gender diversity

Ab durch die gläserne (Wolken-)Decke

Von Austrian bis KLM: Die Führungsetagen der großen Airlines werden weiblicher. Die neue Flughöhe für die Gender Diversity eröffnen weniger Quoten als vielmehr ein sich wandelndes Selbstverständnis der „Männerbranche“.

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Die Jahresversammlung der Internationalen Luftverkehrsvereinigung IATA sorgt normalerweise kaum für Schlagzeilen. 2018 jedoch kam es zu einem medialen Shitstorm. Zwei Tage lang hatte man in Sydney erstmals offiziell über den Mangel an Frauen in der Branche und Gleichstellungsansätze diskutiert – 99 Jahre nach Gründung des Verbands. Und dann verstieg sich ausgerechnet der Chef zu einem sexistischen Statement. 

Für das folgende Jahr zum IATA-Vorsitzenden ernannt, hatte Akbar Al Baker zu Beginn der Abschlusspressekonferenz noch gescherzt, dass er seine berüchtigte scharfe Zunge im Zaum halten müsse. Minuten später war der Vorsatz aber wohl schon vergessen. Kurz nachdem der damalige CEO von Qatar Airways – auf das Thema Frauenquote angesprochen – darauf hingewiesen hatte, dass diese bei seiner Fluglinie deutlich höher liege als bei anderen im Nahen Osten, erwiderte er auf den „Aber der Chef ist ein Mann“-Einwurf einer Journalistin: „Natürlich muss eine Airline von einem Mann geführt werden, weil es eine sehr herausfordernde Position ist.“

Stein des Anstoßes. Tags drauf folgte freilich eine offizielle Entschuldigung. Dabei gebührt Al Baker durchaus auch ein wenig Dank. Denn nachdem die Redner:innen in Sydney noch recht ratlos gewirkt hatten, was Lösungen für das Genderdiversitätsproblem anging, kam mit seinem Statement Bewegung in die Sache. Zwar gab es schon vor Al Bakers verbalem (und geistigem) Ausfall weibliche Airline-CEOs. Zum Beispiel hatte Iran Air erst kurz zuvor Farzaneh Sharafbafi auf diesen Posten berufen. Ansonsten jedoch hatten die – sowieso wenigen – Frauen in der Branche meist Management-Positionen im Personal- oder Rechtsbereich inne und standen damit nicht an der Spitze der Fluglinien. Und auch in der restlichen Branche lief es schleppend mit der Diversity. Laut einem Bericht des Women in Aviation Advisory Board der US-Regierung lag der Anteil der Pilotinnen und Technikerinnen bei weniger als zehn Prozent.

„Ohne Frauen ist die Luftfahrtindustrie einfach nicht zukunftsfähig.“ 

Kathleen Guilfoyle, Präsidentin der International Aviation Womens Association (IAWA)

25 by 2025. 2019 rief die IATA jedenfalls die freiwillige, branchenweite „25 by 2025“-Initiative ins Leben. Die Ziele: bis heuer 25 Prozent der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen oder eine Verbesserung um 25 Prozent zu erreichen. Was die weiblichen CEOs betrifft, hat man Ersteres zwar nicht geschafft, Zweiteres aber sehr wohl. Waren vor sechs Jahren nur drei Prozent der CEOs bei den 100 weltweit führenden Fluggesellschaften Frauen, sind es laut IATA heute etwa acht Prozent. Unter ihnen: Annette Mann (Austrian Airlines), Marjan Rintel (KLM), Anne Rigail (Air France) oder Dina Ben Tal Ganancia (El Al). Für besonderes Aufsehen sorgte die Besetzung von Mitsuko Tottori im April 2024. Sie hatte ihre Karriere als Flugbegleiterin bei Toa Domestic Airlines begonnen und wurde nach fast 40 Jahren im Unternehmen, das längst in Japan Airlines (JAL) aufgegangen ist, zur ersten weiblichen Präsidentin der Fluggesellschaft ernannt. 

Heute liegt die Luftfahrtbranche zwar immer noch deutlich unter dem Schnitt der Fortune-Global-500-Unternehmen, die Anfang Jänner stolz eine Frauen-CEO-Quote von 11,6 Prozent verkündeten. Doch man arbeitet daran, nachzuziehen, indem man die Frauen-Repräsentation in der Managementpipeline fördert. Laut Catalyst.org waren 2021 immerhin 26 Prozent aller Senior Managing Directors weiblich, verglichen mit nur 15 Prozent im Jahr 2019. Dass Yvonne Makolo, CEO von RwandAir, 2023 als erste Frau den IATA-Vorsitz einnahm, hatte weitere Impulse gesetzt – auch wenn sich bislang nur zwei Drittel der Mitglieder zur Umsetzung der „25 by 2025“-Ziele verpflichtet haben. 

Für Kathleen Guilfoyle, Präsidentin der International Aviation Womens Association, ist klar, dass freiwillige Initiativen allein nicht zu wesentlichen Fortschritten in der traditionell männerdominierten Luftfahrt führen werden. Dafür müsse sich die längst nachgewiesene Erkenntnis durchsetzen, „dass sich diversere Führungsetagen – und Teams – wirtschaftlich lohnen“. So ergab etwa eine australische Untersuchung, dass Firmen, die eine CEO einstellten, ihren Marktwert um fünf Prozent steigerten. Insbesondere, wenn es um Nachhaltigkeits- und Klimaziele ging, profitierten die Unternehmen von Geschlechtervielfalt. „Vielleicht ist die Nachhaltigkeit am Ende einer der wichtigsten Faktoren“, so Guilfoyle. „Ohne Frauen ist die Luftfahrtindustrie einfach nicht zukunftsfähig.“

Gruppenbild mit Damen. Neben strukturellen sind es vor allem kulturelle Hürden, die genommen werden müssen, in einer Branche, deren Schwerpunkt ursprünglich auf Technik und Flugbetrieb lag. Wo Karrieren jahrzehntelang aus diesen „männlichen“ Bereichen hervorgingen, braucht es gezielte Förderung, Role Models und Anreize für Frauen, um die gläserne (Wolken-)Decke zu durchbrechen. Und: ein Umdenken bei den Fluglinien. Letzteres habe bereits eingesetzt, meint Austrian-Airline-Vorstandschefin Annette Mann. In einem Interview mit Think:act, einer Publikation der Unternehmensberatung Roland Berger, sagte sie: „Bei den meisten Airlines hat man inzwischen verstanden, dass wir keine Flugzeugbauer sind. Flugzeuge sind zwar unser teuerster Produktionsfaktor, aber im Kern sind wir Dienstleister. Und das heißt: Es geht bei uns um Menschen und um Gastfreundschaft. Deshalb sehe ich keinen Grund, warum nicht mehr weibliche Führungskräfte bei Fluggesellschaften Karriere machen sollten.“

Das 81. IATA-Treffen wird übrigens im Anfang Juni in Delhi stattfinden – und das Gruppenbild jedenfalls diverser sein als noch 2018 in Sydney.

Text: Daniela Schuster