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Architekt Hans Hollein ist tot (1934-2014)

Aktuell. Österreichs Bau- und Stadtplanungsdoyen Hans Hollein ist tot

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Von Alexander Bartl

Er wollte Wien mit Felsformationen überbauen, die Architektur neu erfinden, ihr jenseits der Konvention zu neuer Blüte verhelfen. Er wollte mehr als andere in der Branche - und es ist Hans Holleins Talent, seiner Durchsetzungskraft und seinem Eigensinn zu verdanken, dass es nicht beim Wollen blieb: Vom Visionär, der mit seinen Ideen in den 1960er-Jahren dem Funktionalismus der Nachkriegsmoderne Paroli bot, stieg er in den exklusiven Club der Architektur-Maestros von Weltrang auf, die Österreich im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Donnerstag früh starb Hans Hollein nach langer Krankheit in Wien.

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Während seine Gedanken auf das Große und Weltbewegende geeicht waren, hielt die Wiener Realität nach dem Studium an der Akademie der bildenden Künste zunächst aber nur einen Kleinstauftrag bereit: Das Kerzengeschäft Retti sollte er gestalten. Doch der am 30. März 1934 in Wien geborene Hollein begriff die Enge des verfügbaren Raums als Herausforderung. Er versah das Geschäft mit Aluminium und Spiegeln, kaum 15 Quadratmeter genügten ihm, um die Baubranche aufhorchen zu lassen. In der Folge gestaltete er weitere Geschäfte, etwa den Juwelier Schullin in Wien und eine Galerie in New York. Dann erst kam der ambitionierte Planer, der bei einem Studienaufenthalt in den USA die schier grenzenlose Weite des Kontinents kennen und schätzen gelernt hatte, auch beruflich dort an, wo er in seiner Fantasie längst daheim gewesen war: im Großformat.

In Mönchengladbach entwarf Hollein das Städtische Museum Abteiberg (1982), in Frankfurt nahm er ein Jahr später das Museum für Moderne Kunst in Angriff. Die Stadt Wien zierte sich noch, ließ den Aufsteiger lieber auswärts werkeln, um ihn ein paar Jahre später umso inniger in ihre Arme zu schließen.

Und Hollein ließ sich gern umarmen, womöglich eine Spur zu gern - aus seiner Sicht nachvollziehbar: Endlich einmal ein Erneuerer, der in seiner Heimat etwas gilt; da lässt man sich nicht lange bitten, wenn einem ehrenvolle Aufgaben angetragen werden.

Hollein war Präsident des Österreichischen Kunstsenats, wurde Vorsitzender des Wiener Fachbeirats für Stadtplanung, befand später oft über das, was er selbst zu bauen gedachte. Die einen mochten das als verdiente Ehre für einen hochbegabten Enthusiasten werten, andere sahen darin die ungute Verquickung von Interessen.

In Zeiten, in denen Stadtbewohner darauf drängen, in die Gestaltung ihrer Viertel einbezogen zu werden, in denen Metropolen durch Bürgerbeteiligung und Mitsprache von unten neu erfunden werden wollen, erscheint vieles, was von oben verordnet wird, erst einmal suspekt. Die Angst davor, dass ein Investor sein Hochhaus vor die eigene Haustür stellt, nährt Ressentiments gegen eine Stadtplanung, die ihre Projekte in den Augen der Öffentlichkeit vielfach an den Bedürfnissen der Menschen vorbei betoniert.

Machtvolle Geste
Hans Hollein polarisierte, seine Architektur nicht minder. Ein Kompliment in einer Epoche, in der immer mehr Business-Bauten so selbstgefällig wie nichtssagend ganze Stadtviertel entstellen. Einerseits wurde der Wiener Planer 1985 mit dem renommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet, andererseits durfte er sich von vielen Wienern anhören, er habe mit dem Neubau des Haas-Hauses am Stephansplatz die City verpfuscht. Man muss Hollein zugutehalten, dass an diesem Standort wohl auch kein anderer zeitgenössischer Architekt etwas hätte errichten können, das einhellig begrüßt worden wäre. Dem Stephansdom einen Spiegel in der Form einer reflektierenden Fassade vorzuhalten, das eigene Bauwerk aber nicht demütig in den Bestand zu fügen, sondern mit machtvoller Geste auftrumpfen zu lassen, das war nichts für schwache Nerven.

Holleins Häuser machen sich gern groß und schwer, nicht auf plumpe Art; man soll ihnen durchaus ansehen, dass sie etwas zu melden haben. Wo Hollein am Werk war, ragen schroffe Wände auf, wirken Teile der Gebäudehülle wie Steilklippen, wird scheinbar Unvereinbares im Sinne der Postmoderne zum aparten Ganzen zusammengezwungen. Viele seiner Werke wecken den Eindruck, als seien sie gar nicht um Ausstellungshallen oder Verkaufsräume herum gebaut worden, sondern um einen gigantischen Motor, und als warteten die Häuser nur darauf, dass im Triebwerkraum jemand aufs Gaspedal steige, damit sie aus ihrer Baulücke heraus beschleunigen könnten.

Stein und Metalle
Seiner energischen Kreationen zum Trotz war Hollein ein Freund massiver Materialien. Stein und Metalle, all das, was der Erdboden hergibt, wird unter seinen Händen Architektur. 2002 setzt er mit dem Vulkanpark "Vulcania“ in der französischen Region Auvergne seiner Leidenschaft ein Monument: Über unterirdischen Schauräumen erhebt sich ein stilisierter, vom Wiener Architekten als mittig geteilter Kegel imaginierter Vulkanschlot; innen mit goldglänzendem Titan verkleidet, außen aus Naturgestein. In ähnlicher Weise beabsichtigte er, das Salzburger Museum im Berg in den Felsen hinein zu modellieren - ein kühner Plan, der nie umgesetzt wurde.

Holleins Faible für das Plastische lässt sich vielleicht auch damit erklären, dass der Planer zwischen den Gattungen kaum je Grenzen zog: Architektur und Design, Malerei und Bildhauerei flossen in seinem Denken schon früh zusammen, verschmolzen zu einem Weltbild, für das er in seinen theoretischen Schriften die griffige Sentenz fand: "Alles ist Architektur.“ Selbst Holleins jüngstes Projekt, der SBF Tower im chinesischen Shenzhen, knüpft mit seinen eingebauten Gärten an diese Vorstellung an.

Seiner Zeit voraus
Wie weit Hollein in den 1960er- und 1970er-Jahren seiner Zeit voraus war, wie treffsicher er die Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts vorwegnahm, zeigt sich daran, dass heute kaum ein Stararchitekt ohne flankierende Accessoire-Linien auskommt. Zaha Hadid entwarf Schuhe, Frank Gehry versuchte sich als Schmuckdesigner; umgekehrt schöpfen Designer aus der Welt der Architektur Inspiration. Lange bevor sich die Nachbarschaftshilfe der Disziplinen als Lifestyle-Trend manifestierte, war Hollein neben seiner Arbeit als Architekt als Designer und Künstler tätig. Vor mehr als 50 Jahren kam er auf die Idee, eine Stadt in einem Flugzeugträger zu verstauen. Anfang 1980 bot sich ihm die Chance, seine Utopie en miniature zu verwirklichen - als Teeservice für Alessi mit Namen "Flugzeugträger“. In der Tat sah die dynamisch geformte Kanne auf dem schnittigen Tablett so aus, als müsste man sie gut festhalten, damit sie nicht abhob.