenschutz und Eigeninteresse. Ein schlecht verwahrtes Pfand oder eine falsche Schätzung würden den Pfandleiher selbst schädigen. Zugleich ist die Dienstleistung extrem transparent: Die Zinsen und Gebühren der einzelnen Anbieter sind leicht vergleichbar, versteckte Stolperfallen wegen der Einfachheit des Geschäftsmodell ausgeschlossen.“ Ungefähre Orientierung: Im Schnitt kann man am Markt mit einem Darlehen im Wert von 30 bis 80 Prozent des gepfändeten Gegenstands rechnen. Die dafür fälligen Zinsen sind höher als bei einem Bankkredit, dafür trägt der Pfandleiher aber auch das alleinige Risiko, falls er auf dem Pfand sitzen bleibt. Und: Die Geschäftsordnung muss behördlich genehmigt werden.

Von iPhone bis van Gogh 

Von den rund 100 Anbieter:innen in Österreich sind nur wenige auf Pfandkredite spezialisiert – so wie die Pfandleihanstalt von Erika Martetschläger, das älteste private Pfandhaus im Land. Bei ihr werden seit 1975 vor allem Autos und Lebensversicherungen belehnt. Für den Rest der Anbieter:innen ist die Pfandleihe meist nur eines von mehreren Standbeinen. Etwa für den einst staatlichen, 300 Jahre alten Platzhirsch Dorotheum, über den eine geschätzte Hälfte der Gesamtjahresumsätze läuft (offizielle Zahlen existieren nicht). Weil seriöse Pfand-Schätzungen viel Fachwissen erfordern, ist die Pfandleihe oft ein Service-Angebot von Juwelier:innen und Antiquitätenhändler:innen. 

Doch der Markt ist breit und reicht vom Mikrokredit für Handys oder Spielkonsolen bis zum Millionenkredit. Um für Neuanschaffungen liquide zu sein, verpfänden Oldtimer-, Uhren- oder Kunstliebhaber:innen nämlich oft ganze Sammlungen. Spezialisten wie die US-amerikanische Citibank oder die Privatbank Berlin bieten Kunstsammler:innen „Art Loans“ ab fünf Millionen Dollar an – und beleihen dafür Originale von van Gogh, Picasso oder Warhol. Noch einen Schritt weiter geht die Genfer Privatbank Reyl & Cie AG, die durch Kunstwerke besicherte Wertpapiere im Portfolio hat.

Online geht's noch anonymer

Deutlich massentauglicher ist das Angebot der österreichischen Online-Pfandleihe Cashy. „Als wir 2019 losgelegt haben, fanden wir das Konzept Pfandleihe enorm attraktiv, aber ein bisschen antiquiert“, sagt Gründer Patrick Scheucher. „Darum haben wir von Anfang an digital gedacht.“ Wer möchte, kann Smartphone, Tablet oder Goldmünzen daheim auf der Couch online verpfänden und per Post versenden. „Ich habe davor zehn Jahre bei unterschiedlichen Banken im Kreditrisikomanagement gearbeitet“, sagt Scheucher, der zugleich Vorsitzender im Fachausschuss ist. „Aber kein Finanzierungsinstrument ist so einfach, transparent und schnell wie die Pfandleihe.“ Inzwischen beträgt das Transaktionsvolumen von Cashy über 50 Millionen Euro, in mehr als 47.000 Transaktionen wurden bereits über 50.000 Gegenstände verpfändet. Bandbreite: vom Mikrokredit für Jugendliche bis zum Rettungsring für Unternehmen, die ihre Gehälter wegen offener Forderungen nicht zeitgerecht auszahlen können. 

Doch funktioniert das wirklich? Für unser gewähltes Pfand, ein MacBook Air aus 2022, gab profil Extra im anonymen Test bei Cashy zuerst alle technischen Daten ein, lud dann ein Handy-Foto davon hoch und forderte kecke 1.000 Euro. Nach einer Rückfrage per Mail – wir hatten die Größe des Arbeitsspeichers nicht korrekt angegeben – kam schon Minuten später die verbindliche Kreditzusage. Die angebotenen 500 Euro (Gebühren für 30 Tage: 36,50 Euro) mussten wir allerdings ablehnen. Sonst hätte diese Geschichte nicht fertiggetippt werden können.

 

Text: Alexander Lisetz