Alltagsgeschichte: Warum ich Deutsch-Deutsch spreche
Immer wieder werde ich darauf angesprochen, ob meine Wurzeln in Deutschland liegen. Zuletzt von gleich drei profil-Journalisten. Ich würde nämlich wie ein Deutscher sprechen. Das Merkwürdige ist: Ich bin in Wien geboren und mache nur maximal alle zwei Jahre in Deutschland Urlaub. Ach ja, wichtiges Detail: meine Eltern sind keine Deutschen!
Mir selbst ist mein „Bundesdeutsch“ bisher gar nicht so aufgefallen. Aber jetzt mach ich mir schon Gedanken darüber. Woher kommt das?
Das fängt mit den Medien und Büchern an, an denen sich die kleinen Kinder orientieren. Beispielsweise am deutschen Fernsehsender KIKA. Dann gibt es noch NICK. In den Pausen zwischen den Serien sprechen die deutschen Moderatoren deutsches Deutsch. Cartoon Network ist auch ein beliebter Kanal. Und in Österreich wird auch nur die deutsche Version ausgestrahlt – warum sollte man auch eine extra Version für Österreich produzieren? Deutsch ist für uns Deutsch. Nur ist eben der Sessel ein Stuhl, der Jänner ein Januar und die Zwetschke eine Pflaume.
Nächster Punkt: Unsere Generation wird stark durch Influencer beeinflusst. Durch die Videos des Parodisten Julien Bam zum Beispiel, der schon mal asozial über bekannte Märchen drüber rappt. Auf Bundesdeutsch natürlich. Oder Leon Machère, der Leute auf der Straße verarscht. Schüler schauen sich heutzutage mindestens genau so lange solche Youtube-Videos an wie sie fernsehen. Auch der klassische Deutschrap beeinflusst uns sehr, mit seinem extra deepen Deutschland-Deutsch.
Ich hab auch meine Mama befragt. Sie sagt, das könne auch daran liegen, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund zu Hause eine andere Sprache sprechen. Dadurch würden sie ihr Deutsch größtenteils über die sozialen Medien mitbekommen. Nur, warum spricht dann auch Rudi mit seinen Wiener Eltern Bundesdeutsch? Wahrscheinlich, weil er so sprechen will, wie die anderen im Park oder am Schulhof. In Tirol sprechen türkische Migranten ja auch tirolerisch-türkisches Deutsch.
Der Trend zum Bundesdeutsch ist nicht aufzuhalten
Die neue Jugendsprache hat auch ihre ganz eigenen Wörter: So wird am Anfang oder am Ende eines Satzes der Begriff „Digger“ verwendet, was so viel wie „Alter“ bedeutet. „Ehrenmann“ oder „Ehrenfrau“ ist auch ein Wort, das so gut wie jeder Jugendliche benutzt. Dieses Wort bedeutet, dass jemand eine besondere Tat vollbracht hat und man deshalb den Ehrenstatus erhält. Das Gegenteil davon: „Ehre nehmen.“ Auch das ist unter Jugendlichen gang und gäbe. Es ist im Grunde genommen eine aufgefrischte Version von „dissen“. Wenn sich zwei Leute streiten, kann es sein, dass eine andere Person kommt und sagt: „Er hat deine Ehre genommen.“ Das kann dann erst so richtig Streit geben. Ableiten tut sich das übrigens von Gamern und Streamern, die in online-Shooter-Games „Ehre genommen“ sagen, wenn sie einen Gegner eliminieren.
Der Trend zum Bundesdeutsch ist nicht aufzuhalten. Was ist daran so schlimm? Eigentlich wird sowieso das österreichische und das deutsche Deutsch vermischt. Mir ist das egal, schnuppe, wurscht.
Eskandar Rasuly (15) ist Schüler im Realgymnasium Wien, Sperlgasse. Er absolviert eine Schnupperwoche bei profil.