Menschen in Gaza gehen auf der Straße, umliegend sieht man das zerbombte Gebiet
Nahost-Konflikt

Geld „auf Eis“: Was das für Hilfsprojekte in Palästina bedeutet

Österreich dreht den Geldhahn für Hilfsprojekte in Gaza vorerst zu. Welche Auswirkungen das auf die Zivilgesellschaft hat und wohin das Geld fließt.

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Nach dem brutalen Überfall der Terrororganisation Hamas auf israelische Siedlungen im Grenzgebiet zu Gaza ließ die österreichische Bundesregierung keinen Zweifel an ihrer Solidarität mit Israel. Zu den symbolischen Gesten gehörte das Hissen der Israel-Flagge am Kanzleramt, deutlich weitreichender war eine Entscheidung von ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg: Insgesamt 18,8 Millionen Euro fließen aus Österreich in sieben Projekte in Gaza. Derzeit sind alle Zahlungen „eingefroren“, wie das Außenministerium am Montag verkündete. 

Die Summe ist für den Zeitraum von 2020 bis 2025 auf sieben verschiedene Projekte aufgeteilt, deren Schwerpunkte Wasserversorgung, Gesundheit und Stärkung der Frauen sind. Darunter zwei Projekte der NGO „CARE Österreich” sowie drei UN-Projekte. „Care Österreich” betreut zum Beispiel Gesundheitseinrichtungen, die derzeit unter anderem Erste Hilfe in den betroffenen Gebieten am Gazastreifen leisten, erklärt Lukas Wank, Geschäftsführer des Dachverbands „Globale Verantwortung”, eine Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe, die insgesamt 33 NGOs betreut. Laut des Geschäftsberichts 2022 der ADA (Austrian Development Agency) wurden die Projekte in den palästinensischen Gebieten von 2020 bis 2022 mit jährlich 4,70 bis 6,39 Millionen Euro finanziert.

Zahlung auf Eis: Was das für die Projekte bedeutet

Bis Österreich die Zahlungen evaluiert hat, heißt es für sie: warten. „Wir sprechen von einer akuten Kriegssituation in Gaza, die Frauen können derzeit ohnehin nicht in die Kurse kommen“, erklärt Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich. „Gaza ist ein spezieller Fall. Frauen sind dort kaum erwerbstätig. Mit unserem derzeitigen Förderungsprojekt versuchen wir, sie auf den Arbeitsmarkt zu bringen und dem Armutsproblem entgegenzuwirken“, erzählt sie. Dass die Arbeit der Projekte laufend evaluiert und überprüft werde, sei außerdem normal, man müsse sicherstellen, dass das Geld bei den Projekten ankommt. In drei Monaten wäre das Projekt ausfinanziert gewesen, jetzt müsse man „schauen, wie es weitergeht“. Grundsätzlich sei man optimistisch, dass das Projekt den Evaluierungen standhalten werde.  

Die medizinische Versorgung vor Ort kann indes nicht pausiert werden, erklärt die Barschdorf-Hager. Insgesamt 13 Helfer:innen von CARE und den lokalen Partnerorganisationen sind im Dauereinsatz. Aktuell sitzen laut CARE 2,3 Millionen Menschen am Gazastreifen fest. Strom und Wasser fehlen, Krankenhäuser können die zahlreichen Opfer nicht versorgen. Zudem werden vor allem auch Nahrungsmittel gebraucht. „Für meine Kolleginnen und Kollegen in Gaza ist das Leben von Entbehrungen und Gefahr geprägt. „Würde man die Gelder für Menschen einstellen, die täglich ihrer Arbeit nachgehen und schulische Bildung sowie medizinische Versorgung ihrer Kinder sichern wollen, wäre das natürlich fatal“, betont die CARE Geschäftsführerin. „Unser Hilfsteam vor Ort berichtet uns, dass es keinen sicheren Ort gibt, an dem Zivilpersonen Schutz suchen können. Es brauche dringend „Fluchtwege und sichere Zufluchtsorte für die betroffene Zivilgesellschaft“ sowie Zugänge, um Hilfe leisten zu können.

„No Contact Policy“ für terroristische Gruppen

Lukas Wank erklärt im profil-Gespräch, dass vielfältige präventive Maßnahmen das Risiko einer Terrorismusfinanzierung minimieren würden. Die „Hamas” sind als Terrororganisation gelistet. Dass Gelder in die falschen Hände gelangen könnten, wird durch gleich mehrere Sicherheitsmaßnahmen verhindert: Die Organisationen unterliegen dem österreichischen Vereinsrecht. Somit finden regelmäßige Kontrollen und eine ordnungsgemäße Buchführung statt. Außerdem seien die Mitgliedsorganisationen Träger des Österreichischen Spendengütesiegels, heißt: Sie werden jährlich geprüft. „Bei allen finanziellen Entscheidungen ist zumindest das Vieraugenprinzip Standard, in der Praxis gilt häufig sogar das Sechs- oder Achtaugenprinzip“, erklärt Wank. Zudem habe CARE eine „No Contact Policy“ zu terroristischen Gruppen. Das bedeutet, dass sie keinen neutralen Kontakt haben, wie es oft auf humanitäre Organisationen zutrifft, die allen Seiten in einem Konflikt helfen und Neutralität wahren. 

Auch aus dem Außenministerium heißt es, dass Projektpartner eine Vielzahl an Förderkriterien erfüllen müssten. So dürfen diese nicht auf einschlägigen Sanktionslisten geführt oder in der Vergangenheit strafrechtlich verfolgt beziehungsweise verurteilt worden sein. Das Kooperationsbüro in Ramallah mache sich zudem regelmäßig ein eigenes Bild von der Umsetzung dieser Kriterien. Durch die Pausierung der Zahlungen für die Entwicklungszusammenarbeit entsteht „der Eindruck, dass NGOs in palästinensischen Gebieten indirekt Terrorismus unterstützen würden”, erklärt Lukas Wank.

Die Konsequenzen

„Streicht die österreichische Bundesregierung die Finanzierung entwicklungspolitischer Projekte, handelt sie ihrem Prinzip langfristiger Partnerschaften zuwider und trifft damit die Ärmsten der Armen aus der Zivilbevölkerung, die unter dem Konflikt am meisten zu leiden haben”, betont Wank. Durch die Projekte werden insbesondere Frauen und Mädchen am Arbeitsmarkt unterstützt und sie können dazu beitragen, die Radikalisierung der jungen Bevölkerung zu verhindern. Etwa durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die auch jungen Männern eine Zukunftsperspektive bieten und dadurch Geschlechtergerechtigkeit fördern. Wank fordert, dass die Regierungen weiterhin humanitäre Hilfe in palästinensischen Gebieten leisten, denn: „Das Einfrieren von Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit bewirkt genau das, was dadurch verhindert werden soll, denn wenn die Zivilgesellschaft in den palästinensischen Gebieten ihre Arbeit nicht mehr fortsetzen kann, spielt das radikalen Kräften in die Hände”, erklärt Wank.

Karolina Heinemann

hat im Rahmen des 360° JournalistInnen Traineeship für das Online-Ressort geschrieben.