Luxus für alle
Ein Appartement in Nizza mit Fünf-Sterne-Service und Meerblickbalkon um 179.000 Euro. Eine Villa mit Pool und Terrasse an der Costa de Prata um 159.000 Euro. Oder ein im Alpin-Chic gestaltetes Chalet in Schladming um 179.000 Euro, Dachsteinblick vom Naturbadeteich aus inklusive. Zu schön, um wahr zu sein? Nicht, wenn man sein Luxusferiendomizil mit anderen teilt.
„Bei uns können Sie ab 50.000 Euro Eigenkapital Anteile erwerben“, verspricht Nikolaus Thomale vom deutschen Start-up Myne. Wie bei den Mitbewerbern Lazasu, Pacasu oder Lilo Collection erwirbt man hier Anteile an Luxusferienimmobilien. Bei Myne gibt’s für die oben genannten Preise jeweils ein Achtel des gewünschten Objekts, die Hälfte davon darf auch ein Bankkredit beisteuern. Das Eigentum an der Côte d’Azur, die persönliche portugiesische Villa oder das Heimatgefühl im steirischen Chalet teilt man also mit sieben anderen Familien, Paaren oder Einzelpersonen. Wer wann Urlaub machen darf, wird per App organisiert und ist zeitlich beschränkt: Pro Jahr sind maximal 44 Tage verfügbar. Idealerweise tut man sich daher mit Leuten zusammen, die nicht den gleichen Urlaubsrhythmus haben und etwa von Schulferien unabhängig sind. Ein faires Miteinander ist aber auch noch aus einem weiteren Grund von Vorteil: Mit den Miteigentümer:innen teilt man beim Urlaubszweitwohnsitz nämlich nicht nur Schrank und Bett, sondern auch den Eintrag im Grundbuch.
Die Branche brummt. Teilzeitnutzung, Homesharing, Timesharing, Co-Ownership: So vielfältig wie die Wünsche der Kund:innen sind auch die Namen der Angebote, die der Markt für Ferien-Investments bereithält. Eine Gemeinsamkeit haben sie alle: Timeshare-Makler wie reposée oder die Travel & Leisure Group erfüllen unsere Sehnsucht, am Urlaubsort nicht nur Tourist:in, sondern ein Stück weit zuhause zu sein. Und diese Sehnsucht haben offenbar immer mehr Menschen: Die weltweit größten Timesharing-Anbieter Interval International und RCI zählen allein vier Millionen Mitglieder. Weltweit gibt es rund 5.000 Unternehmen, die Timesharing-Modelle anbieten – und dabei nicht zu knapp selbst mitschneiden. Denn das Geschäftsmodell boomt: Im Jahr 2023 betrug der Marktwert der Branche laut Allied Market Research bereits üppige 12,2 Milliarden Euro, für die kommenden Jahre prognostiziert das Marktforschungsunternehmen jeweils Steigerungsraten von sieben oder acht Prozent. Bis 2032 soll die Branche „aufgrund der steigenden Nachfrage nach flexiblen Urlaubsoptionen“ vor allem in Nordamerika und Asien auf 25,1 Milliarden wachsen. Die Verheißung: Wer eine eigene Immobilie besitzt, kann sich auch mal spontan eine Auszeit gönnen, weil die Wettervorhersage gut oder der Stresslevel daheim zu hoch ist – ganz ohne Zimmersuche und Eingewöhnungsphase, entspannt in den vertrauten vier Wänden mit See-, Berg- oder Meerblick und der Lieblingskaffeesorte im Küchenschrank.
Teilen statt träumen
Luxus-Chalets wie diese im Schweizer Verbier können als Timeshare-Modell erschwinglich werden.
Kaufen und Verchartern. Das Sharing-Modell ist in der Tourismusbranche nicht nur auf Immobilien beschränkt. Vor dem Kauf einer eigenen Yacht schlafen selbst Gutbetuchte schlecht – je nach Größe, Modell und Alter wechseln mindestens 250.000 Euro den Besitzer. Das gute Stück langweilt sich nach dem Kauf aber dennoch den Großteil des Jahres ungenutzt im Hafen, dazu verschlingt es weitere Kosten für Pflege und Liegeplatz. Yachteigentumsprogramme wie der sogenannte Kaufcharter sind die kostensparende Alternative: In der Zeit, in der man die Yacht nicht selbst nutzt, darf sie ein Flottenbetreiber zur Weitervermietung verwenden. Angenehmer Nebeneffekt: Er kümmert sich auch gleichzeitig um die Wartung. Weil jeder Anbieter etwas andere Konditionen hat, sollte man sich vorab gut informieren. Der Charter-Pionier The Moorings lässt etwa die Wahl zwischen zwei Kaufcharter-Varianten: Beim Kaufoptions-Programm zahlt man zum Einstand weniger als die Hälfte des regulären Kaufpreises, teilt die Yacht fünf Jahre mit Mitbenutzer:innen und erwirbt dann mit 20 Prozent Aufzahlung die fehlenden Anteile. Oder man kauft die Yacht zum vollen Preis, erhält aber für den Charterbetrieb ein Jahreseinkommen von derzeit acht Prozent. Österreichs größter Flottenbetreiber Pitter Yachting lockt mit einem weiteren Zuckerl: Wer gerne in unterschiedlichen Revieren segelt, kann die Yacht für die Zeit der Eigennutzung in unterschiedliche Basen (Kroatien, Griechenland, Türkei, Italien) verlegen.
Mit weitaus geringeren Summen jonglieren alle, die mit Wohnwagen oder Camper unterwegs sind. Doch auch hier lässt sich beim Teilen mit anderen Reiselustigen Geld sparen oder sogar verdienen. So kann man zum Beispiel über Camper-Sharing-Portale das eigene Fahrzeug weitervermieten und zahlt dabei je nach Anbieter acht Prozent (Yescapa), 15 Prozent (Paul Camper) oder gar keine Provision (Goboony).
Tücke im Detail. Theoretisch klingt das alles ziemlich verführerisch. Urlaubsluxus, der eigentlich oberhalb der eigenen Gehaltsklasse liegt, abgewälzte Verantwortung bürokratischer Scherereien – das muss doch ein Win-Win sein? Jein. „Timesharing zum Beispiel belastet dich mit hohen Anschaffungs- und Erhaltungskosten. Es bringt keine Rendite, hat eine lange Vertragsbindung und macht es fast unmöglich, wieder aus dem Vertrag zu kommen“, so die britische Timeshare Consumer Association, die seit 1997 vor den negativen Nebengeräuschen der Branche warnt. Auch beim heimischen Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist man regelmäßig mit Beschwerden enttäuschter Timeshare-Kund:innen konfrontiert. Dabei geht es meist um unerwartete Zusatzkosten durch Bearbeitungsgebühren, überlange Vertragslaufzeiten oder Schwierigkeiten bei der Vertragsauflösung. „Weil das aktuelle Teilzeitnutzungsgesetz guten Schutz bietet, versuchen viele Unternehmen, ihr Modell so anzupassen, dass kein Timesharing im klassischen Sinn vorliegt“, kritisiert VKI-Rechtsexperte Joachim Kogelmann (s. Kasten).
25,1 Milliarden
Prognostizierter Wert der Timesharing-Branche im Jahr 2032 laut Allied Market Research
Urlaub als Rendite. Unübersichtlich kann es zum Beispiel werden, wenn das Unternehmen Aktien verkauft, deren Rendite in Gratis-Urlaub besteht – so wie beim vor 60 Jahren gegründeten Schweizer Traditionsunternehmen Hapimag. 120.000 Aktionäre können hier aus 5.000 Ferienwohnungen in 56 Resorts wählen, von Berlin bis Barbados, vom Hausboot in Frankreich bis zur Schwitzhütte in Finnland. Für eine Aktie erhält man pro Jahr 60 Wohnpunkte, dazu fällt ein jährlicher Mitgliedsbeitrag an – und die Rückgabe der auf lebenslange Bindung zielenden Aktien ist schwierig.
Diese Mixtur fand der VKI mehr als fragwürdig. Und beanstandete 48 Bestimmungen in den Geschäftsbedingungen, Buchungsinformationen und FAQs des Unternehmens. „Wir sind der Meinung, dass die verbraucherrechtlichen Bestimmungen nicht durch den ,Aktionärsstatus‘ von Kund:innen ausgehebelt werden können“, so Verbraucherschützer Joachim Kogelmann. Das Oberlandesgericht Wien gab dem VKI Recht und erklärte alle 48 angefochtenen Klauseln in einem bei Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftigen Urteil für unzulässig.
Fünf-Sterne-Service. Wer hingegen weder Wohnpunkte erhamstern noch lästige Mitbewohner:innen ertragen muss, verbindet auch im Urlaub das Angenehme mit dem Genüsslichen. Hoch im Kurs liegen daher derzeit Branded Residences – also Apartments im Privateigentum, die alle Annehmlichkeiten eines Fünf-Sterne-Hotels bieten und den Flair einer Luxusmarke transportieren. Als ikonischer Pionier dieser Wohnform gilt seit 1927 The Sherry Netherland Hotel in New York, seinerzeit das höchste Apartment-Hotel der Welt. Weitere exklusive Fünft- oder Sechst-Wohnsitze bieten zum Beispiel das Bulgari Lighthouse in Dubai, die Ritz-Carlton Residences in Diriyah (Saudi-Arabien) oder das Four Seasons in Las Vegas an. Private Luxusapartments gibt es auch im Weissen Rössl am Wolfgangsee oder als Buy-to-let-Variante „The Heimat“ im Bregenzerwald.
Ab auf die Insel. Noch exklusiver sind die Angebote des Privatinsel-Anbieters Vladi Private Islands. Ab 2,2 Millionen Euro kann man hier etwa eine eigene Mittelmeerinsel erwerben (10.811 m2, nächste Großstadt: Delphi). Etwas tiefer muss man für Big Darby Island auf den Bahamas (33 Millionen) oder für Pumpkin Key in Florida (72 Millionen) in die Urlaubskasse greifen. Vor anderen Tourist:innen hat man hier aber garantiert seine heilige Ruhe.
„… genau prüfen, welches Angebot zu mir passt“
Herr Kogelmann, was ist ein Timesharing-Vertrag?
Kogelmann: Eine Vereinbarung zwischen Verbraucher:in und Unternehmen, die die wiederkehrende Nutzung von Objekten über einen Zeitraum regelt, der länger als ein Jahr ist. Treffen diese Eckpunkte zu, gelten für Verbraucher:innen strenge Schutzbestimmungen.
Worauf muss ich achten, wenn ich einen solchen Vertrag abschließe?
Ob das Angebot auch wirklich meine Bedürfnisse erfüllt. Kann ich zu meinem Wunschzeitpunkt Urlaub machen? Gibt es ein Ausstiegsszenario, wenn sich meine Lebenssituation ändert – zum Beispiel, weil ich alters- oder gesundheitsbedingt nicht mehr zum Reisen in der Lage bin?
Was darf’s kosten?
Das muss jede:r für sich selbst entscheiden. Wichtig ist, im Reisebudget An- und Abreise sowie die Lebenserhaltungskosten mit einzuberechnen. Und im Kleingedruckten nachzulesen, ob versteckte Zusatzgebühren drohen. Wer sich unsicher ist, kann den Vertrag auch von unseren Expert:innen prüfen lassen.
Wann ist Vorsicht geboten?
Wenn aggressive Keiler direkt am Urlaubsort Angebote machen oder zu Informationsveranstaltungen einladen. Wer hier vorschnell unterschreibt, kann zwar mit dem Rücktrittsrecht argumentieren. Eine etwaige Anzahlung ist aber oft verloren.
Text: Alexander Lisetz