#brodnig: Politik-Spam

Die Parteien sind im Netz angekommen - und es ist nervenaufreibend.

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Es ist ja sehr lustig: In Deutschland schimpfen die Journalisten, dass ihnen der Wahlkampf zu langweilig sei. Weil zu wenig Streitigkeiten für Nervenkitzel und lebhafte Debatten sorgen würden. Die spröde Kanzlerin Angela Merkel ist nunmal keine Drama-Queen - und das fadisiert einige unserer Nachbarn mittlerweile.

Bei uns sollte man in Wahlkampfzeiten flächendeckend Valium verschreiben - speziell wenn man online mitliest.

Die Deutschen haben herzige Probleme! Bei uns hingegen sollte man in Wahlkampfzeiten flächendeckend Valium verschreiben - speziell wenn man online mitliest. Im Netz kann man rund um die Uhr Aufregung erleben. Ich mache die Facebook-App auf und sehe, dass die FPÖ als möglichen Minister Herbert "daham statt Islam“ Kickl vorschlägt. Danke für die Info, Facebook-App wird wieder geschlossen. Ich schaue auf Twitter, dort erklären mir Politikberater der ÖVP und SPÖ, wie "hervorragend“ und "ehrlich“ der jeweils eigene Kandidat sei, während dem Gegner die "Glaubwürdigkeit“ fehle. Twitter ist offensichtlich zum Verlautbarungsmedium von Parteien verkommen - ebenfalls ärgerlich.

Immer mehr Menschen erzählen mir, dass sie abends nur noch auf Instagram herumscrollen: Dort gibt es schöne Fotos von Sonnenuntergängen und herzige Tiervideos. Aber selbst dieser digitale Eskapismus funktioniert nicht mehr richtig - jetzt inserieren die Parteien schon auf Instagram. Und selbst auf YouTube scheint die FPÖ permanent Werbung zu schalten.

Wahrscheinlich sind Journalisten wie ich mitschuldig an dieser Situation: Jahrelang schrieben wir, die Parteien sollen sich online stärker einbringen und mit den Bürgern direkt kommunizieren. Jetzt tun sie das wirklich, und es erhöht den Blutdruck. Auch lässt sich feststellen, dass der Wahlkampf in Österreich schon deutlich digitaler als bei den deutschen Kollegen ist: Bei uns werden Facebook und Co. immens als Ankündigungsmedium genutzt. Und wir armen Ösis lernen: Es hatte doch Vorteile, als wir nicht rund um die Uhr mit Politik zugespamt wurden.

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter [email protected] facebook.com/brodnig twitter.com/brodnig

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

war bis Dezember 2023 Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.