Benjamin Hadrigan: "Nicht jeder sollte Lehrer werden dürfen"
profil: Als Kind taten Sie sich in der Schule schwer, bei ihnen wurden ADHS und Legasthenie diagnostiziert. Wie kamen Sie dazu, schließlich ein Buch übers Lernen zu schreiben? Benjamin Hadrigan: Ich war sehr schlecht in der Schule und wäre in der ersten Klasse Gymnasium fast durchgefallen. Ich wurde in eine Schublade gesteckt, dass ich dumm bin, dass etwas mit mir nicht stimmt. Der Knopf ging mir auf, als ich im Scherz zu meiner Englisch-Lehrerin gesagt habe, dass ich eine Eins auf den nächsten Test schreiben werde. Sie hat nur gelacht. Dann wollte ich es ihr beweisen, und habe angefangen, sehr viel zu lernen. Eine Eins ist es dann trotzdem nicht geworden.
profil: Wie haben Sie schließlich den Sprung zum Einserschüler geschafft? Hadrigan: Erst als ich angefangen habe, mich mit unterschiedlichen Lerntechniken zu beschäftigten.
profil: Wie kam es zur Verbindung mit Social Media? Hadrigan: Ich habe immer mit Karteikarten gelernt, diese aber regelmäßig verlegt. Irgendwann habe ich angefangen, sie mit dem Handy abzufotografieren und schließlich auch per WhatsApp an Freunde zu verschicken. Das war die erste Verbindung mit Social Media. Diese Technik habe ich dann gemeinsam mit meinen Nachhilfeschülern weiter ausgebaut.
profil: Tun sich Schüler leichter, mit Social Media zu lernen oder wird man dort auch viel abgelenkt? Hadrigan: Das Lernen über Social Media verbindet für die Schüler die Pflicht mit ihrem liebsten Hobby – und wenn man etwas gerne macht, lernt man einfach besser. Wenn man schon mit einer positiven Einstellung anfängt, auf Instagram zu lernen, weil man dort vielleicht auch seinen Idolen folgt, ist das psychologisch ein riesen Vorteil.
profil: Welchen Nutzen haben soziale Medien beim Lernen? Hadrigan: Beim Lernen geht es um vereinfachte Kommunikation. Man teilt den Stoff in kleine, merkbare Häppchen auf. Auf Instagram machen wir im Grunde dasselbe: Ein Foto, eine kurze Beschreibung – das ist sehr hilfreich zum Strukturieren von Lernstoff.
profil: Sind die Eltern skeptisch gegenüber Ihrer Lerntechnik? Hadrigan: Am Anfang gibt es immer Zweifel – aber wenn dann die ersten Erfolge kommen, legt sich das. Eine Eins ist eine Eins.
Eigentlich scheitern Schüler ja nicht, sie wissen nur nicht, wie es richtig geht. Das ist auch meine große Kritik am Schulsystem
profil: Woran scheitern die meisten Schüler, denen Sie helfen? Hadrigan: Eigentlich scheitern Schüler ja nicht, sie wissen nur nicht, wie es richtig geht. Das ist auch meine große Kritik am Schulsystem: Den Schülern wird nicht beigebracht, wie man richtig lernt. Eigentlich haben wir alle von Geburt an eine große Neugier. Ein Kind lernt seine Muttersprache mit Spaß – und das ohne Tests oder Bestrafungen. Es freut sich auf den ersten Schultag. Dann kommen irgendwann der Druck und die ersten Misserfolge. Für viele ist es der größte Leistungsdruck, den sie in ihrem Leben je erleben. Man könnte sich so viel Blut, Schweiß und Tränen auf Schüler-, Lehrer- und auch Elternseite sparen.
profil: Wie könnte das gehen? Hadrigan: Man sollte Lerncoaches in die Schulen schicken. Die Lehrer müssen auch endlich auf Social Media geschult werden. Es reicht nicht, da und dort Beamer und Laptops zu kaufen. Die Schüler sind längst durch ihre Handys digitalisiert. Wir werden auf die Zukunft vorbereitet, lernen aber mit den Mitteln der Vergangenheit. Kreide und Tafel wurden vor Jahrhunderten erfunden. Genauso die 50-Minuten-Einheit, die stammt noch aus dem Kloster, wo in den restlichen 10 Minuten dann gebetet wurde. Da hilft wirklich nur noch Gott bei so einem System. Dass das keinen Spaß macht, ist auch klar. Man sollte die Jugendlichen fragen. Was braucht ihr?
profil: Gab es schon Feedback von Lehrern zu Ihrer Methode? Hadrigan: Das Feedback ist sehr positiv. Die Lehrer sehen selbst, dass sie hier nicht mehr ganz up to date sind und dass man die viele Energie, die Jugendliche in Social Media investieren, auch für Sinnvolles nutzen kann.
profil: Werden Schüler zu wenig motiviert? Hadrigan: Sie werden zu viel demotiviert. Das natürliche Lernen wird ihnen abtrainiert, durch Druck, undurchsichtige Benotung oder persönliche Abneigungen zwischen Schülern und Lehrern. Sie werden auch nicht gecoacht, wie man Misserfolge übersteht. Die Schule ist ja auch eine Art Unternehmen und der Lehrer hat von Tag eins an die Verantwortung für 20, 25 Mitarbeiter - weiß aber nichts über Führung, sondern nur etwas über Biologie.
Lehrer sollten nach den Leistungen ihrer Schüler beurteilt werden und auch kündbar sein
profil: Gibt es zu wenig Qualitätskontrollen bei Lehrern? Hadrigan: Es sollte nicht jeder Lehrer werden können. Die Erklär- und Motivationsfähigkeit sollte mehr zählen, als das reine Fachwissen. Lehrer sollten nach den Leistungen ihrer Schüler beurteilt werden und auch kündbar sein. Erst dann kann man von Qualität sprechen. Aber auch Lehrer sollen sich weiterentwickeln können in diesem System - auch sie brauchen Motivation.
profil: Wie sieht die Zukunft des Lernens aus? Hadrigan: Irgendwann werden wir Vorträge zu richtig guten Videos verarbeiten und jede Schule wird diese als Lehrgänge online anbieten. Lehrer sind dann für Fragen und zur Beratung über Foren da.
profil: Sie sind mittlerweile außerordentlicher Studierender an der Wirtschaftsuniversität Wien und machen nächstes Jahr die Matura – lernen Sie selbst immer noch mit Ihren Lerntechniken? Hadrigan: Klar, das wäre ja sonst Heuchelei.
profil: Wollen Sie später in die Bildungspolitik gehen? Hadrigan: Alles was ich mache, mache ich gerne – und ich will noch viel ausprobieren. Die Bildungspolitik schließe ich nicht aus. Mir macht es Spaß, Schülern etwas zu erklären und vielleicht etwas zum Besseren zu verändern.
Benjamin Hadrigan, 17, ist Schüler und außerordentlicher Student an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sein Buch "#Lernsieg. Erfolgreich lernen mit Snapchat, Instagram und WhatsApp" ist am 23. März im Verlag "edition a" erschienen. Ab 14. August gibt es dazu auch online Kurse unter bettercademy.eu.