Eine pfandtastische Alternative
25 Cent. So viel mehr wird ab 2025 jedes Getränk kosten, das in einer Verpackung aus Kunststoff oder Alu mit einer Füllmenge von 0,1 bis drei Litern steckt. Der Grund? Ausnahmsweise einmal nicht die Inflation. Vielmehr tritt die Einwegpfandverordnung in Kraft. Und ja, wer die – unbeschädigten und geleerten – Flaschen oder Dosen retourniert, bekommt den Pfandbetrag natürlich auch wieder zurück.
In anderen Ländern hat sich dieses Recycling-Erziehungsprogramm bewährt, das jene monetär „bestraft“, die das Drink-Drumherum nicht wieder in einer Verkaufsstelle zurückgeben. „Deutschland hat bei Plastikflaschen eine Sammelquote von 98 Prozent, Kroatien 96 Prozent, die Niederlande 95 Prozent“, erklärte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, als sie im September 2020 den 3-Punkte-Plan gegen die Plastikflut vorstellte, bei dem das Pfandsystem – neben Mehrweg und Herstellerabgabe – eine zentrale Rolle spielt. Bis 2027 will man so hierzulande ebenfalls eine Sammelquote von mindestens 90 Prozent erreichen und damit das Ziel der EU-Single-Use-Plastics-Richtlinie. Luft nach oben gibt es: Derzeit werden in Österreich nur rund 70 Prozent aller Einwegflaschen und -dosen dem Recyclingkreislauf zugeführt.
Neben internationalen Erfahrungswerten bekräftigten auch wissenschaftliche Erkenntnisse das Pfandsystem als effizienteste und kostengünstigste Lösung – z. B. die Studie „Möglichkeiten zur Umsetzung der EU-Vorgaben betreffend Getränkegebinde, Pfandsysteme und Mehrweg“. Möglichweise wäre das Ergebnis aber anders ausgefallen, hätte man auch ein Forschungsprojekt einbezogen, das eine blockchain-gestützte Tokenisierung als alternatives Anreizsystem andenkt und auf Belohnung statt Bestrafung setzt.
Positive Anreize
Ein Team von Wissenschaftler:innen des Austrian Blockchain Centers (ABC Research GmbH), der Universität Klagenfurt und der WU Wien konnte zeigen, dass Incentives die Sammel- und Recyclingbereitschaft erhöhen können und so weniger Neuware produziert werden muss. Das in der Anwendung unkomplizierte Modell sieht vor, dass die Konsument:innen ihr erworbenes Getränk mittels Handy-App scannen. Der einzigartige QR-Code, der zu diesem Zweck auf der Verpackung zu finden ist, ist technisch in einer von der ABC Research GmbH entwickelten blockchain-basierten Lösung mit einem Token verknüpft. Wird die benutzte Flasche oder Dose dann in einem Recycling-Container entsorgt, scannen die Verbraucher:innen den Verpackungscode erneut sowie jenen am „intelligenten“ Sammelbehälter. In ihrer digitalen App-Wallet landen dann die mit einer Belohnung hinterlegten Tokens.
Das System wurde 2023 in einer Unternehmenskantine und mit der Coca-Cola HBC AG als Getränkepartner bereits erprobt. Mit Erfolg. „Die Pilotstudie zeigte, dass ein solches Anreizsystem nicht nur praktisch und technisch machbar ist, sondern auch gut angenommen wird“, so Forschungsteam-Sprecher Christian Wankmüller vom Institut für Produktions-, Energie- und Umweltmanagement der Uni Klagenfurt. Im Rahmen der zweimonatigen Untersuchung wurden drei verschiedene Arten der Belohnung getestet, um die Endverbraucher:innen zum ordnungsgemäßen Recycling zu bewegen. „Zum einen wurde den Nutzer:innen unter dem Aspekt der ‚Gamification‘ eine Rangliste präsentiert, in der sie einen Überblick über ihren Plastikverbrauch und ihr Recyclingverhalten gewinnen konnten. Zum anderen konnten sie ihre Tokens in eine monetäre Spende umwandeln und gemeinnützigen Organisationen (wie z.B. dem Österreichischen Roten Kreuz) zukommen lassen. Und der dritte Incentive-Ansatz bot ein Gewinnspiel mit entsprechenden Lotterietickets.“ Im Feldversuch und in einer systemdynamischen Simulation erwies sich insbesondere die Verknüpfung mit einem wohltätigen Zweck „als Anstupser, etwas zu tun. Genau diesen positiven sozialen Aspekt hat man bei einem Pfandsystem nicht“, so Wankmüller.
Flexibles Modell
Der innovative, ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Triple-Bottom-Line-
Ansatz der Forscher:innen entstand in erster Linie aus dem intrinsischen Forschungsinteresse, Blockchain-Technologie mit Kreislaufwirtschaftsthemen zu verschmelzen. „Theoretisch wäre ein solches Modell auch über zentrale Datenbanken umsetzbar, aber ressourcen- und personalintensiv“, meint Wankmüller. Die Blockchain ist hier effizienter. Und sie bietet noch weitere Vorteile: Sie verbessert etwa die (Rück-)Verfolgbarkeit der Verpackungen im Logistikprozess, indem jeder Flasche eine eindeutige Identität zugewiesen wird. Zudem bietet die Technologie eine Infrastruktur, bei der unterschiedliche Stakeholder gleichzeitig auf dieselben Informationen zugreifen können.
Zusätzlich werden durch die Tokenisierung Plastikabfälle in einen Vermögenswert verwandelt. „Das Modell ließe sich dafür auch anpassen: Etwa indem man Verbraucher:innen nicht mit Incentive-Tokens, sondern mit dem Sammeln eines ,Circular Economy Coins‘ monetär belohnt“, erklärt Wankmüller.
Für die Konsument:innen sind die Tokens aber nicht nur ein monetärer oder sozialer Anreiz, sondern auch ein Nachweis für nachhaltiges Verhalten. Und Unternehmen ermöglichen sie engere Beziehungen zu den Konsument:innen. So könnten sie beispielsweise auch eigene Incentives entwickeln (etwa Rabatte), die zur Kundenbindung beitragen oder – via Spendenzweck – ihre soziale Verantwortung aufzeigen. „Um etwa die Sammelquote für Verpackungen der Eigenmarken zu erhöhen, könnte unser Ansatz – in Verbindung mit Marketingmaßnahmen – interessant sein.“
Über die Studie hinaus gibt es bereits ein gewisses Interesse seitens der Industrie, erste Folgeforschungsprojekte in diese Richtung werden derzeit eingereicht. Die Umstellung auf das gesetzlich fest verankerte Pfandsystem hat die Entscheider:innen im Land zwar Zeit, Geld und Nerven gekostet. Doch die Aufmerksamkeit für spannende Alternativen ist da.
Der wissenschaftliche Diskurs über die Leistungen der Blockchain und der blockchain-gestützten Tokenisierung als technischer Rahmen für die Kreislaufwirtschaft in der Kunststofflieferkette ist mit dem Forschungsprojekt auch angestoßen. Ob sie auch eine (alternative) Lösung für die rund 2,6 Milliarden Dosen und Plastikflaschen, die in Österreich pro Jahr verbraucht werden, sein könnten? Technisch kann die Blockchain sicher helfen, den Müllberg zu beherrschen, der auch ein riesiger Datenberg ist. Der Energiebedarf für die Rechenleistung ist dabei übrigens wesentlich geringer als bei der Kryptowährung Bitcoin, da eine nachhaltigere Variante der Blockchain eingesetzt wird.
Belohnung darf sein
Eine Kombination von Pfand- und Incentive-Ansatz wäre jedenfalls nachdenkenswert. Auch, weil nach einer aktuellen Marketagent-Umfrage jede:r fünfte Österreicher:in die kommende Pfandverordnung nicht befürwortet, was das Erreichen des Sammelquotenziels erschwert. Mit „Belohnung darf sein“ (Tokens) statt „Strafe muss sein“ (Pfand) könnte man für die Unwilligen Sammelanreize schaffen. Denn eines zeigt der Blick auf andere Länder auch: An den dortigen, hohen Rückgabezahlen haben Flaschensammler:innen, die Mistkübel durchsuchen, um ihr Einkommen aufzubessern, einen erheblichen Anteil. Nach Schätzungen tragen sie etwa in Deutschland zwischen zehn und 20 Prozent der Retouren bei.
Text: Daniela Schuster