#brodnig: Die Selbstüberhöhung der Corona-Skeptiker
Corona-Skeptiker unterstellen Andersdenkenden gerne, dass sie zu gutgläubig und unkritisch gegenüber der Politik seien. Sie nennen sich selbst "Querdenker" oder "Corona-Rebellen",und ihre Mitglieder posten auf der Online-Plattform Telegram zum Beispiel: "Wie kann man eigentlich noch an ehrliche Wahlen und Rechtsstaat glauben, frag ich mich. Wie verblödet muss man sein? Wie krass sollen die Gehirne noch glänzen vor lauter Weichspüler?" Oder: "Die Geimpften pflegen den blinden Gehorsam und sind eine Gefahr für unsere Demokratie (...). Seit über einem Jahr sind sie der Gehirnwäsche zum Opfer gefallen und folgen blind und ohne Rücksicht auf Verluste dem Plan der Regierung."
Solch eine Rhetorik ist absurd. Demokratische Länder wie Österreich, Deutschland oder die Schweiz werden als Diktaturen dargestellt - eine kleine Minderheit inszeniert sich online oder auf Corona-Demos als heldenhafter, hochintelligenter Widerstand (während die anderen als verblendet oder als Teil der Verschwörung dargestellt werden). Diese Sichtweise ist Humbug. Wer mit unterschiedlichsten Bürgern spricht, hört enorm viel Kritik. Die Kritik ist aktuell eher der Normalfall: Wenig Österreicher würden einem aktuell erklären, dass die Performance der Regierung tipptopp sei.
Corona-Skeptiker rufen: Denkt doch mal kritisch nach! Aber was sie meinen, ist: Denkt exakt gleich wie wir! Das ist nicht nur eine Form von Schwarz-Weiß-Denken-sondern auch eine Selbsterhöhung. Im Lager der vehementen Corona-Skeptiker finden sich einige, die meinen, sie hätten die "Wahrheit" erkannt und eine große Verschwörung vor allen anderen durchschaut. Dazu passend haben die Psychologen Roland Imhoff und Pia Lamberty einen Zusammenhang zwischen Verschwörungsmentalität und dem Bedürfnis nach Einzigartigkeit festgestellt.
Wenn einem ein Corona-Skeptiker also vorwirft, man sei zu unkritisch, ist das oftmals falsch und durchaus beleidigend-aber bei manchen geht es hier womöglich um das Bedürfnis, sich besonders clever zu fühlen. Nur nüchtern betrachtet ist es eher so: Wenn man eine Position einnimmt, von der 99 Prozent der Forschenden auf einem Gebiet abraten, dann muss dies kein Indikator dafür sein, wie genial man ist. Es kann auch einfach bedeuten, dass man falschliegt.