"Ich spüre die Schmerzen"

Bernhard Kohl: "Ich spüre die Schmerzen"

Mit profil sprach Bernhard Kohl über die Härten der Tour, die Chancen von Ausreißern und seinen Tipp fürs Podium.

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profil: Sie haben vor acht Jahren Ihre Profi-Karriere beendet. Interessiert Sie die Tour de France überhaupt noch? Bernhard Kohl: Ja, ich verfolge das noch immer sehr aufmerksam - natürlich nicht alles live, weil ich in meinem Radgeschäft tätig bin und Familie habe. Aber ich kann mich noch immer gut hineinversetzen und spüre die Schmerzen, wenn ich die verzerrten Gesichter sehe.

profil: Apropos Schmerzen: Der größte Tour-Aufreger bislang war das Gerempel zwischen Peter Sagan und Mark Cavendish im Zielsprint der vierten Etappe, der für den einen Fahrer im OP und für den anderen mit Disqualifikation endete. War das business as usual oder doch speziell brutal? Kohl: Dass es nicht die feine englische Art war, ist schon klar. Aber wenn man sich die Zeitlupe ansieht, war Cavendish hinter Sagan und wäre ohnehin gestürzt, als der den Ellbogen ausgefahren hat. Früher gab es schlimmere Aktionen, die nicht zu einem Ausschluss geführt haben.

profil: Was war die härteste Aktion, an der Sie selbst beteiligt waren? Kohl: Ich war Gott sei Dank kein Sprinter, sondern Bergfahrer. Im Sprint kommen ganz andere Emotionen hoch, wenn plötzlich zehn Kaliber vorne auftauchen und mit 60 oder 70 km/h um den Sieg fahren.

profil: Wie ist das Verhältnis unter den Fahrern, die nicht gerade um den Gesamtsieg kämpfen? Schweißt die Ausnahmesituation zusammen? Kohl: Klar schweißt die Tour zusammen, aber dass jemand nur mitfahren würde, um dabei zu sein - das gibt es nicht.

Drei Wochen Radfahren, täglich am Limit, ist einfach hart.

profil: Die Tour de France ist technologisch hochgerüstet, die Rennstrategie wird heute vom Begleitfahrzeug durchgefunkt. Ruiniert das nicht den Sport? Kohl: Das ist seit Jahren unverändert. Die Fahrer können sehr gut einschätzen, welche Zeit sie auf wie vielen Kilometern gutmachen können. Das lässt sich ausrechnen. Trotzdem kann etwas Unvorhergesehenes passieren. Von zehn Mal wird eine Ausreißergruppe neun Mal eingeholt. Aber einmal kommt sie eben doch durch.

profil: War die Tour früher härter? Kohl: Die Tour de France war vor 70 Jahren hart, sie war vor zehn Jahren hart, und sie ist heute hart. Drei Wochen Radfahren, täglich am Limit, ist einfach hart. Heute gibt es vielleicht ein paar bessere Massagen und hochwertigeres Essen. Aber die Strapazen werden immer extrem bleiben.

profil: Sieht der ehemalige Profi mit freiem Auge, ob ein Fahrer gedopt unterwegs ist? Kohl: Nein, das kann man nicht sehen. Man kann nur erkennen, ob jemand in guter Form ist oder nicht.

profil: Wer wird heuer auf dem Podium landen? Kohl: Das Podium wird bestehen aus Chris Froome, Richie Porte und vielleicht Fabio Aru.