„Wir sind sicher in vielerlei Hinsicht ein Kontrapunkt zum modernen Fußball“, meint Ablinger, der seit Juli 2024 gemeinsam mit Nicole Selmer Co-Chefredakteur des „Ballesterer“ ist (und davor profil-Innenpolitikredakteur war): „Uns interessieren Dinge, die in der Kommerzialisierung oft untergehen.“
Laut Verlagsangaben ist die Leserschaft des „Ballesterer“ zu 92 Prozent männlich und zu 75 Prozent zwischen 20 und 39 Jahre alt. 42 Prozent haben einen Hochschulabschluss, zwei Drittel spielen nach eigenen Angaben selbst nicht Fußball. Für ein Viertel ist laut aktueller Leserbefragung Rapid der Verein der Wahl, für zehn Prozent Sturm Graz; Bayern München ist – im Gegensatz zu Vorwärts Steyr oder Arminia Hannover – nicht unter den Top 10.
Im 25. Jahr seines Bestehens ist der „Ballesterer“ inzwischen das einzige gedruckte Sportmagazin aus Österreich (rechnet man das eher werblich orientierte „Red Bulletin“ nicht mit) und hält im österreichischen Fußball auch sonst eine Sonderstellung. Red Bull Salzburg beantwortet Interviewanfragen aus der Porzellangasse zwar in der Regel immer noch abschlägig, ansonsten genießt man im heimischen Betrieb aber – als kritisches, immer ernsthaftes Gegenüber – Respekt und, jawohl, auch eine gewisse Narrenfreiheit. Das mag einerseits daran liegen, dass es den Ballesterern nicht an Expertise mangelt, und dass andererseits auch im weitgehend durchkommerzialisierten Fußball der Gegenwart die Nostalgie nach dem schönen Spiel weiterlebt, nach dem billigen Stehplatz an der Cornerfahne, am Samstagnachmittag beim Herzensverein.
Ein paar beispielhafte Titelthemen aus den vergangenen Jahren: „Die Dorfliga. Fußball in den 2000ern“, „Fußball im Lokal“, „Austria Salzburg 1993/94“, „Aufstieg und Fall des GAK“, „Im Käfig“ oder jene grandiose Covergeschichte über die vergessene österreichisch-ungarische Fußballlegende Bela Guttmann – österreichischer Meister mit der Hakoah Wien, Holocaust-Überlebender, als Trainer Meisterpokalsieger mit Benfica Lissabon, später einige Spiele auch noch österreichischer Nationaltrainer, „das sind Geschichten, bei denen ich selber staune“, sagt Ablinger, der davon überzeugt ist, „dass die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte des österreichischen Fußballs sicher ganz wesentlich auch vom ‚Ballesterer‘ angestoßen wurde“. Die mehrjährige Serie „Fußball unterm Hakenkreuz“ setzte diesbezüglich Maßstäbe.
Mit dem traditionellen Schlachtruf der Fußball-Ultras – „Gegen den modernen Fußball!“ – kann man sich beim „Ballesterer“ durchwegs identifizieren; dass das Magazin der organisierten Fanszene nahesteht oder zumindest einen offenen Austausch mit dieser pflegt, hat in der Vergangenheit freilich immer wieder auch Kritik ausgelöst. Manchen Beobachtern gilt der „Ballesterer“ als Hooligan-Versteher, wobei der Ultra zwar nur in den allerseltensten Fällen ein Hooligan ist, aber diese Debatte kann länger dauern. Chefredakteur Ablinger haben seine Recherchen unter anderem schon ins Athener Hauptquartier des berüchtigten Panathinaikos-Fanclubs „Gate 13“ geführt („hinter zentimeterdicken Stahltüren, mit Riegelschlössern und Stacheldraht gesichert, schon abenteuerlich“) oder auf nächtliche Expedition mit den Sprayern der Austria-Wien-Fangruppe „KAI 2000“ („dann liegst du am Boden unterm Zug, wartest, bis die Security vorbeigefahren ist, und schaust in den Sternenhimmel“). Er kennt den Vorwurf natürlich: „Die Kritik ist uns bewusst, wir reflektieren das auch. Aber für uns ist die Perspektive der Ultras eine, die wir berichtenswert finden. Allerdings kritisieren wir auch ganz klar, wenn es zu homophoben oder rassistischen Eklats kommt.“ Schon in seiner 24. Nummer hat sich der Ballester übrigens mit einer legendären Titelzeile deklariert: „Dieses Heft ist schwul.“ Andere Keckheiten der frühen Jahre sind weniger gut angekommen, die Trash-Nummer „So geil ist der Fußball. Groupies, Machos, Puffbesuche“ im grellen Yellow-Press-Layout war eine der schlechtestverkauften aller Zeiten. Über Fußball macht man keine Witze.
Jahrhundert-Austrianer Herbert Prohaska hat dem „Ballesterer“ unlängst ein Grußvideo zum Geburtstag geschickt, erzählt Ablinger (selbst ein Anhänger des SK Rapid): „Mit ihm verbindet uns eine lange, freundschaftliche Geschichte“, die wohl in Ausgabe Nummer sieben (Dezember 2002) mit einem Interview über das Wiener Stadthallenturnier begann, dem Prohaska damals seine ewige Zuneigung bestätigte, auch wenn es Schattenseiten hatte: „Ich bin zwar auch ein Raucher, aber wenn du dann in die Halle gekommen bist, da war es wie in der Rauchkuchel. Zwei Mal auf und ab rennen, und du hast keine Luft mehr gekriegt.“