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Au revoir, Hipster - und Danke für das gute Essen!

Als prototypische Figur des alternativen Konsum-Zeitgeists der 2010er-Jahre war der rauschebärtige, flächig tätowierte Hipster eine viel belächelte Erscheinung. Dabei kann man seinen Errungenschaften durchaus etwas abgewinnen, findet Georges Desrues - zumindest aus kulinarischer Perspektive.

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von Georges Desrues

Wenn es nun stimmt - und die Anzeichen verdichten sich ja tatsächlich-, dass das Zeitalter der Hipster dem Ende zugeht, um der politisch wesentlich bewussteren Kultur der Wokeness Platz zu machen, dann ist es wohl an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Nämlich darüber, was vom Hipster, diesem häufig belächelten, halb konservativen, halb progressiven und immer nostalgisch der präindustriellen Vergangenheit zugewandten Hedonisten bleiben wird, nachdem er seinen jahrelang unangefochtenen Spitzenplatz als Trendsetter geräumt hat.

Und das Fazit fällt so schlecht gar nicht aus. Zumindest in den Bereichen Essen und Trinken hat die Hipster-Kultur, trotz vieler weltanschaulicher Widersprüche und marketinggetriebener Stilblüten, dazu beigetragen, diese Welt ein Stück weit qualitätsorientierter, vielfältiger und freudvoller zu gestalten. Denn in vielen kulinarischen Bereichen hat der vermeintlich unpolitische, irgendwie immer ein bisschen lächerliche Hipster genüsslich seine Spuren hinterlassen. Eine Hommage in fünf Gängen.

Bier oder Die neue Vielfalt

Noch vor zehn Jahren schien das Brauereisterben unaufhaltsam. Betriebe fusionierten und wurden von Großkonzernen geschluckt, Biersorten verschwanden, Geschmacksunterschiede verwässerten. Dann schwappte die-maßgeblich von US-amerikanischen Hipstern angestoßene-Craft-Bier-Welle nach Europa, allerorts eröffneten handwerklich arbeitende Klein-und Kleinstbrauereien, alte Bierstile wurden wiederbelebt, neue geboren. Bald erkannten auch die Großkonzerne, dass hier ein Markt entstand, der ein Mehr an Geschmack und Vielfalt nicht nur zulässt, sondern aktiv einfordert.

Plötzlich kam auch in den Großbrauereien wieder mehr vom aromatischen (und teuren) Hopfen zum Einsatz, wurden ungewohnte Sorten wie das vergessene Wiener Lager oder das exotische Indian Pale Ale auf den Markt gebracht. Zwar wurden zuletzt-in der Folge der Covid-Krise-wieder etliche Kleinbetriebe von größeren geschluckt. Aber zumindest bei den Bierstilen sollte die neue Vielfalt doch erhalten bleiben.

Brot oder Das alte Handwerk

Auch beim Brot schien es eine Zeit lang so, als wäre der Siegeszug der schnell aufgebackenen Industrieteiglinge aus den Backboxen und Filialbackstuben unabwendbar und das Verschwinden der letzten Bäckereien nur mehr eine Frage der Zeit. Dann aber entdeckten einige, zumeist junge Leute, das uralte Bäckerhandwerk, experimentierten mit Sauerteigen, vergessenen Getreidesorten und extrem langen Gehzeiten. Einige von ihnen wurden zu Hipster-Stars und schließlich auch zu Unternehmern mit mehreren Bäckereifilialen, die im Szenesprech auch als "Brotboutiquen" firmieren. Dort bekommt man nun hochwertigstes Brot und famose Semmeln, bisweilen allerdings zu (für das Grundnahrungsmittel schlechthin) geradezu absurd überhöhten Preisen. Aber vielleicht ist das ja ein Grund dafür, warum so viele Menschen dazu übergegangen sind, ihr Brot wieder selber zu backen.

Wein oder Die Wiederentdeckung der Natur

Im Jahr 2004 sorgte ein Film namens "Mondovino" für weltweites Aufsehen. Thema der Dokumentation war die internationale Vereinheitlichung des Geschmacks von Wein durch den Einsatz moderner Technologie bei der Erzeugung, vor allem aber auch durch die Bewertungsmethoden des damals als allmächtig geltenden amerikanischen Weinkritikers Robert Parker. Ihn beschuldigte man, der Welt seinen Geschmack aufzuzwingen, indem er in seinem Punktesystem nur jene Weine mit Höchstnoten bedachte, die seinen eigenen, sehr subjektiven Vorstellungen (und jenen des amerikanischen Markts) entsprachen: besonders dichte, holzige, alkohol-und extraktreiche Fruchtbomben ohne Tiefgang, Eleganz, Seele und Terroir, die man, dank besagter Technologie, überall auf der Welt erzeugen konnte.

Was dann ja auch tatsächlich in großem Maßstab gemacht wurde. Heute spricht freilich niemand mehr, so wie damals, von der drohenden "Parkerization" oder von einem "amerikanischen Geschmackskolonialismus".Alternativ arbeitende Winzer finden sich inzwischen in so gut wie allen Weinbaugebieten der Welt. Sie setzen auf biologischen Anbau, althergebrachte Kellertechniken und generell auf geringstmögliches Eingreifen, stellen die aromatische Experimentierlust ihrer Kundschaft teils auch etwas forciert auf die Probe-und sind in der instagrambasierten Hipsterkultur zu regelrechten Popstars geworden.

Fermentation oder Das große Blubbern

Zusammen mit dem Backen von Brot zählt das Einlegen, Einwecken, Einrexen oder Fermentieren zu den Lieblingsbeschäftigungen der Hipster. Manche trieben es so weit, dass man sie mit dem Kosenamen "Fermentos" bedachte. Moderne Konservierungsmethoden, chemische Zusatzstoffe oder auch Tiefkühlung lehnen sie ab und halten sich stattdessen an die erwähnten althergebrachten Techniken. Das kann man durchaus als vernünftig ansehen, stehen fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut oder Salzgurken doch im Ruf, das Immunsystem zu stärken, Allergien vorzubeugen sowie die Darmflora und damit die Verdauung zu fördern. Außerdem machen sich die großen, bunten und prall gefüllten Einmachgläser wunderbar in den Regalen hipper Küchen und Restaurants oder als Mitbringsel bei Einladungen.

Kaffee oder Die nächste Welle

Die Zeiten, als Italien noch als das Kaffeeland schlechthin galt und der dort servierte Espresso als Gipfel der Kaffeekultur, sind längst vorbei. Bei der Erwähnung von italienischem Kaffee und seiner angeblich übertriebenen Bitternoten rümpfen so manche Kaffeesnobs heute sogar die Nase. Angesagt unter Hipstern sind vielmehr hellere Röstungen, Single-Origin-Bohnen oder solche aus bestimmten Anbauregionen. Und erstaunlicherweise auch der einst verpönte Filterkaffee, solange er nur sorgsam und geduldig von Hand aufgegossen wird. Bisweilen heißt es sogar, dass richtig guter Kaffee gar nicht nach Kaffee, sondern vielmehr nach Tee schmecken sollte. Das geht vielen Nichthipstern dann aber doch etwas zu weit-und weckt die Sehnsucht nach einem Espresso an einem x-beliebigen Autogrill in Italien.