Der neue Aktionär
S. weist Berührungspunkte zur russischen Elite auf. So fungiert er als Geschäftsführer einer französischen Firma, die einem Oligarchen aus der Jelzin-Ära gehört. Darüber hinaus ist er auch noch mit einer Firma aus Luxemburg geschäftlich aktiv. Vor einigen Jahren wurde S. in diesem Zusammenhang offenbar bei der Bürgermeisterin einer italienischen Gemeinde vorstellig – in Vertretung des berühmten russischen Dirigenten Valery Gergiev, der dort von einer schwerreichen Verehrerin seiner Kunst mehrere Campingplätze geerbt hatte. Gergiev gilt als treuer Putin-Freund. Er leitet das traditionsreiche Mariinsky Theater in St. Petersburg und wurde vor wenigen Tagen auch noch zum Generaldirektor des weltberühmten Bolshoi Theaters in Moskau ernannt – sowie zum Co-Vorsitzenden der Musiksparte der Theatervereinigung der russischen Föderation.
Ist S. im „Fontana“-Park nun ausschließlich für sich selbst unterwegs oder vertritt er auch die wirtschaftlichen Interessen Dritter, die selbst nicht vor den Vorhang treten wollen? Auf profil-Anfrage betont der Geschäftsmann, er agiere im eigenen Namen und „sicherlich nicht für Herrn Gref oder Herrn Gergiev“. Wie viel er für die Rohbau-Villen bezahlt hat und was er nun damit plant, wollte S. nicht beantworten. Er sei ein privater Geschäftsmann, schätze seine Privatsphäre und agiere im Einklang mit dem Gesetz.
Fest steht freilich, dass das Immobilienprojekt nicht so läuft wie geplant. Sonst wären die Villen zumindest äußerlich bis Jahresende fertiggestellt, wie es im Rahmen der Liegenschafts-Kaufverträge festgelegt wurde. Im Vorjahr überlegte man sogar, die Rohbauten wieder abzutragen und lediglich die Grundstücke zu verkaufen – profil berichtete. Dazu kommt, dass innerhalb weniger Jahre nun bereits der dritte Eigentümer auftaucht.
Putins früherer Vize-Stabschef
Ursprünglich ließen sich Teile der Firmenstruktur mithilfe der „Pandora Papers“ ins Umfeld eines gewissen Kirill Androsov verfolgen. Dieser war von 2008 bis 2010 Vize-Stabschef des damaligen russischen Premierministers und heutigen Kreml-Chefs Wladimir Putin. Später wurde Androsov als Fondsmanager tätig, wobei die ICIJ-Daten auf ein geschäftliches Naheverhältnis zur Familie Herman Grefs hindeuten.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine fand Grefs Name im April 2022 Eingang in die Sanktionsliste der EU. Zufall oder nicht: In den darauffolgenden Wochen und Monaten wechselte bei den „Fontana“-Villen die Eigentümerschaft, ein litauischer Staatsbürger übernahm die Projektfirmen. Ein gutes Jahr später ist auch das bereits wieder Geschichte. Anfang August 2023 wurde Leon S. Alleinaktionär des liechtensteinisch-österreichischen Firmenkonstrukts. Geschäftsführer der österreichischen GmbH, die eines er beiden Grundstücke hält, blieb der Litauer.
Notwendige Transparenz
Allem Anschein nach ist dieser GmbH im Zuge des Eigentümerwechsels ein Lapsus passiert. Im österreichischen Firmenbuch sind oft nur die unmittelbaren Gesellschafter zu finden (im konkreten Fall eine Firma aus Liechtenstein), wobei diese mitunter auch Treuhänder sein können. Um mehr Transparenz zu schaffen, müssen seit einigen Jahren allerdings die am Ende der Kette stehenden tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten gemeldet und ins Register der wirtschaftlichen Eigentümer (WiEReG), das beim Finanzministerium geführt wird, eingetragen werden.
Früher war ein Teil dieser Registerdaten öffentlich einsehbar. Im November 2022 entschied allerdings der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem Fall aus Luxemburg, dass dies dem Datenschutz widerspreche. Zahlreiche Länder sperrten ihre Register für die Öffentlichkeit, auch Österreich. Grund zum Jubeln für Geschäftsleute wie Leon S., die bei Millionendeals gerne im Schutz der Privatsphäre segeln.
Wieder Zugang zum Eigentümerregister
profil recherchiert zu diesem Urteil und seinen Folgen seit Längerem im Rahmen einer internationalen Journalistenkooperation unter Führung der Investigativplattform OCCRP. Der EuGH hatte festgehalten, dass – unter anderem – Journalistinnen und Journalisten, die sich mit dem Thema der Geldwäschebekämpfung befassen, weiterhin ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme haben. Österreich passte die Gesetzeslage an und ermöglicht seit Anfang September 2023 unter diesen eingeschränkten Bedingungen wieder Abfragen. Die erste Auskunft, die profil einholte, war zur Eigentümer-GmbH einer der „Fontana“-Villen. Und siehe da: Die Eintragung im WiEReG deckte sich nicht mit dem liechtensteinischen Firmenbuch.
Dort ist S. seit Anfang August 2023 als Alleinaktionär der Mutterfirma vermerkt. Im WiEReG hingegen schien noch Mitte Oktober 2023 sein Vorgänger als alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH auf. Laut Gesetz ist ein Wechsel allerdings innerhalb von vier Wochen zu melden, ein Verstoß kann ein Finanzvergehen darstellen. Sofern nicht ein Fehler oder eine Verzögerung in der Registerführung vorlag oder S. doch als Treuhänder agierte, spricht vieles dafür, dass die rechtzeitige Meldung unterblieben ist.
„Medienberichte gute Erkenntnisquelle"
Erst nachdem profil diesbezügliche Rechercheschritte gesetzt hatte, tauchte Leon S. in den WiEReG-Daten auf. Gut möglich, dass die Finanz auf Basis der profil-Erkenntnisse bei der Villen-GmbH vorstellig wurde. Ein Beispiel dafür, dass nur möglichst breite Einsichtsrechte für tatsächliche Eigentümertransparenz sorgen. Letztere gilt als wichtige Voraussetzung für die Sauberkeit des Finanz- und Wirtschaftsstandorts.
Der Geschäftsführer der GmbH betonte auf Anfrage, im Einklang mit dem Gesetz zu handeln. Seitens des Finanzministeriums wollte man zur konkreten Angelegenheit keine Auskunft geben. Allgemein teilte man zur Auswahl von WiEReG-Prüffällen mit: „Neben direkten Wahrnehmungen und Recherchen der Registerbehörde sind Medienberichte auch eine sehr gute Erkenntnisquelle.“