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ETFs: Passiv, breit und billig

Einst ein Geheimtipp von Börsenprofis, erleichtern sie heute auch Kleinanleger:innen den Einstieg in den Kapitalmarkt. Doch was steckt hinter dieser kostengünstigen und unkomplizierten Spar- und Investmentform?

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Hart verdientes Geld scheint derzeit an Schwindsucht zu leiden. Niedrige Zinsen und die hohe Inflation lassen am Sparbuch geparkte oder am Girokonto zwischengelagerte Ersparnisse wegschmelzen wie der Klimawandel die Gletscher. Als Gegenmittel für den (gar nicht mehr so) schleichenden Wertverlust und als Instrument zum Vermögensaufbau und zur langfristigen Vorsorge haben sich in den letzten Jahren Exchange Traded Funds – kurz ETFs – beliebt gemacht.

Vergleich macht reich

Die guten Gründe für die Wahl dieser Anlageform sind vielfältig. Ganz oben auf der Liste: die geringen Kosten. ETFs sind deutlich günstiger als aktiv gemanagte Fonds. Während die jährlichen Verwaltungskosten für Fonds mit aktivem Management in der Regel 1,5 bis zwei Prozent des verwalteten Vermögens betragen, liegen die Gebühren für ETFs meist zwischen null und 0,5 Prozent. Über die Jahre macht das viel aus – zumal meist noch ein saftiger Ausgabeaufschlag des Fondsverkäufers dazukommt. Die Finanzfluss-Finfluencer haben beispielhaft errechnet, dass sich bei einem Investment von 50.000 Euro über zehn Jahre ein Unterschied beim Endvermögen von 11.175  Euro (ohne Ausgabeaufschlag für den Fonds) bis 15.400 Euro (mit Ausgabeaufschlag) zwischen Fonds und ETF ergeben kann, bei gleicher angenommener Rendite. Sie hatten dafür den weit verbreiteten DWS Vermögensbildungsfonds I mit einem MSCI-World-ETF von HSBC verglichen, nachzuschauen auf tinyurl.com/fondskosten.

ETFs sind zudem einfacher und flexibler handelbar. Man kann sie leicht selbst (ver)kaufen. Denn sie werden über die Börse gehandelt und zwar, anders als herkömmliche Fonds, nicht nur einmal pro Tag. Ein weiteres Plus: ihre Transparenz. Bei ETFs, die einen bekannten Index nachbilden, kann man sich im Netz jederzeit über ihre Zusammensetzung informieren. Bei aktiven Fonds sind dagegen meist nur die zehn größten Positionen des Portfolios monatlich abrufbar. 

Gemein mit herkömmlichen Investmentfonds haben ETFs, dass sie den Rechtsstatus eines Sondervermögens genießen. Falls Bank oder Broker zahlungsunfähig werden sollten, sind ETF-Anteile davon nicht betroffen. Deshalb und auch wegen der strikten Auflagen gelten ETFs grundsätzlich als eines der sichersten Produkte am Kapitalmarkt. Achtung nur: Der Begriff ETF ist rechtlich nicht geschützt und darf frei verwendet werden. „Echte“ ETFs sind an ihrem Status als UCITS-Fonds aber leicht erkennbar. 

Sicher, aber keine Überrendite

Und wie steht es mit der Rendite? Zugegeben: Den Markt schlägt man mit einem ETF nicht. Aber dafür kann er sich – anders als Fondsmanager:innen – auch nicht schlechter machen. Das liegt an der DNA eines ETFs: Er ist so etwas wie der kleine Bruder, der dem großen alles nachmacht. Anders gesagt: Er bildet die Wertentwicklung des ihm verwandten Index automatisiert ab. Steigt der Index, steigt auch der Wert des an ihn gekoppelten ETFs. 

Eine Renditegarantie gibt es natürlich keine. Der Index kann schließlich auch sinken und bei ETFs werden keine aktiven, gezielten Anlageentscheidungen getroffen, um auf solche Marktschwankungen zu reagieren. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass auch Fondsmanager:innen in Crashphasen selten den rechtzeitigen Ausstieg schaffen und es oft auch nicht hinbekommen, gleich einzusteigen, wenn es wieder bergauf geht. Statistisch haben ETFs deshalb langfristig meist eine bessere Renditeentwicklung als aktive Fonds.

Als Leitplanken für das passive ETF-Managementprinzip dienen etwa der österreichische Aktienindex ATX, der amerikanische S&P 500 oder auch der MSCI-World-Index. Sie spiegeln jeweils die Wertentwicklung der in ihnen gelisteten Aktienunternehmen wider. Beim ATX sind das die 20 größten börsennotierten Unternehmen Österreichs, beim MSCI World rund 1.430 Unternehmen aus 23 Industrieländern. Wer einen FTSE-All-World-ETF kauft, partizipiert sogar an der Wertentwicklung von 4.300  Unternehmen aus 49 Industrie- und Schwellenländern. Eine so breite Risikostreuung ist mit dem Kauf von Einzelaktien nur mit einer sehr großen Investmentsumme und hohen Kosten zu erreichen.

Die Beispiele zeigen aber auch, dass nicht jeder ETF die gleiche Risikostreuung bietet. Sie hängt vom Index ab. Für den langfristigen Vermögensaufbau und die Altersvorsorge sollte man ETFs wählen, die sich auf große, marktbreite und gut diversifizierte Indizes beziehen. Je mehr verschiedene Aktien aus möglichst vielen Branchen und Ländern enthalten sind, desto besser. So hätten Investor:innen über die vergangenen vier Jahrzehnte mit einem weltweiten Aktienkorb eines „Brot&Butter“-ETFs wie dem MSCI World eine Durchschnittsrendite von gut sieben Prozent pro Jahr erzielt. Minimiert wird die Gefahr von Verlusten zusätzlich, indem man auf ETFs mit großem Volumen setzt, die zudem schon länger am Markt etabliert sind. Sie haben dann auch meist den Vorteil, dass die laufenden Kosten (TER) sehr gering sind.

Natürlich gibt es aber auch ETFs, die „speziellere“ Anlagestrategien umsetzen. Dafür werden von Fondsgesellschaften spezifischere ETFs aufgelegt und sogar neue Indizes erfunden. So kann man via ETFs etwa gezielt in ausgewählte High-Dividend-Titel oder aber bestimmte Branchen investieren – von Technologie über Gesundheit bis hin zu Infrastruktur. Sie liefern mitunter auch deutlich mehr Rendite als klassische ETFs auf marktbreite Indizes. Zum Beispiel brachte der „iShares S&P 500 Information Technology Sector“ seit seiner Auflage Ende 2015 über 500 Prozent.

ETFs zu boomenden Themen blühen ebenfalls: Es gibt etwa Seltene-Erden-, Ageing-Population- oder auch KI-ETFs, wie den „Xtrackers Artificial Intelligence & Big Data“. Er bildet den „Nasdaq Global Artificial Intelligence and Big Data“-Index nach, der Zugang zu Unternehmen bietet, die sich mit KI, Datenverarbeitung und -sicherheit beschäftigen. Ein spannendes Zukunftsfeld, zumal die enthaltenen Titel nach ESG-Kriterien gefiltert werden. Indexfonds können zudem Zugang zu anderen Assetklassen bieten, etwa Anleihen, Rohstoffen, Edelmetallen, Kryptowährungen oder Private-Equity. Und die Zahl und Ausblühungen der weltweiten ETFs steigen weiter. Laut etfgi.com wuchs das Angebot seit 2003 um mehr als 3.600 Prozent. Ende 2023 wurden rund 10.300 ETFs angeboten. 

Was soll ins Portfolio?

So transparent ETFs selbst sind, so herausfordernd ist es, einen Überblick zu bekommen. Onlineportale wie justetf.com

oder extraetf.com helfen als Navis durch den Angebotsdschungel. Welcher ETF dann zur eigenen Strategie passt, hängt vom individuellen Rahmen ab, den man zwecks Vermögensaufbau aufspannt. Eckpunkte sind dabei Grundsatzfragen, wie etwa „Wie lange kann/soll die Laufzeit sein?“ (unter zehn Jahre sind nicht sinnvoll), „Wie viel Risiko und welche Schwankungen vertrage ich?“ und „Lege ich einmalig eine größere Summe an oder möchte ich einen sparplanfähigen ETF für regelmäßige Einzahlungen?“. Als Zusatz können sich Anleger:innen noch überlegen, ob sie einen ausschüttenden oder einen thesaurierenden ETF bevorzugen. Während ein Ausschütter die Erträge aus Dividenden oder Zinsen auszahlt, reinvestiert ein Thesaurierer die Gewinne. Man nutzt so den Zinseszinseffekt noch besser und spart auch erst mal KESt, verzichtet aber auf laufende Einnahmen.

Die populärsten Varianten sind Aktien-ETFs, darunter etwa jene auf ATX und Co oder Branchen- und Themen-ETFs. Die Top-Renner: MSCI World-ETFs. Wie der Name impliziert, bilden Aktien-ETFs Indizes ab, die die Wertentwicklungen von Unternehmensaktien replizieren. Sie sind daher generell risikoreicher (versprechen aber auch höhere Renditen) – wie risikoreich, hängt wie erwähnt von der Risikostreuung ab.

Anleihen-ETFs sind defensiver. Und als Mischformen gibt es auch sogenannte Multi-Asset-ETFs. Sie bewirtschaften ein Portfolio aus Anleihen und Aktien, je nach Risikobereitschaft in unterschiedlichen Gewichtungen. Als Faustregel gilt: Je mehr Risiko man eingehen will oder – aufgrund des Alters – (noch) kann, desto höher darf der Anteil an Aktien-ETFs im Portfolio sein. Und je länger die Laufzeit, desto besser gleichen Anleihen-ETFs Schwankungen der Aktien-ETF-Positionen in der Gesamtbetrachtung aus. 

Insgesamt sind ETFs vor allem für all jene interessant, die am Kapitalmarkt investiert sein möchten, ihr Portfolio aber mit wenig Aufwand und Kosten aufsetzen und gut diversifiziert sein wollen. Klumpen- und Einzelwertrisiken können – vor allem via Brot&Butter-ETFs – umschifft werden. Es gilt der Universalansatz: „Suche nicht die Nadel im Heuhaufen, kaufe den ganzen Haufen!“ Wenn dann ein einzelner Strohhalm abknickt – etwa bei einer Unternehmenspleite (Stichwort: Wirecard) –, ist das in der Rendite des Gesamthaufens oft nicht mal spürbar. 

Tendenz: steigend

Die Renditeaussichten bei einem verhältnismäßig dicht geknüpften Sicherheitsnetz überzeugen nicht nur institutionelle, sondern auch immer mehr private Anleger:innen in Österreich. Allein zwischen 2020 und 2022 stieg die Zahl der ETF-Kleinanleger:innen laut Finanzmarktaufsicht um 240 Prozent auf 129.000. Aktuellere Daten gibt es nicht, abgeflaut ist der Trend aber trotz volatiler Finanzmärkte und steigender Zinsen nicht. Das zeigt sich auch am jährlich von europäischen Privatanleger:innen in ETF-Sparpläne investierten Vermögen. Einer Studie von extraETF zufolge lag es allein in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und Spanien im September 2023 bei 15 Milliarden Euro. Bis Ende 2028 soll das Volumen 64,3 Milliarden Euro betragen. 

Bevor man der Masse folgt, sollte man sich aber auch mit den Schattenthemen auseinandersetzen. Zum einen wird bei Indexfonds ein preisverzerrendes Herdenverhalten kritisiert: Die sowieso schon Starken werden überproportional gestärkt. Kritiker warnen etwa vor einem US-Übergewicht bei den großen ETFs: Alleine sechs der sieben „Big-Seven-Tech-Aktien“ (Microsoft, Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Nvidia) würden rund 20 Prozent im MSCI-World ausmachen. Radikalere Skeptiker sehen gar eine ETF-Blase und deren Zerplatzen. Diese Gefahr ist jedoch klein. Angeführt wird auch, dass sich das Crash-Risiko durch die sehr liquiden ETFs erhöhe. Wenn es starke Schwankungen nach unten gibt und Anleger:innen aus Panik ihre ETF-Anteile verkaufen, müssen die Anbieter die Aktien unverzüglich verkaufen. Der Internationale Währungsfonds konnte jedoch keine Anhaltspunkte dafür finden, dass sich ETFs beim Herdenverhalten von aktiven Fonds unterscheiden.

Viele ETFs werden zudem in Fremdwährungen, insbesondere in US-Dollar, gehandelt. Wie erfolgreich die Investition verläuft, ist damit immer auch ein Stück weit vom Devisenkurs abhängig. Dadurch können Renditen niedriger als bei einer Investition innerhalb des Euroraums ausfallen, im schlimmsten (aber sehr unwahrscheinlichen) Fall drohen aufgrund der Wechselkurse Verluste. 

Mit Buffetts Segen

Investor-Legende Warren Buffett ist jedenfalls ein ETF-Fan: „Für die große Mehrheit der Anleger ist ein kostengünstiger Indexfonds die sinnvollste Aktienanlage“, schrieb er 2007 in „The Little Book of Common Sense Investing“. 1993 war er in einem Brief an seine Berkshire-Hathaway-Aktionär:innen sogar noch weiter gegangen: „Indem er beispielsweise regelmäßig in einen Indexfonds investiert, kann der unwissende Anleger die meisten Anlageprofis übertreffen.“ 

Also nur zu: Schlagen Sie Buffett. Den ersten Schritt müssen Sie freilich selbst machen, indem Sie ein Depot eröffnen. Das mit der Regelmäßigkeit erledigt dann bequem ein Sparplan.

 

Text: Klaus Höfler, Daniela Schuster