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Wiener Linien-CEO Reinagl: „Wichtig ist, den Expert:innen zu vertrauen.“

Wiener Linien-CEO Alexandra Reinagl meistert täglich die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und lässt uns an ihrem persönlichen Erfahrungsschatz teilhaben.

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Interview: Anna Gugerell

Alexandra Reinagl wusste schon immer, dass sie "ganz vorne stehen will". Dass das Mädchen, das gerne Schaffnerin gespielt hat, heute CEO der Wiener Linien ist, war so trotzdem nicht geplant. Für profil Extra hat die viel beschäftigte Chefin Platz in ihrem Kalender geschaffen und teile ihre Sicht auf drängende Fragen wie den Fachkräftemangel, den Umgang mit Künstlicher Intelligenz, die neue Rolle von Führungskräften und Diversity als Chance. 

Wie führt man 2030?
Alexandra Reinagl
Indem man Führungsansätze anpasst. Empathie ist früher zu kurz gekommen. Man hat sehr viel durch Kontrolle geführt, jetzt mehr durch Fragen und Zielvorgaben. Wir sollten heute mehr über Leadership nachdenken als über Führung. Ein Leader gibt das Ziel vor und unterstützt dabei, dieses zu erreichen-und zwar als Team. Früher wollten Führungskräfte überall die besten sein, um sich zu beweisen. Aber heute zählt nur, ob das Team im Gesamten erfolgreich ist.
Klingt gut, aber wie setzt man das um?
Alexandra Reinagl
Ich habe meine Grundwerte: Man muss gut mit Menschen können, aktiv zuhören und interessiert an seinem Vis-à-vis sein. Zum richtigen Zeitpunkt gehört es dazu, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, die nicht immer alle gut finden werden.
Müssen dafür mehr Frauen in Führungspositionen?
Alexandra Reinagl
Ich sage immer Pinguine rekrutieren Pinguine. Frauen in Führungspositionen zu heben und ihnen Sichtbarkeit zu geben, ist enorm wichtig-und zwar in allen Abteilungen. Aus dem Grund achten wir zum Beispiel darauf, dass der Frauenanteil bei den Lehrlingsausbildner:innen wächst, wobei wir aktuell schon bei 30 Prozent sind.
Ein hoher Frauenanteil ist das Eine. Wie wichtig sind andere Aspekte der Diversity?
Alexandra Reinagl
Zeiten ändern sich und wir müssen vorausschauend handeln. Wir setzen uns etwa mit dem "Silver Linien Netzwerk" dafür ein, Menschen zu motivieren, noch über ihr Pensionsantrittsalter im Unternehmen zu bleiben. Dafür gibt es die Möglichkeit, bei körperlich schweren Tätigkeiten schon frühzeitig Arbeitszeit zu reduzieren, um für ältere Mitarbeiter so lange wie möglich ein gesundes Arbeiten zu ermöglichen. Auch dass bei uns Menschen aus über 40 Nationen beschäftigt sind, hat viele Vorteile: Wir haben zum Beispiel kein Problem damit, 365 Tage im Jahr durchzufahren, weil viele aus der Belegschaft kein Ostern oder Weihnachten feiern. Sie haben dafür an anderen Feiertagen frei, etwa dem Zuckerfest im Ramadan. Der Arbeitsmarkt ist zu einem Arbeitnehmer:innenmarkt geworden, und den Wettbewerb mit anderen Unternehmen gewinnt man nur mit Authentizität und Versprechen, die gehalten werden.
Welche Skills brauchen wir morgen?
Alexandra Reinagl
Know-how über Technologien. Wir sind mittlerweile ein IT-Unternehmen: Eine U-Bahn ist ein fahrender Datenträger mit Sitzplätzen. Hier hilft mir das Jus-Studium. Ich muss nicht alles wissen, aber ich muss mich in komplexe Sachverhalte einlesen. In Zukunft braucht es noch mehr Hingabe zu den Digitalisierungsthemen sowie Verständnis und hauptsächlich Lust dazu. Entscheidend ist auch, ob man eine operative Führungskraft ist. Auf einer strategischen Ebene tut man sich keinen Gefallen, wenn man zu sehr Fachexpert:in ist.
Heißt: als Führungskraft auch mal Verantwortung abgeben?
Alexandra Reinagl
Wenn mir die Kommunikationsabteilung neue TikTok-Videos zeigt, verstehe ich das ehrlicherweise oft nicht. Aber der Erfolg gibt uns recht. Und wichtig ist, hier den Expert:innen zu vertrauen.
Welchen Karrieretipp würden Sie-insbesondere Frauen-geben?
Alexandra Reinagl
Mutig und neugierig zu sein und das Herz am rechten Fleck zu haben! Im Zweifel, Ja' zu sagen und sich was zutrauen. Nicht zu vorsichtig zu sein und keine Scheu davor zu haben, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Sich nur treiben zu lassen und spontan und flexibel zu sein, damit habe ich ein Problem. Wer vorne stehen möchte, muss auch die Extrameile gehen, sich vernetzen und auch den einen oder anderen Abend spendieren. Denn wenn man nicht nach vorne tritt, kann auch kein Scheinwerferlicht auf einen fallen.
Was hätten Sie gerne früher gewusst?
Alexandra Reinagl
Welche Macht Netzwerke tatsächlich haben. Wenn man da nicht drinnen ist, hat man es schwerer. Auch dass ich als CEO medial so sehr in der Öffentlichkeit stehe, war mir im Vorhinein nicht in dem Ausmaß klar.
Ihr größter Erfolg?
Alexandra Reinagl
Dass ich nach mittlerweile 15 Jahren in einer hohen Management-Position immer noch authentisch und begeistert bin von dem, was ich mache. Man denkt immer, es sei schwierig an die Spitze zu kommen, aber es ist schwerer, an der Spitze zu bleiben.

Alexandra Reinagl hat Jus studiert und absolvierte danach mehrere Stationen in der Wiener Stadtverwaltung. Sie leitete den Verkehrsverbund -Region, bevor sie 2011 zu den Wiener Linien wechselte, wo sie seit 2022 Vorsitzende der Geschäftsführung ist.