EXTRA Innovation

So schaffen wir die Netto-Null

Zu Österreichs CO2-Neutralität führen drei Wege, sagt eine Studie von Uni Graz und WU Wien. Die gute Nachricht: Alle drei nützen innovative Technologien und kurbeln so die heimische Wirtschaft an.

Drucken

Schriftgröße

CO2 sparen zwingt Omis aufs Lastenrad und die Wirtschaft in die Knie, posaunen Lobbyist:innen. Die Klimaschutzziele, zu denen sich Österreich vertraglich verpflichtet hat, seien ein Wettbewerbsnachteil, ein Klotz am Bein heimischer Unternehmen. Mag sein, kontern Klimaschützer:innen. Doch um als Menschheit zu überleben, sei es jetzt nun mal überfällig, den Gürtel ein wenig enger zu schnallen.

Die Ärme hochkrempeln
Beides Unsinn, konstatiert eine aktuelle Studie des Wegener Centers der Uni Graz und des Institute for Ecological Economics der Wirtschaftsuniversität Wien. Die beteiligten Expert:innen skizzierten darin drei Szenarien, wie Österreich bis 2040 klimaneutral werden kann. Alle Szenarien haben eines gemeinsam: Die heimische Wirtschaft würde von den jeweiligen Maßnahmen massiv profitieren. Und: Viele positive Nebenwirkungen kämen deutlich spürbar direkt bei der Bevölkerung an. Zuvor müssten Gesellschaft und Politik aber die Ärmel hochkrempeln, sagt Sigrid Stagl, Mitautorin der Studie „Volkswirtschaftliche Evaluierung von Netto-Null Treibhausgas-Emissionspfaden für Österreich“. „Um die sozialen und ökologischen Probleme der Transformation anzugehen, sind strukturelle Veränderungen im Steuersystem und im gesellschaftlichen Zusammenleben notwendig.“ 

„Um die sozialen und ökologischen Probleme der Transformation 
anzugehen, sind strukturelle 
Veränderungen nötig.“ 
 

Sigrid Stagl, Sozioökonomin an der WU Wien

Immerwährende Klima-Neutralität
Was aber sind die drei Szenarien, die uns bis 2040 zur – im aktuellen Regierungsübereinkommen vereinbarten – 
CO2-Netto-Null führen könnten? 

Szenario 1 nennen die Studien-Autor:innen „ZeroBasis“. Gemeint ist damit eine „technologiezentrierte Transformation, die ohne ambitionierte Verringerung der Gesamt-Energienachfrage stattfindet“. Im Mittelpunkt steht dabei die Elektrifizierung der Wirtschaft, und zwar vor allem in den Bereichen Mobilität und Industrie. Die zu Grunde liegenden Zahlen leiten sich aus bestehenden Energiesystemmodellen ab, soziale Verhaltensänderungen lässt diese Annahme außen vor. 

Szenario 2, „ZeroTransition“ genannt, erfordert einen tiefgreifenden politischen und sozioökonomischen Wandel in Richtung Kreislaufwirtschaft und stützt sich auf den Nationalen Netzinfrastrukturplan 2023 des Bundesministeriums für Klimaschutz. Voraussetzung: ein drastischer Ausbau unserer erneuerbaren Energiekapazitäten, absolute Unabhängigkeit von ausländischen Stromimporten, neue Produktionsstrukturen und eine Reduktion des Energiebedarfs, auch durch geändertes Konsumverhalten.

Szenario 3, die „JustTransition“, ergänzt die zweite Variante. Zusätzliche Maßnahmen – darunter zum Beispiel die Einführung eines progressiven grünen Steuersystems, das eine Luxus-fokussierte CO2-Steuer sowie eine simultane Vermögensbesteuerung beinhaltet, oder eine Arbeitszeitreduktion um durchschnittlich 1,2 Stunden pro Woche – sollen den Wandel auch noch sozial und fair ausbalancieren. Außerdem wird im Bereich Mobilität verstärkt auf Car-Sharing-Praktiken gesetzt.
 

Emissionsfreier Wirtschaftsmotor
Egal, welchen Weg wir als Volkswirtschaft gehen: Wirtschaftlichen Schaden würde keines dieser drei Szenarien anrichten. Im Gegenteil: „Die Studie zeigt sehr deutlich, dass sich eine dekarbonisierte und defossilierte Wirtschaft und Wohlfahrtsgewinne nicht ausschließen, bei kluger Gestaltung einander vielmehr bedingen“, bilanzieren die Autor:innen.
Den größeren Nutzen für die Gesellschaft hätten laut Studie aber Szenario 2 und 3, „ZeroTransition“ beziehungsweise „JustTransition“. Ihre Vorteile: ein höherer Wohlstandsgewinn, weil die Förderung der Kreislaufwirtschaft höherwertige Produkte in Umlauf bringt, ein Sinken der Arbeitslosenquote auf prognostizierte 1,69 Prozent, höhere Löhne und Gehälter durch die steigende Arbeitsnachfrage, eine verbesserte Versorgungssicherheit durch geringeren Energiebedarf sowie acht bis zwölf Milliarden Euro Ersparnis durch den Wegfall fossiler Energieexporte.

Gut fürs soziale Klima
So oder so brächte uns allen die Netto-Null ein Plus ins Börserl, versprechen die durchgeführten Analysen: durch Energieeffizienzsteigerung, durch Einsparungen dank materialsparender Produktionsformen und durch höhere Löhne. Von den Klimaschutzmaßnahmen könnte dabei letztlich sogar das soziale Klima profitieren: Arbeitsintensivere Prozesse könnten nämlich zusätzlich positive Verteilungseffekte bewirken, weil die höheren Löhne vorwiegend Haushalten aus den unteren Einkommensschichten zugute kämen. 

Text: Alexander Lisetz