Beruf Tatortreiniger
Sein Gesicht verrät nicht, was ihm sein Job abverlangt. Jung, frisch, mit unbekümmertem Lächeln tritt Daniel Hodzic, 22, auf. Er spricht in fachmännischer Manier und wirkt abgeklärt, wenn es um seinen Beruf geht. Mit 16 Jahren wusste er, das mit der Schule wird nichts mehr. Schuld war vor allem Französisch und der Drang etwas „zu machen“. Er stieg in die Gebäudereinigungsfirma seines Vaters ein. Bald entdeckten die beiden eine riesige Marktlücke: Tatortreinigung. Zwar würden herkömmliche Firmen die Reinigung nach Todesfällen nebenbei machen, doch nicht mit spezieller Expertise. Das Feld umfasst nicht nur „Tatorte“ im herkömmlichen Sinne. Hodzic kümmert sich um jedwede Reinigung nach einem Todesfall und putzt Wohnungen ebenso wie Autos, entfernt Maden aus Messie-Wohnungen und tröstet Angehörige. Geschichten von Suiziden berühren Hodzic zwar, er nimmt sie aber nicht mit nach Hause. Über den Tod macht er sich selten Gedanken, er lebt im Jetzt. Für ihn ist sein Beruf alltäglich.
Die Firma CCS GmbH seines Vaters beschäftigt mehr als 50 Mitarbeiter, davon fallen zehn auf die Tatortreinigung. Eine reine Managerarbeit kann sich Hodzic nicht vorstellen. Einerseits, weil der Markt irgendwann erschöpft ist und seine Abteilung demnach nicht mehr viel wachsen wird und andererseits weil er seinen Beruf gerne und vor allem gut macht. Bei den schwierigen Fällen ist er immer dabei, sein Know How wird gebraucht.
Als Kind war Hodzic fasziniert von Traktoren. Beim Spazierengehen mit den Eltern sagte er immer: „Ich will Rasenmähermann werden!“ Ein bisschen ist der Kindheitswunsch in Erfüllung gegangen: Gartenpflege ist ein Teil der Gebäudereinigung. Im Jugendalter war Hodzic eher planlos, was die Zukunft anging. Die Stelle in der Firma seines Vaters war ein Glücksfall. Er kann sich nicht vorstellen, jemals die Branche zu wechseln.
An seinen ersten Fall - Hodzic war damals 16 - kann er sich noch gut erinnern. Immerhin war es seine erste direkte Konfrontation mit dem Tod. Einem Mann platzte die Halsschlagader in einem Hotelzimmer. Hodzic erklärt: „Wenn man ein Glas Wasser am Boden ausschüttet, entsteht eine riesige Pfütze. So kann man sich vorstellen, wie es aussieht, wenn ein Mensch 3, 4 Liter Blut verliert.“ Die Überbleibsel einer toten Person seien aber gar nicht so schlimm. Die Hintergrundgeschichten beschäftigen mehr. Hodzic reinigt oft Schauplätze, an denen ein Suizid stattgefunden hat. Sein Fazit: Es sind vor allem Männer, und der Großteil bringt sich wegen einer Frau um. Die Geschichten erfährt er im Gespräch mit den Hinterbliebenen, die ihn beauftragen und häufig Redebedürfnis haben. Die Dankbarkeit, die er erfährt, motiviert.
"Die Halle war voll mit Maden und Blut"
Als er in die Asfinag-Halle gerufen wurde, war es anders als sonst - heftiger. Die hohe Zahl der Toten und die Art des Todes empfindet Hodzic als grausam. Noch bevor die Nachricht an die Medien gelangte, wussten sie Bescheid. Da hieß es noch geschätzt 50 Tote. Es hatte an dem Tag 30 Grad, erinnert er sich. Sein Team sollte die Halle säubern, in der der LKW zwischengelagert wurde. Tote waren zu diesem Zeitraum wahrscheinlich nicht mehr in dem Auto. Der Verwesungsprozess beginnt normalerweise innerhalb von 24 Stunden. Durch die Hitze wurde der Prozess allerdings beschleunigt, sodass die Körper viel Flüssigkeit verloren, erklärt Hodzic. „Der LKW ist ausgeronnen. Die Halle war voll mit Maden und Blut und anderen Flüssigkeiten.“ Etwa 20 Arbeitsstunden investierten Hodzic und vier seiner Kollegen in die Reinigung, rund zehn Mal mehr als üblich.
Hunger ist in diesen Stunden nicht aufgekommen, nur eine kurze Kaffeepause gab es. Im Arbeitsalltag ist eine Mittagspause allerdings durchaus üblich. Der Job ist körperlich anstrengend. Blut löse sich nicht so leicht, wie Hodzic zu bedenken gibt. „Ich bin hart im Nehmen. Wenn ich mich von so etwas fertig machen lasse, kann ich den Job nicht machen.“ Mitarbeiter zu finden ist für die Branche nicht zu einfach. Die Fähigkeit, die tägliche Konfrontation mit dem Tod zu schlucken, sei angeboren. Psychologische Nachbetreuung war nach eigenen Angaben weder für Hodzic noch für seine Kollegen bis jetzt nötig. In Österreich ist der Begriff "Tatortreinigung" nicht geschützt. Jeder kann sich ohne spezielle Kenntnisse so nennen. Hodzic hat trotzdem eine offizielle Ausbildung in Deutschland gemacht. Wie das Team bei der Reinigung genau vorgeht, bleibt Firmengeheimnis. Die persönliche Schutzkleidung ist ein Muss. Eine Maske schützt vor den intensiven Gerüchen.
Nachhaltig beeindruckt hat ihn das Erlebnis nicht. Politik spielt in seinem Leben keine Rolle und auch Nachrichten interessieren ihn nicht, da er diese teilweise für manipuliert hält. In der Flüchtlingsfrage ist er neutral. Er wünscht sich in Österreich mehr Zusammenhalt, dann würde vieles besser gehen, meint er.