Ayrton Senna: Tödlicher Unfall von Imola jährt sich zum 20. Mal
Es war ein Wochenende, das nicht nur die Königsklasse des Motorsports grundlegend verändert hat. Seitdem ist kein Pilot mehr bei einem F1-Grand-Prix tödlich verunglückt. Die Autos, aber auch die Rennstrecken wurden nach dem Wochenende, an dem "Gott seine schützende Hand von der Formel 1 nahm" (Niki Lauda) deutlich sicherer.
Das "Schwarze Wochenende von Imola" bleibt unvergessen. Fast zwölf Jahre und damit so lange wie noch nie hatte es keinen Renntoten in der Formel 1 mehr geben. Doch an diesem Wochenende wurden mit vier schweren Unfällen und zwei Toten die Grenzen der vermeintlich bereits grenzenlosen Sicherheit aufgezeigt.
Am Freitag überstand der Brasilianer Rubens Barrichello einen Horrorcrash wie durch ein Wunder glimpflich. Am Samstag verunglückte der Salzburger Ratzenberger, mit 33 Jahren ein Spätberufener, nach einem Frontflügelbruch bei 300 km/h tödlich. Österreich hatte nach Jochen Rindt, Helmut Koinigg, Markus Höttinger und Jo Gartner einen weiteren Motorsportler verloren.
Als "die Sonne vom Himmel fiel"
Es folgte der Tag, an dem laut Gerhard Berger "die Sonne vom Himmel fiel". Der Österreicher war bei McLaren jahrelang Teamkollege gewesen und hatte trotz aller Rivalität eine Freundschaft mit Senna, der zuvor mit Alain Prost einen durchgehenden Stallkrieg geführt hatte, aufgebaut. Fünf Jahre zuvor hatte Berger selbst in Imola einen schweren Feuer-Unfall mit viel Glück überlebt. "Später bin ich mit Ayrton zu der Mauer der Tamburello-Kurve gegangen und wir haben überlegt, ob wir etwas tun können. Denn sonst stirbt hier irgendwann wer", erinnert sich Berger.
Weil hinter der Mauer ein Fluss ist, blieb das Gebäude aber bestehen. "Genau an der Stelle, an der wir das Gespräch geführt haben, ist er dann verunglückt", ist Berger heute noch fassungslos. "Es war völlig irre, was da an einem Wochenende abgelaufen ist. Und es ist mir heute noch ein Rätsel, wie es sein konnte, dass so viele Pechsträhnen zusammen kommen", meint Berger, für den Senna der "beste Rennfahrer aller Zeiten" ist.
Der am 21. März 1960 in Sao Paulo geborene Ayrton Senna da Silva war so talentiert, dass er rasch nach seinem Wechsel nach Europa in die Formel 1 kam. Vor allem erarbeitete er sich schnell den Beinamen "Regengott". 1985 gelang der erste GP-Sieg. Es folgten 40 weitere und die drei Weltmeister-Titel 1988, 1990 und 1991, alle mit McLaren. "The Magic" stieg zum abgöttisch verehrten Volkshelden des bevölkerungsreichsten Landes Südamerikas auf. Er war, so Berger, "schon zu Lebzeiten eine Legende".
1994 aber war alles anders. Senna war zu Williams gewechselt und kam nach zwei Ausfällen punktlos zum Europa-Auftakt nach Imola. Aufgewühlt von Ratzenbergers Tod trat der 34-Jährige dennoch aus der Pole zum Rennen an. Nach einem Unfall am Start wurde das Rennen fünf Runden neutralisiert, in Runde sieben raste Senna mit fast 300 km/h geradeaus in die Mauer.
"Wir haben gesehen, dass es Senna ist. Aber es hat geheißen, er scheint okay zu sein", erinnert sich der damals viertplatzierte Karl Wendlinger. Auch der Tiroler hat nichts vergessen, obwohl er zwei Wochen später in Monaco selbst so schwer verunglückte, dass er wochenlang im Koma lag.
"Als ob eine Gottheit gestorben wäre"
Michael Schumacher gewann auch dieses Rennen, die Kunde vom Ableben Sennas erreicht die Welt erst zwei Stunden später. Als er vier Tage später in Sao Paulo zu Grabe getragen wurde, säumten hunderttausende Menschen die Straßen. "Als ob eine Gottheit gestorben wäre", erinnert sich sein langjähriger Physiotherapeut Josef Leberer. "Senna wäre im Williams über Jahre unschlagbar gewesen, einige andere wohl nicht Weltmeister geworden", ist Berger, einer der Sargträger, heute noch überzeugt.
Imola 1994 löste aber insgesamt eine intensive Sicherheits-Diskussion in der automotiven Welt aus. Die FIA intensivierte die Crashtests, die ab da rasanten Fortschritte punkto Verkehrssicherheit haben vermutlich tausenden Menschen das Leben gerettet. "Ohne die Ereignisse von Imola hätten wir 20 oder 30 Jahre länger gebraucht, um punkto Verkehrssicherheit dorthin zu gelangen, wo wir heute sind", ist der damalige FIA-Präsident Max Mosley überzeugt. Leberer ist sicher: "Ayrton ist irgendwie auch für die Anderen gestorben".
Die Staatsanwaltschaft klagte damals sechs Personen an. Alle, darunter Teambesitzer Frank Williams, Technikchef Patrick Head und Designer Adrian Newey, wurden letztlich freigesprochen. Obwohl die gefährliche Tamburello längst entschärft ist, lässt sich die Formel 1 im Autodromo Dino e Enzo Ferrari seit 2006 nicht mehr blicken. Die bevorstehenden Gedenktage, denen auch Berger beiwohnt, sollen wieder Leben an die Rennstrecke in Norditalien bringen.
Ayrton Senna da Silva (Brasilien):
Geboren am 21. März 1960 in Sao Paulo, tödlich verunglückt am 1. Mai 1994 in Imola
Erster/letzter Start: GP von Brasilien 1984, GP von San Marino 1994
Karriere: Weltmeister 1988, 1990 und 1991
Starts/Siege/Pole Positions: 161/41/65
WM-Punkte/Podestplätze/Führungsrunden: 614/80/2.904
Teams: 1984 Toleman, 1985-1987 Lotus, 1988-1993 McLaren, 1994 Williams
Roland Ratzenberger (Österreich):
Geboren: 4. Juli 1960 in Salzburg, tödlich verunglückt am 30. April 1994 in Imola
Erster/einziger Start: GP des Pazifik 1994 in Aida/Japan (11.);
Weitere Teilnahmen 1994: GP von Brasilien (nicht qualifiziert),
GP von San Marino (Verunglückt im Qualifikationstraining)
Karriere: 1985 Formel-Ford (11 Siege in 19 Rennen und
Europameister); 1986 Sieger in Brands Hatch; 1987 Britische
Formel-3-Meisterschaft; 1988 Formel-3000 und britische
Tourenwagen-Meisterschaft; Ab 1990 Japan: U.a. Formel-3000 und
Sportwagen, 1992 Dritter beim 24-Stunden-Rennen von Daytona; Mehrere
Le-Mans-Teilnahmen, darunter 1993 auf Toyota Gesamt-Fünfter und
Sieger der Turbo-Klasse. 1994: Formel 1
(APA/Red)
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