Bücher über Grenzen: Hier und da
Was den Menschen vom Tier unterscheidet (Auswahl): Religion, Craftbeer, Socken, Smartphones. Und: ein etwas neurotisches Verhältnis zu Grenzen. Der Mensch zieht Grenzen, geht an Grenzen, schließt und öffnet Grenzen je nach Bedarf und politischer Großwetterlage und kommt dauernd über Grenzen ins Streiten. Grenzen stehen zwischen dem Menschen und seinesgleichen. Den meisten Tieren dagegen sind derlei Barrieren reichlich egal (vor allem, wenn diese von Menschen erfunden wurden).
Zwei neue Bücher verhandeln diesen heiklen Gegenstand aus gründlich unterschiedlichen Perspektiven. Der Berliner Althistoriker Alexander Demandt unternimmt in seinem Großwerk „Grenzen. Geschichte und Gegenwart“ eine Reise, die bei der Erfindung des Menschen beginnt und bei den Grenzschließungen aufgrund von Corona endet und dazwischen wenig auslässt, was in dem Zusammenhang auszulassen wäre.
Demandt informiert über die Grenzen des biblischen Paradieses, über das Zustandekommen des römischen Limes und der Chinesischen Mauer, erläutert die Frage, wo die Zeit endet und der Kosmos und was das alles ganz prinzipiell über den Menschen aussagt. Das ist in erstaunlich vielerlei Hinsicht lehrreich – und trotzdem lachen da die Sumpfrohrsänger. Mit einem Reisegewicht von nur 13 Gramm pendeln diese famosen Sperlingsvögel jährlich bis zu 25.000 Kilometer zwischen ihren Brutstätten in Europa und dem Winterurlaub in Südafrika, spielen dort kein Golf, überschreiten aber doch alle möglichen Grenzen und überwinden insgesamt unvorstellbare Distanzen.
Die italienische Biologin und Wissenschaftsjournalistin Francesca Buoninconti verfolgt in „Grenzenlos. Die erstaunlichen Wanderungen der Tiere“ die Reise der Sumpfrohrsänger sowie zig weitere Arten bei ihren Trips um den Globus und zeigt dabei en passant, was das Tier mit dem Menschen verbindet: eine einigermaßen grenzenlose Sturheit.
Alexander Demandt: Grenzen. Geschichte und Gegenwart. Propyläen, 660 S., 28,80 EUR
Francesca Buoninconti: Grenzenlos. Die erstaunlichen Wanderungender Tiere. Folio Verlag, 208 S., 22 EUR.