Blaue Wunder

An diesen 5 Orten leben die meisten Hundertjährigen

In fünf „Blue Zones“ leben mehr Hundertjährige als im Rest der Welt. Was sie verbindet: kalorienarme Ernährung, Zusammenhalt, Naturverbundenheit und wenig Alkohol.

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  • Loma Linda (Kalifornien, USA):

Biblische Diät und Zusammenhalt

Healthy Lifestyle von jung auf: Loma Linda im San Bernardino County bricht laufend nationale Altersrekorde, die Lebenserwartung beträgt hier fast zehn Jahre mehr als im Rest der USA. Das liegt daran, dass in der Stadt eine der weltweit größten Gemeinden der Siebenten-Tags-Adventisten zuhause ist. Für ihre fast 9.000 Mitglieder ist die Gesunderhaltung des Körpers gottgewollt. Die fleischlose Ernährung mit wenig Salz und Gewürzen wird als Gebot aus einer Bibelstelle der Genesis abgeleitet („Siehe, ich habe euch gegeben alles samenbringende Kraut, es soll euch zur Speise sein“). Süßigkeiten, stark verarbeitete Lebensmittel oder gar Fertiggerichte sind in Loma Linda, wie in allen Blue Zones, verpönt. Dazu kommen ein verlässliches Sozialgefüge und ein stabiles Gemeinschaftsgefühl – laut Wissenschaft zwei weitere wichtige Faktoren für Langlebigkeit.

  • Oligastra (Sardinien, Italien): 

Stress vermeiden und Maß halten

Die italienische Provinz Oligastra in der Autonomen Region Sardinien ist eine Besonderheit unter den Blue Zones: Während überall sonst die Frauen länger leben, werden an diesem Ort auch die Männer uralt. Dass sich in Oligastra das Rad der Zeit ein bisschen langsamer dreht, konnte auch eine Studie der Università degli Studi di Sassari nachweisen. Nicht nur der Alltag, auch das Genom der Einwohner:innen hat sich seit dem Neolithikum nur minimal verändert. Stress ist hier unbekannt, landwirtschaftliche Fruchtfolgen und kirchliche Feiertage bilden die Struktur des Jahresablaufs. Der karge Speiseplan wird vom eigenen Gemüsegarten bestimmt, statt kulinarischer Highlights gibt es die Sommersuppe „sa soup’e istadi“ oder den Hirtenkäse „Casu axedu“. Das Essen begleitet Rotwein, allerdings in Maßen: Ein Achtel pro Tag reicht.

  • Nicoya-Halbinsel (Costa Rica): 

Kürbis, Bohnen und frische Luft

Verständlich, dass der Abschied von hier schwer fällt: Die Nicoya-Halbinsel ist ein Naturparadies mit einigen der schönsten Strände Costa Ricas. Wer hier sein 60. Lebensjahr erreicht, hat statistisch gesehen eine höhere Chance 100 zu werden als der Rest der Welt. Im Vergleich zu US-Amerikaner:innen beträgt die Wahrscheinlichkeit sogar das Achtfache. Das Geheimnis? Harte Arbeit, aber wenig Stress, sowie eine gesunde Ernährung auf Basis von Mais, Bohnen und Kürbis. „Die drei Geschwister der mesoamerikanischen Landwirtschaft sind der gesündeste Speiseplan, den es gibt“, sagte der Blue-Zones-Entdecker Dan Buettner und notierte auch, dass auf Nicoya deutlich weniger Milch getrunken wird als im Rest Costa Ricas. Eine Rolle könnte auch die viele Bewegung in der Natur spielen: Die meisten Bewohner:innen arbeiten den ganzen Tag im Freien, sind hauptsächlich zu Fuß unterwegs und verbringen ihre Freizeit mit Schwimmen, Wandern und Surfen.

  • Ikaria (Griechenland):

Familiensinn und harte Arbeit

„Die Insel, auf der die Menschen vergessen zu sterben“ – so nennt Blue-Zones-Entdecker Dan Buettner das griechische Eiland in der nördlichen Ägäis. Jede:r Dritte wird hier mindestens 90 Jahre alt. Dass den Einheimischen Jahrtausende lang Perser, Römer und Türken nach dem Leben trachteten, hatte offenbar langfristig den gegenteiligen Effekt: Die Bevölkerung zog sich ins isolierte Landesinnere zurück und kultivierte hier Familiensinn, strebsame Bescheidenheit und Fitness bis ins hohe Alter – denn wer im kargen Bergland nicht verhungern wollte, musste Gärten pflegen und regelmäßig lange unwegsame Strecken zurücklegen. Die komplette Abwesenheit von Demenz und chronischen Krankheiten erklärt die Forschung auch mit dem Speiseplan der Ikariot:innen: Ziegen- statt Kuhmilch, Heilkräuter zum Gemüse und reichlich vom Omega-3-Spender und Cholesterinkiller Olivenöl.

  • Okinawa (Japan):

Lebenssinn und grüner Tee

Die Präfektur im Ostchinesischen Meer ist kein statistischer Ausreißer. In Japan leben im internationalen Vergleich mehr Hundertjährige als in jedem anderen Land der Welt, auch der Altersmedian ist mit 48,7 Jahren der höchste aller Industrieländer. Die Langlebigkeit der Japaner:innen könnte mit ihrem sozialen Status zusammenhängen. Senior:innen werden hier hoch respektiert und bleiben bis ins hohe Alter aktiv und gesellschaftlich eingebunden, jede:r vierte Rentner:in und die Hälfte aller 65- bis 69-Jährigen ist sogar erwerbstätig. Eine wichtige Rolle dürfte auch die Ernährung spielen. Wer nach der konfuzianischen „Hara hachi bu“-Regel lebt, isst immer nur so lange, bis der Magen zu 80 Prozent gefüllt ist. Nach der Enklave der Aller-Ältesten wurde sogar eine eigene Ernährungsform benannt: Die Okinawa-Diät basiert auf Süßkartoffeln, Reis, Hülsenfrüchten, wenig Fisch und Fleisch sowie grünem Tee – vor allem Matcha.

Und die rot-weiß-rote Zone …?

Zu Jahresbeginn lebten in Österreich laut Statista 1.774 mindestens 100-Jährige, 85,7 Prozent davon waren Frauen. Rekordhalter sind aber die männlichen Methusalems: Der älteste lebende Österreicher ist der 106-jährige Josef Peer aus Trins im Tiroler Gschnitztal, im 110. Lebensjahr starb 2023 der St. Pöltner Franz Wielander. Und Österreichs Blue Zone? Die könnte im Wiener Bezirk Döbling liegen, wo bei der letzten Erhebung mehr als 30 Hundertjährige gezählt wurden. Ob das „an den gesunden Spaziergängen durch die Weinberge“ liegt, wie der Bezirksvorsteher vermutet, oder doch eher am Wohlstand des Nobelbezirks (Durchschnitts-Jahres-Nettoeinkommen: 29.903 Euro)?

 

Text: Alexander Lisetz