Mit Stars zu den Sternchen: Esoterik ist wieder sexy

Ein gesundheitsbewusster, alternativer Lebensstil ist längst vom Trend zur Normalität geworden. Nun werden – beworben von zahlreichen Stars – immer fragwürdigere Gesundheitstrends auf eine junge Zielgruppe zugeschnitten präsentiert. "Alternative Medizin" und Esoterik sind wieder sexy. Warum das gefährlich ist, weiß Medizinjournalistin und Autorin Krista Federspiel.

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Junge Menschen mit Infusionsschläuchen in ihren Venen, hunderte funkelnde Steine auf einer Decke vor einer hübschen Schamanin ausgebreitet, eine geheimnisvolle Kuppel, vor der Dutzende warten, um ihre Aura auf ein Foto gebannt zu sehen. Inmitten der neugierigen Blicke und Fragen eine strahlende Gwyneth Paltrow. Die scheinbar alterslose Schauspielerin ist die Patin dieser Pilgerfahrt der anderen Art: dem ersten Gesundheitsgipfel ihrer Lifestylemarke Goop.

Seit mehreren Jahren betreiben Paltrow und ihr Team die Website goop.com, auf der sie für allerlei Absurditäten werben. Fragwürdige Berühmtheit erlangte ein Jade-Ei für die Vagina, das den Beckenboden trainieren und außerdem sexuelle Energie erzeugen sollte. Eine Behauptung, der von zahlreichen Ärzten widersprochen wurde. Trotzdem war das Jade-Ei innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

Paltrow ist mit Goop die Vorreiterin eines neuen Trends: Entstaubt, neu verpackt und attraktiv gemacht durch die Empfehlung vieler Stars, erleben esoterische Ideen und alternative Medizin ein Revival unter den Jungen der Optimierungsgesellschaft. Ob Paltrow selbst, Model Miranda Kerr oder Sängerin Rihanna: Kaum eine weibliche Prominente kommt heute ohne Bekenntnis zu regelmäßigen Einläufen, Blutegel-Therapie oder Vitamininfusionen aus. Selbst jene, die sich in anderen Bereichen als besonders kritische Geister hervorgetan haben, wie "Girls"-Erfinderin Lena Dunham, arrangieren sich Kristalle auf ihrem Fensterbrett.

Was mit Diäten und Detox begann, nimmt nun immer wunderlichere Formen an: "Was all die Methoden eint, ist das Gefühl, dass man sich etwas Besonderes leistet", meint Medizinjournalistin und Autorin Krista Federspiel, die sich seit Jahrzehnten mit den Angeboten der alternativen Medizin und esoterischen Trends beschäftigt: "Diese zum Teil pseudomedizinischen Angebote, gehören mittlerweile zur luxuriösen Freizeitgestaltung."

Über die Risiken der verschiedenen Methoden wird kaum aufgeklärt. Im besten Fall sind sie einfach wirkungslos und sorgen für kurzfristige Besserung durch einen Placebo-Effekt: "Der Placebo-Effekt ist das, worauf der Erfolg dieser Methoden beruht", so Federspiel, "Placebo-Effekte können sehr schnell eintreten und halten dann eine Zeit lang an. Bei bestimmten Krankheiten sind sie sogar recht wirkungsvoll. Aber man muss dazusagen: Nur eine Zeit lang. Denn die Ursachen der Krankheiten wurden nicht behandelt. Es ist Symptom-Therapie."

Gefährlich wird es, wenn bei ernsten Erkrankungen auf eine schulmedizinische Behandlung verzichtet wird und stattdessen Alternativmedizin zum Einsatz kommt. Erst im Mai starb ein siebenjähriger Bub in Italien an einer für gewöhnlich gut behandelbaren Mittelohrentzündung. Seine Eltern verweigerten die Antibiotika, ein Arzt behandelte ihn mit Homöopathie.

Die Homöopathie hat vor allem im deutschsprachigen Raum einen besonderen Stand. Die österreichische Ärztekammer bietet Ärzten sogar einen Diplomlehrgang dafür an. In Deutschland wird Homöopathie mittlerweile von einigen Krankenkassen übernommen. Spricht das nicht für die Wirksamkeit? Federspiel verneint: "Der oberste Sanitätsrat (Anm.: Ein Gremium aus Experten, das das österreichische Gesundheitsministerium berät) sagt immer noch: Es wirkt nicht. In den USA müssen Homöopathika sogar den Hinweis tragen 'Die Wirksamkeit dieser Arznei ist wissenschaftlich nicht belegt'." Warum zahlen dann die Krankenkassen in Deutschland dafür? "Weil dort die Krankenkasse frei gewählt wird und sie in Konkurrenz um Kunden stehen. Außerdem machen Homoöpathen exzellente Werbung", so Federspiel.

Dieser Werbung wird in Österreich wenig entgegengesetzt. Das Geschäft mit der "alternativen", "ganzheitlichen" oder auch "komplementären" Medizin ist teilweise unreguliert. Das freie Gewerbe der sogenannten Energetiker etwa bedarf keiner geregelten Ausbildung und unterliegt keinerlei Kontrollen. Bei einem Blick ins Firmenbuch wird schnell klar, wie weit verbreitet viele Methoden schon sind. Kranke zu behandeln oder wissenschaftlich anerkannte Therapien anzubieten, ist Laien jedoch untersagt, das ist Ärzten und anderen medizinischen Berufen vorbehalten.

Doch viele, die sich alternativen Heilmethoden zuwenden, sind von der Schulmedizin enttäuscht, teilweise zu Recht, meint Krista Federspiel: "Die Gesprächskultur zwischen Arzt und Patient muss wiederentdeckt werden. Dieses Terrain haben die Ärzte lange den Alternativen überlassen. Das liegt auch an unserem Honorarsystem: Ein Arzt bekommt für eine Spritze mehr, als für ein Gespräch. Das zu ändern ist zum Beispiel das Bestreben der 'Sprechenden Medizin'."

Jenen, denen die Schulmedizin nicht mehr helfen kann, wird Hoffnung verkauft: "Ein verzweifelter Patient greift natürlich nach dem Strohhalm und viele dieser Anbieter bieten Strohhalme an." Am Anfang mögen viele der Methoden plausibel wirken, um jedoch länger daran glauben zu können, muss man sich immer mehr ideologisch abschotten, so Federspiel, "das bedeutet, dass sich oft auch sektenartige Strukturen entwickeln. Esoterische Angebote wenden sich an das Gefühl, an ein spirituelles Bedürfnis, das in unserer rationalen Welt nicht befriedigt wird. Es ist eine Ersatzreligion für viele Menschen."

Rational zu argumentieren, bringt dann oft nichts mehr: "Man kann nur mit jenen erfolgreich kommunizieren, die noch Fragen stellen, die vielleicht in Berührung damit gekommen sind, das interessant finden und bereit sind, sich Informationen zu holen. Aber es gibt einen Punkt, wo man nicht mehr diskutieren kann, wo man keine Informationen mehr anbringen kann."

Es gilt also dort anzusetzen, wo Menschen zum ersten Mal in Berührung mit solchen Methoden kommen. Für viele sind das Lifestyle-Seiten wie Goop oder auch verschiedene Nachrichtenmedien. Gerade bei Gesundheitsthemen werden aber viele Presse- und Werbetexte einfach übernommen, ohne sie zu hinterfragen. Wie eine Studie der Donau-Universität Krems aus dem Jahr 2015 zeigt, sind österreichische Medienberichte zu Nahrungsergänzungsmitteln oder Interventionen, die auch Nichtmediziner durchführen dürfen, stark verzerrt. Nur 10,8 Prozent der Artikel berichten gemäß der tatsächlichen Studienlage. Umso mehr ist man bei außergewöhnlichen Angeboten gefordert, kritisch nachzufragen, meint Federspiel: "Wir suchen uns Zusammenhänge, um uns in der Welt zu orientieren. Doch oft sehen wir Zusammenhänge, wo gar keine sind. Und dann muss ich das Denken einschalten und fragen, kann das wirklich stimmen? Wo sind die Belege? Und wem nützt diese Behauptung? Also wirklich kritisch sein gegenüber Werbelyrik und Fakten."