Nachhaltig wirtschaften

Kreislaufwirtschaft: Vom Chip- bis zum Kosmetikhersteller

Viele Unternehmen setzen auf Kreislaufwirtschaft: Anleger:innen können das durch Investments fördern. Und: davon profitieren.

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Rendite auf Kosten von Umwelt, Klima und Gesellschaft? Können wir uns nicht mehr leisten. Diese Erkenntnis hat den Kapitalmarkt in den letzten Jahren verändert. Auch national. Ein Marktbericht des Forums für Nachhaltige Geldanlagen (FNG) verzeichnet für Österreich bezüglich verantwortungsvoller Investments jedenfalls einen Anstieg um 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und damit ein neues Rekordhoch. Am heimischen Fondsmarkt mit einem Volumen von 213 Milliarden Euro machten nachhaltige Publikums- und Spezialfonds 2023 einen Anteil von 42 Prozent aus. 

Das wachsende Angebot nachhaltiger Anlagen zu über- oder gar durchblicken, ist für Anleger:innen nicht immer einfach. Ein Grund: die Vielzahl unterschiedlicher Investmentstrategien, Nachhaltigkeits- und Ausschlusskriterien. Einige Kapitalanlagegesellschaften bewerten Unternehmen, die in einen Fonds aufgenommen werden, anhand von ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance). Kritiker:innen sehen hier aber eine Tendenz, den Nachhaltigkeitstrend auszunutzen und Greenwashing zu betreiben. Andere Gesellschaften setzen mit dem Best-in-Class-Ansatz auf die nachhaltigsten Unternehmen eines Sektors. Jedoch besteht das Risiko, dass die Unternehmen zwar in ihrer Branche vorne mit dabei sind, aber grundsätzlich ein wenig nachhaltiges Businessmodell haben.

KI vor Kreislaufwirtschaft

Investor:innen sollten die jeweiligen Anlageprodukte deshalb genau unter die Lupe nehmen. Nicht wenige landen so bei einem Investmentthema, das eine echte Transformation verspricht: der Kreislaufwirtschaft. Eine Auswertung des Londoner Asset Managers Rize ETF für den europäischen Markt zeigt, dass im ersten Halbjahr 2023 zwar Invests in Indexfonds präferiert wurden, die auf Robotik, Automatisierung und künstliche Intelligenz setzen (744 Millionen US-Dollar). An zweiter Stelle folgten jedoch ETFs zur Circular Economy. Ihnen flossen 192 Millionen zu.

Hinter dem wachsenden Interesse der Anleger:innen steht nicht allein der Nachhaltigkeitsgedanke. Sie erkennen auch die wirtschaftlichen Chancen, die die Umstellung auf einen Wertschöpfungskreislauf mit sich bringt. Die EU geht davon aus, dass Firmen dadurch zum Beispiel zwölf bis 23 Prozent ihrer Materialkosten einsparen können. „Indem Unternehmen Ressourcen einsparen oder wiederverwenden und Abfall vermeiden, können sie aber nicht nur ihre Kosten senken, sie werden auch widerstandsfähiger gegenüber Preisschwankungen auf den Rohstoffmärkten. Innovative Geschäftsmodelle ermöglichen es zudem, neue Märkte und Kund:innen zu erobern. Das schafft einen nachhaltigen Mehrwert für Anleger:innen“, betont etwa Christopher Grau, Geschäftsführer von Casius Finanz.

Neben Kosteneffizienz, Innovations- und Wachstumschancen gibt es auch noch weitere Gründe, warum es sich aus Anleger:innensicht lohnt, bei der ETF-,
Fonds- oder auch Einzeltitelauswahl auf die zirkuläre Ausrichtung von Unternehmen zu achten. Allen voran: die immer strengere Regulatorik. Weltweit verschärfen Regierungen die Umweltauflagen und fördern den Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Bereits Anfang 2020 wurde etwa ein EU-Aktionsplan verabschiedet, der u. a. die leichtere Wiederverwendbarkeit, Reparatur- und Recyclingfähigkeit von Produkten fordert, die so weit wie möglich aus sekundären Materialien hergestellt werden müssen, eine längere Lebensdauer haben und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitseigenschaften leicht zu bewerten sein sollen. Weitere Regelungen werden folgen. Unternehmen, die frühzeitig umstellen, profitieren von Förderprogrammen und verringern ihre regulatorischen Risiken. Und für Anleger:innen bedeutet dies ein stabiles Investitionsumfeld mit langfristigen Wachstumsaussichten. Eine Investition in die Kreislaufwirtschaft kann damit als Strategie zur Verringerung von Risiken im Anlageportfolio und zur Steigerung der risikoadjustierten Performance genutzt werden.

BlackRock ist dabei

Die Unternehmens- und Strategieberatung Accenture schätzt das wirtschaftliche Potenzial der Kreislaufwirtschaft auf rund 4,5 Billionen US-Dollar. Ein riesiger Kuchen, von dem sich auch BlackRock gern ein Stück abschneidet. Im Auftrag seiner Kund:innen – von Pensions- und Staatsfonds bis hin zu Family Offices und Privatpersonen – investiert der weltweit größte Vermögensverwalter in Kreislaufwirtschaftsunternehmen, aber auch grüne Anleihen, mit denen etwa Regierungen Kreislaufwirtschaftsprojekte finanzieren. 

„Das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist eine grundlegende Blaupause“, betonte Larry Fink, CEO und Vorsitzender von BlackRock anlässlich der Auflage eines eigenen Kreislaufwirtschafts-Aktienfonds im Oktober 2019. Sein Ziel: „Mehr und mehr Menschen davon zu überzeugen, dass dies eine gute Art zu investieren ist – nicht nur aus sozialen und Umweltgründen, auch aus Performancegründen.“ Es ist gelungen. Bereits ein Jahr später war der Fonds eine Milliarde Dollar schwer. Er zielt darauf ab, Investitionen in börsennotierte Unternehmen voranzutreiben, die bereits zum Übergang zur Kreislaufwirtschaft beitragen oder davon profitieren. Ein Beispiel: Adidas. Der Hersteller hat sich verpflichtet, seine Turnschuhe bis Ende 2024 zu 100 Prozent aus recyceltem Polyester zu fertigen. 

Wie aber findet man solche Circular-Economy-Vorreiter? Für „CAPinside – The European Investment Fund Community“ hat Jennifer Paffen, Portfoliomanagerin und Nachhaltigkeitsexpertin bei der Bethmann Bank, folgende Ansatzpunkte identifiziert: Man könne etwa das Abfallmanagement, die verwendeten Materialien oder die Strategien in Bezug auf die Verwendung recycelter Rohstoffe analysieren. Auch empfehle es sich, genau hinzusehen, ob ein Unternehmen an der Verlängerung des Lebenszyklus seiner Produkte und Produkt-Bestandteile arbeitet beziehungsweise zum ‚Produkt als Service‘-Geschäftsmodell übergeht. 

Grün-buntes Anlageuniversum

Zuvorderst unter den investierbaren Unternehmen finden sich dann natürlich die üblichen Verdächtigen, wie Recylingunternehmen und Spezialisten für Ressourcenrückgewinnung. Etwa Waste Management, ein US-Unternehmen, das unter anderem Recyclinganlagen betreibt. Oder die norwegische Tomra, ein führender Anbieter von optischen Sortieranlagen für die Lebensmittelbranche, primär Pfandautomaten. Österreichische Anleger:innen müssen aber gar nicht in die Investment-Ferne schweifen. Denn auch im ATX finden sich einige Kandidaten. Die Lenzing AG zum Beispiel, Weltmarktführer im Bereich Faserzellstoffe und Cellulose-Fasern. Durch eine einzigartige Recyclingtechnologie können Zuschnittreste aus Baumwolle und Alttextilien aus der Wertschöpfungskette als Rohstoffe verwendet werden – bis 2028 sollen so 100.000 Tonnen Textilabfall verarbeitet werden. Ein weiterer heimischer Champion: Mayr-Melnhof, europaweit größter Produzent von Karton und Marktführer bei Faltschachteln. 80 Prozent der Verpackungen sind Recycling-Produkte. 

Aber auch in vielen Branchen, die man nicht sofort damit in Verbindung bringen würde, ist zirkuläres Wirtschaften angekommen. Unter ihren Vertretern finden sich sowohl Start-ups als auch Wachstumskandidaten, profitable mittelständische Unternehmen oder Branchenriesen. Mit einem Anteil von fast 24 Prozent setzt etwa der „Eurizon Fund – Equity Circular Economy Z“ stark auf den Sektor Informationstechnologie. Unter den Top-Ten-Positionen: Apple, Alphabet und Microsoft. Das Fondsmanagement begründet das mit deren starkem Engagement in den Bereichen Produktrecycling, Abfallverringerung, erneuerbare Ressourcen und der Erweiterung des Produktlebenszyklus. 

Der „HSBC GIF Global Equity Circular Economy Fund“ streut hingegen breiter. Im Portfolio finden sich als stärkste Positionen bekannte Namen wie der niederländische Chiphersteller ASML, der französische Kosmetikkonzern L’Oréal oder die US-Baumarktkette Home Depot, aber auch weniger geläufige Titel wie United Rentals, ein US-Vermieter von Hebebühnen oder Gabelstaplern. Alles in allem lässt der thematische Rahmen „Kreislaufwirtschaft“ Fondsmanager:innen einigen Spielraum. Anleger:innen sollten sich das Portfolio jedenfalls genau anschauen, um zu überprüfen, ob es auch ihren (Wert-)Vorstellungen entspricht. 

Zirkuläre Heuhaufen

In entsprechende Themen-Fonds und -ETFs zu investieren, erübrigt aber immerhin die Suche nach den berühmten Nadeln. Stattdessen kann man einfach den zirkulären Heuhaufen kaufen. Die Auswahl ist bislang jedoch noch recht beschränkt, viele Circular-Economy-Fonds sind auch erst kurz am Markt. Die Ausnahme: der thesaurierende, global ausgerichtete „BNP Paribas Easy ECPI Circular Economy Leaders UCITS“-ETF. Der dahinterstehende Index bildet die Wertentwicklung von 50 Unternehmen ab. Darunter etwa der Baumaschinen-Produzent Caterpillar oder der Sportartikler Nike, der sich der Vermeidung von Abfall durch effizienteres Produktdesign und neue Fertigungstechnologien verschrieben hat. Aber auch der Luxusprodukte-Hersteller LVMH findet sich im Portfolio. Den Indexanbieter überzeugte das LVMH-Umweltprogramm „LIFE 360“, das eine der vier strategischen Säulen im unternehmerischen Ansatz zur Kreislaufwirtschaft ist. So gibt es etwa Initiativen zum Recycling von überschüssigem Leder bei den Marken Celine, Loewe und Berluti. 

Mit über 900 Millionen Euro ist der ETF gut gefüllt. Und auch seine Performance kann sich sehen lassen. Allein 2023 hat er 19,33 Prozent gebracht, wer seit Auflage im April 2019 investiert ist, hatte im Oktober 2024 sein Kapital verdoppelt. 

Kreislaufwirtschaft fördern

Auch deshalb besteht auf globaler Ebene ein enormer Anreiz, in die Circular Economy zu investieren. Die EU sieht’s gern. Denn die (Um-)Welt zu retten, kostet viel Geld. Allein für die Verwirklichung der Klimaziele des Green Deals müssten in den kommenden Jahren Investitionen in Höhe von einer Billion Euro getätigt werden. Mindestens. Dazu können (und müssen) auch private Anleger:innen mit ihren Invests beitragen. 

 

Text: Daniela Schuster