Die Business Beaches in Österreichs Süden verlegen das Büro an den Strand.
bleisure

Zwischen Laptop und Liegestuhl

Vormittags planen, nachmittags planschen. Oder freitags Meeting mit Kund:innen, samstags zu Rembrandt und Madame Tussauds. Bleisure Travel und Workations, bei denen Geschäfts- und Urlaubsreise verschmelzen, sind nicht nur immer beliebter, sondern auch ein Riesengeschäft. Aber tun sie uns gut?

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Im südlichsten Bundesland legt man Wert auf Work-Life-Balance. Genauer gesagt: auf Work-See-Balance. So nennt das zumindest Melanie Sass-Schweigreiter, eine der Initiator:innen der „Business Beaches“. „Wer immer und überall arbeiten kann, sucht sich seinen Arbeitsplatz bewusster aus“, sagt sie. „Was liegt da näher, als den Arbeitsplatz im Sommer in die Sonne, an den See, ans Meer, auf den Berg oder in den Stadtpark zu verlegen?“ Ihr Angebot: mobile Outdoor-Arbeitsplätze mit kostenlosem Strom- und WLAN-Anschluss, Überdachung und versperrbaren Spinden, nur ein paar Schritte vom Faaker, Millstätter- oder Wörthersee entfernt. 

Ein ähnliches Workation-Erlebnis bieten die „Golfblocks“ am Seddiner See in Brandenburg. Für eine ausgeglichene Work-Golf-Balance sorgen aber auch die Golfreise-Angebote von Plattformen wie trip-workation.com. 

Die Maßgabe, Job und Freizeit, Dienst- und Privatreise säuberlich zu trennen, ist heute in den meisten Branchen überholt. Stattdessen trenden Bleisure (die Addition von Business und Pleasure, also ein Vergnügungsurlaub im Anschluss an einen Business-Aufenthalt) und Workations (eine Mischung aus Work und Vacation, also Arbeit und Urlaub). Laut einer Expedia-Studie verlängerten 83 Prozent der befragten Geschäftsreisenden im Vorjahr mindestens einmal einen Business-Trip um eine private Auszeit. Am häufigsten taten das Reisende aus der Technologiebranche, aus der verarbeitenden Industrie oder dem Finanzwesen. Die Gelegenheit dafür liefern laut einer Umfrage der Geschäftsreise-Plattform Navan meist Konferenzen (67  Prozent) oder firmeninterne Meetings (30  Prozent). Entsprechende Angebote parat zu haben, wird im „War for Talents“ auch für Arbeitgeber:innen immer wichtiger. Für 57  Prozent der interviewten Arbeitnehmer:innen einer PwC-Studie sind Workation-Angebote „ein wichtiges Kriterium bei der Jobwahl“. Fast ein Drittel würde sogar einen Job ausschlagen, der keine Möglichkeiten für Workations bietet. Befragt wurden nur Berufstätige, deren Arbeit das Homeoffice nicht ausschließt.

Produktiver und kreativer. Doch leidet da nicht die Performance? Ganz im Gegenteil: Für mehr als zwei Drittel der PwC-Befragten steigern Workation-Angebote die Jobzufriedenheit (79 Prozent), die Kreativität (77  Prozent) und die Produktivität (76  Prozent). „Wer an einem anderen Ort arbeitet, findet leichter zu neuer Inspiration und ist stressresistenter“, verspricht auch die Österreich Werbung. Die Reisenden zwischen Laptop und Liegestuhl sind nämlich eine lukrative Zielgruppe. Und werden nun immer zielgerichteter mit maßgeschneiderten Paketen verwöhnt. Das Angebot reicht dabei vom energieautarken Konzept-Hotel mit hauseigenem Supermarkt für Langzeit-Businessgäste (Steiermark, hi5-hotel.at) bis zur mit Meetingraum und Arbeitsplätzen ausgestatteten Mountain-Lodge mit Glocknerblick (Osttirol, collishill.com) und vom Konferenzzentrum auf Burgruinen (Burgenland, burghotel-schlaining.at)
bis zum Homeoffice-Hybrid mit Anschluss an die Coworking-Community (Wien, livezoku.com/vienna).

Neue Hotel-Konzepte. Hinter dem letztgenannten steckt ein Pionier der Workation-Bewegung. Der gebürtige Niederländer Hans Meyer war Mitbegründer der Hotelketten citizenM und Zoku und betreibt Businesshotels in Wien, Paris, Amsterdam und Kopenhagen. „Als ich mit Zoku anfing, war es gerade möglich geworden, von überall aus zu arbeiten“, sagt er. „Die traditionellen Grenzen zwischen Arbeit und Urlaub verwischten. Und immer mehr Leute wünschten sich Unterkünfte, die die Annehmlichkeiten eines Hotels mit der Infrastruktur eines Arbeitsplatzes verbanden.“ In Interviews mit 150 Menschen aus der Zielgruppe identifizierte Meyer aber noch ein anderes Bedürfnis vieler Geschäftsreisender: Anschluss. Vom Arbeitgeber ins Ausland geschickt zu werden, macht abseits der beruflichen Termine oft einsam. Darum konzipiert Meyer seine Hotels so, dass sie möglichst viel menschliche Verbindung ermöglichen – vom barrierefreien Innendesign bis zum vollen Event-Kalender, vom Coworking-Space am Dach bis zum Restaurant, das sich wie eine Büroküche anfühlt. „Nur wer sich mit sich, dem Ort und anderen verbunden fühlt, kann auch gute Arbeit leisten“, so Meyer.

Möglicherweise hat sein Konzept aber nicht nur altruistische Motive. Wer sich auf Dienstreise allein fühlt, will schnell zurück zur Familie. Wer leicht Anschluss findet, hängt hingegen gern noch zwei, drei Bleisure-Tage an den vom Sekretariat ausgearbeiteten Terminmarathon an. Das lohnt sich für Hotellerie und Gastronomie, für Freizeitanbieter und Kulturveranstalter. Der weltweite Bleisure-Trend hat sich nämlich zu einem pulsierenden Wirtschaftszweig entwickelt. US-Marktforschungsinstitute erwarten bis 2032 eine Verdopplung des globalen Marktwerts auf 700 Milliarden Euro (Allied Market Research ) bis 1.000 Milliarden Euro (Stellar Market Research). Die beliebtesten gehobenen Bleisure-Reiseziele hat Luxusreisegepäckhersteller Carl Friedrik erhoben: Im Ranking führen die europäischen Destinationen Lissabon, London, Rom, Barcelona und Nizza vor Melbourne und Dubai. Auch Neuseeland möchte sich als Workation-Destination etablieren und gestattet seit Jänner digitalen Nomaden bis zu 90 Tage im Jahr, an denen visafrei gearbeitet werden darf. „Wir möchten, dass die Menschen unser Land als den idealen Ort für Reisen und für die Arbeit ansehen“, so Bildungs- und Migrationsministerin Erica Stanford. Im Visier hat sie dabei neben Gästen aus Europa und den USA vor allem jene aus Asien. Die weltweit mobilsten Arbeitnehmer:innen leben nämlich in China, Indien und Hongkong, fand booking.com heraus.

Klare Verhältnisse schaffen. Wer mithelfen möchte, Österreich auf die vorderen Plätze zu bringen, sollte vor dem Abflug jedoch den Umweg über Chef:innenbüro und Buchhaltung machen. „Für eine Workation ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in unerlässlich, die Arbeitszeit, Arbeitsort und Erreichbarkeit regelt. Das dient dazu, mögliche Missverständnisse zu vermeiden und rechtliche Klarheit zu schaffen“, schreibt das Arbeitsministerium im „Leitfaden für mobiles Arbeiten“. Und auch die Arbeiterkammer rät, sich vor Reiseantritt im Rahmen einer Beratung über die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte der geplanten Workation zu informieren.


 

Die Linzerin Christa Schirl ist Job-Coach, klinische Psychologin und Psychotherapeutin.


„Eine Workation braucht Abgrenzung“

Die Linzer Psychologin Christa Schirl über Tricks und Tücken der perfekten Workation – und warum sich der Muskel in der Pause aufbaut.

Wie überzeuge ich meine:n Chef:in davon, dass ich mit den Füßen im Sand produktiver bin?
Für manche ist das tatsächlich so. Eine Klientin ist Personalberaterin mit Hang zur Winterdepression, die fällt im Karibik-Strandhaus von Dezember bis März keinen einzigen Tag aus. Eine andere arbeitet in Südamerika als Grafikerin für einen heimischen Kunden, zu beider Zufriedenheit. Aber man muss der Typ dafür sein. Und natürlich braucht es einen Job, der sich im Homeoffice erledigen lässt.

Stolpersteine …?
… sind oft die ganz banalen Sachen. Dass die Internetverbindung nicht stabil ist oder das Equipment vor Ort nicht kompatibel. Das kann viel Energie rauben.

Wie organisiere ich meine Arbeit in einer Workation?
Stellen Sie sich vor, auf Ihrem Schreibtisch liegt eine Schokolade, die Sie nicht essen dürfen. Da geht doch die halbe Konzentration dafür drauf, dieser Schokolade zu widerstehen! Genauso ist es am Urlaubsort: Trennen Sie Arbeitsplatz und Freizeitbereich, Job und Vergnügen. Sonst denken Sie vorm Laptop die ganze Zeit an die perfekte Welle.

Ein bisschen E-Mails checken, ein kleiner Anruf darf doch aber sein …?
Vorsicht: Wir bauen unsere Muskeln in der Pause auf. Ich liebe meinen Beruf sehr, aber ich verschreibe mir konsequent Erholungszeit, in der ich wieder auftanken kann. Hat Ihr:e Chef:in nichts dagegen, wenn Sie im Sommer zwei Wochen in Jesolo Homeoffice machen und zwischendurch Muscheln sammeln wollen, sage ich: Go for it! Wenn Sie aber in Ihren fünf Urlaubswochen weiterarbeiten, weil sonst die Projekte nicht fertig werden, tun Sie sich damit nichts Gutes. 

Text: Alexander Lisetz