#brodnig: Pokémon gone

Wieso komplett überschätzte Internettrends trotz allem wunderbar und wichtig sind.

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Eines Tages möchte ich ein Buch verfassen mit dem Titel: "Digitale Hypes - und ihr frühzeitiges Ableben“. Unzählige Male habe ich über den neuesten "heißen Scheiß“ im Netz berichtet - die meisten dieser Trends floppten dann jämmerlich.

Erinnert sich noch jemand an das bunte Online-Spiel "Second Life“, in dem man ein virtuelles "zweites Leben“ führen konnte? Oder an das soziale Netzwerk namens "Diaspora“, das angeblich der große Herausforderer von Facebook werden sollte? Beide Angebote gibt es zwar noch - es fühlt sich dort aber ziemlich menschenleer an. Aus einst bejubelten Rummelplätzen wurden digitale Geisterstädte.

Wir Technikfreaks sind eben leicht zu begeistern. Als Google 2009 seinen Online-Dienst "Waves“ mit viel Trommelwirbel startete (mehrere Nutzer konnten dabei gemeinsam ein Dokument bearbeiten), gründeten wir in Wien sogar eine eigene "Selbsthilfegruppe“ dafür. Mit unseren Laptops saßen wir gemeinsam im Lokal und versuchten zu verstehen, wofür diese Software denn gut sein sollte (eine Antwort fand selbst Google nicht und stellte die Entwicklung später ein).

Zwischen Euphorie und Enttäuschung liegen oft nur ein paar Klicks.

Zuletzt verfiel fast mein ganzer Freundeskreis der "Pokémon Go“-Manie - lief wochenlang wie ferngesteuert mit dem Smartphone durch die Gegend und versuchte, unterwegs Comicfiguren namens Pikachu oder Mauzi einzufangen. Doch bald wurde es eintönig, mittlerweile haben die meisten von uns die App wieder deinstalliert.

Zwischen Euphorie und Enttäuschung liegen oft nur ein paar Klicks. Doch auch solche Flops gehören zur digitalen Revolution dazu: Wir lernen schrittweise, was dieses Internet bringt (und welche Funktionen wir eher nicht brauchen). Der anfängliche Zauber jeder neuen Technologie macht das Netz erst so verlockend.

Ich jedenfalls bereue nichts: Lieber Pikachu, unsere gemeinsame Zeit am Smartphone war wunderschön - und jetzt kann bitte der nächste Hype kommen!

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter [email protected] facebook.com/brodnig twitter.com/brodnig

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

war bis Dezember 2023 Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.