#brodnig: Schau mir in die Augen
Ich bin kein Fan von Videokonferenzen. Sicher: In Zeiten, wo man physische Nähe vermeiden sollte, sind Videochats eine sinnvolle Alternative - vieles kann man tatsächlich einfach online besprechen. Nur kommen diese Videoformate nicht an Kommunikation von Angesicht zu Angesicht heran. Je länger viele von uns im Homeoffice sitzen, desto offensichtlicher werden Grenzen dieses Formats. Neben Datenschutzfragen (die etwa beim Online-Dienst Zoom aufkamen) sehe ich drei große Schwachstellen der Videokonferenz:
1. Der Augenkontakt funktioniert nicht richtig. Wenn man offline in einem Raum mit mehreren Menschen diskutiert, erkennt man sofort, wer einem in die Augen schaut. In Videokonferenzen ist das schwer ersichtlich. Man weiß nicht, wohin eine Person auf dem Bildschirm gerade den Blick richtet. Teil des Problems ist, dass die Webcam bei Laptops oberhalb des Bildschirms montiert ist. Entweder man blickt direkt in die Kamera, dann sieht man aber dem anderen nicht in die Augen. Oder man sieht direkt den Gesprächspartner am Bildschirm an, aber dann blickt man an der Webcam vorbei. Das sind technische Details, aber sie erschweren vollen Augenkontakt.
2. Körpersprache fehlt. Unser dreidimensionaler Körper wird als zweidimensionales Bild übertragen, was eine Reduktion des Gesamteindruckes bedeutet. Hinzu kommt: Wir sind abgeschnitten. Oft fokussiert die Webcam auf den Kopf und einen Teil des Oberkörpers. Das verbirgt jenen Teil der Sprache, der mit unseren Händen, Armen oder dem gesamten Körper passiert.
In der aktuellen Situation zeigt sich schon auch der Wert menschlicher Nähe.
3. Subtilität fällt weg. In Offline-Sitzungen passiert viel unscheinbare Kommunikation. Man wirft Kollegen Blicke zu, man runzelt leicht die Stirn, man ändert die Haltung. Am Bildschirm lässt sich gerade das Subtile oft nicht so gut erkennen.
Sicher sind Videokonferenzen praktisch - ohne Videochats wäre die Corona-Krise noch mühsamer. Aber diese Technologie ist eben nur eine Annäherung an Offline- Gespräche. Oder wie es der Technikautor L. M. Sacasas beschreibt: "Das Problem mit Videokonferenzen ist, dass unser Körper sowohl dabei als auch nicht dabei ist."
In der aktuellen Situation zeigt sich schon auch der Wert menschlicher Nähe - dass es bei Sprache nicht rein um Worte geht, sondern ebenso um unseren Körper als kommunikatives Instrument.
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